Tod nach harten Sex-PraktikenGericht glaubt Chefarzt und spricht ihn frei
Eine Ärztin ist nach stundenlangen Sexspielen verstorben. Ihr Sexpartner, ebenfalls Arzt, musste sich wegen mutmasslicher fahrlässiger Tötung und Unterlassung der Nothilfe vor Gericht verantworten. 20 Minuten berichtete vom Prozess.

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Vater mit Untersuchung total unzufrieden
Nach dem Urteil sagte der Vater auf Anfrage von 20 Minuten, dass er mit der Untersuchung des Falles und dem Urteil nicht zufrieden ist. Er ist selbst Gerichtsmediziner und er habe gesehen, dass viele Fehler gemacht wurden, alleine schon bei der Zuständigkeit der Gerichtsmedizin sowie im weiteren Verfahren. Der Beschuldigte habe zudem nur Entlastendes vorgebracht und ansonsten nichts zur Aufklärung beigetragen.
Ob das Urteil weitergezogen wird, lässt der Anwalt des Vaters offen. Zuerst müsse wie gewohnt das schriftliche Urteil abgewartet und studiert werden.
Freispruch für den Chefarzt
Die Einzelrichterin hat entschieden: Der Chefarzt wird freigesprochen. Die Zivilklagen werden abgewiesen.
Der Tod sei sehr tragisch und die Richterin drückt der Familie ihr Beileid aus.
Das Gericht musste beurteilen, ob sich der Chefarzt strafrechtlich falsch verhalten habe. Bei den wiederholten Einvernahmen habe der Beschuldigte immer gleich geantwortet. Man gehe nicht von einer erfundenen Geschichte aus, so die Richterin in der Urteilsbegründung. Die Aussagen des Mediziners seien glaubhaft. Heute seien vor Gericht verschiedene Varianten der besagten Nacht geschildert worden, doch diejenige des Beschuldigten sei für das Gericht am plausibelsten. GHB als Mitursache wurde nicht angeklagt. Die Thematik wurde erst durch die Privatklägerschaft aufgeworfen. Der Verfasser des Privatgutachtens sei heute als Vertrauensperson des Vaters vor Gericht anwesend. Das sei man nur, wenn man eng mit der Familie verbunden ist.
Zur Unterlassung der Nothilfe: Wenn eine Person bereits tot ist, ist Hilfe nicht mehr nötig. Der Chefarzt habe die entsprechenden Fachkenntnisse. Er hat glaubwürdig seine Gedanken dazu geschildert.
Vorsätzlichkeit könne man dem Chefarzt nicht vorwerfen. Deshalb erfolgt ein Freispruch.
Der Entscheid des Kreisgerichts St. Gallen ist noch nicht rechtskräftig. Das Urteil kann die nächste Instanz weiter gezogen werden.
Die Verhandlung ist geschlossen. Das Urteil wird gegen 20 Uhr mündlich eröffnet.
«Es ist ein Albtraum»
Im Schlusswort spricht der Chefarzt den Hinterbliebenen sein Beileid aus. «Es ist ein Albtraum. Ich habe mit dem, was passiert ist, nichts zu tun.»
Gewalteinwirkung wäre festgestellt worden
Nun nimmt die Verteidigung nochmals Stellung. Als Arzt habe er klar gesehen, dass die Frau tot war, als er sie aufgefunden habe. Die Hämatome seien nicht kurze Zeit um den Tod entstanden. Wenn es Gewalteinwirkung gegeben hätte, dann hätte das die Rechtsmedizin festgestellt.
Ob leblos oder tot, das sei eine Wortspielerei. Weiter sei der zeitliche Ablauf schwer festzustellen. Wann genau die Frau aufgefunden wurde, sei nicht auf die Minute festzustellen.
Wenn die Sexspielzeuge so harmlos gewesen wären, hätte man sie wohl nicht versteckt, bemerkt der Anwalt des Vaters der Verstorbenen. Zudem wusste der Beschuldigte beim Auffinden des Körpers nicht, wie lange dieser bereits leblos dagelegen habe. «Und leblos heisst nicht tot.» Ein Wiederbelebungsversuch hätte seiner Meinung nach stattfinden müssen.
Unglaubwürdige Geschichte
Nun äussern sich die Anwälte der Angehörigen nochmals. «Man kann nicht von einem unversehrten Körper sprechen.» Es ist zu Verletzungen rund um den Todeszeitpunkt gekommen. Der Beschuldigte hat keine Erklärungen zu den Verletzungen. Das sei ein Indiz, dass die Geschichte anders gelaufen ist, als sie der Beschuldigte schildert. Zudem sei fragwürdig, ob der Chefarzt die Sexspielzeuge aus Scham versteckte. Auch das Nylonband wurde vorerst verschwiegen. Zudem habe der Arzt die Leiche auf das Sofa gebracht. Das alles spreche nicht für den Beschuldigten.
Kein Blümchensex
Nun folgt der zweite Vortrag der Staatsanwaltschaft. «Von Blümchensex kann man bei den gefundenen Sexspielzeugen nicht sprechen.» Die Staatsanwaltschaft glaubt den Ausführungen der Rechtsmediziner. Auch an der unterlassenen Nothilfe sei nicht zu zweifeln. Zumindest Reanimationsversuche hätten stattfinden müssen.
Tief betroffen
Seit dem Tod der Frau gehe sein Mandant davon aus, dass die Todesursache rechtsmedizinisch geklärt werden könne. Doch das ist nicht der Fall. Für seinen Mandanten sei der Tod der Frau schlimm. «Er ist tiefbetroffen. Aber für den Tod trägt er keine Schuld.» Man verstehe aber, dass ein Schuldiger gesucht werde.
Zur Unterlassung der Nothilfe sagt der Verteidiger, dass sein Mandant die Frau bereits tot aufgefunden habe. Die Anzeichen seien für ihn klar gewesen, weshalb ihm keine Schuld angelastet werden könne.
«In seiner Berufslaufbahn war mein Mandant unzählige Male bei Wiederbelebungsmassnahmen dabei.» Er wisse, wann eine Reanimation angebracht ist. Es sei davon auszugehen, dass die Frau bereits verstorben war, als sie vom Chefarzt aufgefunden wurde. Ihm sei klar gewesen, dass es für eine Wiederbelebung bereits zu spät war.
«Wie oft bedenkt man vor dem Sex, dass der Partner versterben könnte?»
Von hartem und gewaltbegleitetem Sex könne keine Rede sein. Dann wären andere Spuren festgestellt worden. Dass sein Mandant wegen dem Untergewicht der Frau vorsorgliche Massnahmen hätte treffen müssen, sei absurd. Immerhin war die Verstorbene selber Ärztin. Sie konnte ihren Gesundheitszustand klar einschätzen. Deshalb sei keine Risikoabschätzung vor dem Sex notwendig gewesen. Überhaupt: «Wie oft bedenkt man vor dem Sex, dass der Partner versterben könnte?»
Dass die Sexspielzeuge vor Eintreffen der Polizei im Keller versteckt wurden, sei ungeschickt gewesen. Doch das habe der Arzt gemacht, weil ihm die Toys peinlich waren. Zu einem späteren Zeitpunkt hat er den Ermittlern davon erzählt. «Er hätte sie aber auch verschwinden lassen können. Doch das tat er nicht.»
Einvernehmlicher Sex
«Die Todesursache bleibt unklar», so der Verteidiger. Es gebe keinen Hinweis auf Gewalteinwirkung. Eine Fremdeinwirkung aus medizinischer Sicht kann ausgeschlossen werden.
Der Sex sei einvernehmlich gewesen, darauf lassen Chat-Nachrichten schliessen. Die Aussagen der Freundinnen seien wegen Verfahrensfehler nicht verwertbar.
Die Verletzungen auf dem Körper der Verstorbenen waren harmlose Hämatome. Deshalb fand in der besagten Nacht auch keine Spurensicherung statt. Sein Mandant dachte zuerst nicht daran, dass er einen Strafverteidiger brauchen würde.
Der Verteidiger verweist auf diverse Verfahrensfehler hin, etwa bei den ersten Befragungen von Auskunftspersonen. Zudem sei aussergewöhnlich, dass Gutachten vorerst ohne das Wissen der Verteidigung erstellt wurden.
Nun spricht der Verteidiger des beschuldigten Chefarztes. Er fordert einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft wollte erst keine Untersuchung eröffnen. Dafür habe er Verständnis, es habe keinen Tatverdacht für ein Delikt gegeben.
Schlampige Untersuchung – die Aufklärung ist der Initiative der Eltern zu verdanken
Der Anwalt weist darauf hin, dass die Untersuchung mangelhaft geführt worden war und nur wegen der Initiative der Familie überhaupt weitergeführt wurde. Der Vater der Verstorbenen ist selber Rechtsmediziner und pochte auf Untersuchungen. Es wäre vermutlich nicht zu einem Gutachten gekommen ohne dem Druck der Familie der Verstorbenen. Ohne das Gutachten gäbe es laut Anwalt kein Verfahren und der Arzt wäre straffrei davon gekommen.
Den Eltern sei eine Genugtuung auszusprechen. Sie mussten viel Leid erleiden und obendrauf darum kämpfen, dass der Tod der Tochter angemessen untersucht wird. Das habe zusätzliches Leid verursacht. Zudem dauerte das Verfahren sehr lange. Die damals 32-Jährige ist im August 2015 verstorben. Auch den Geschwistern stehe eine Genugtuung zu.
Als Chefarzt hätte er einen Rettungsversuch machen müssen
Zur Unterlassung der Nothilfe: Der Chefarzt hätte versuchen müssen, die Frau zu retten. Bei der Version des Angehörigenvertreters wäre eine Wiederbelebung möglich gewesen; man hätte es jedenfalls versuchen müssen.
Bondage mit GHB war tödlich
Zusammengefasst kommt der Anwalt zum Schluss, dass die Frau nicht auf dem Balkongeländer starb. Wegen des Bondage kam es zu Verletzungen wie etwa Hautabschürfungen. Dass der Beschuldigte geschlafen hatte, als die Italienerin verstarb, glaubt der Rechtsvertreter nicht. Zudem habe die Frau wohl unter K.O.-Tropfen gestanden.
Das Bondage war im Zusammenhang mit den K.O.-Tropfen tödlich. Ob das GHB, man nennt es auch flüssiges Ecstasy, bewusst oder unbewusst zugenommen wurde, bleibt unklar. Klar sei: «Einer ist zu weit gegangen und es wurde fahrlässig gehandelt. Das soll bestraft werden.»
K.O.-Tropfen kommen wieder ins Spiel
Es geht weiter. Nun spricht der Anwalt des Vaters. Er verlangt eine Genugtuung von 35'000 Franken zuzüglich der Auslagen für Gutachten und Spesen. Der Rechtsvertreter nimmt das Thema GHB nochmals auf. GHB kann auch im Körper entstehen. Doch bei Toten entwickle sich GHB nicht weiter. Die Studie, welche zur Bestimmung der K.O.-Tropfen hinzugezogen wurde, hält der Anwalt für Unfug.
Es scheint, dass die Angehörigen davon ausgehen, dass die Verstorbene unter Einfluss von K.O.-Tropfen gestanden hatte. Es werden zahlreiche Rechenbeispiele aufgeführt, um den möglichen GHB-Gehalt zu errechnen, unter Berücksichtigung der Zeit bis zur Kühlung im Institut für Rechtsmedizin. Der Anwalt bezweifelt die Ausführungen des rechtsmedizinischen Fachexperten von heute Morgen stark.
Nun gibt es eine Pause, um die Räume zu lüften.
Konnte tagelang nicht sitzen
Der Ehemann der Verstorbenen sagte laut Akten aus, dass die Verstorbene ihm gesagt habe, dass Bondage zu ihren Phantasien gehöre. Eine Freundin erzählte zudem, dass sie sich für sexuelle Praktiken zu interessieren begann, die der Beschuldigte von ihr verlangt habe. Dieser sei aggressiver als der Ehemann gewesen. Einer weiteren Freundin erzählte die Verstorbene, dass sie nicht verliebt gewesen sei. Zudem erzählte sie von hartem Sex. Nach dem ersten Mal habe sie tagelang nicht recht sitzen können. Sie sprach von Sex ohne Schranken. Der Beschuldigte sei beim Sex aggressiv gewesen.
Unerklärbare Hämatome
Zusammengefasst: Bei den Aussagen des Beschuldigten hält es sich nur um eine Geschichte, so der Anwalt. Gestützt auf die Untersuchungen ist die Auffindesituation über dem Balkongeländer nicht plausibel.
Es kommen auch andere Versionen wie etwa eine Knebelung und anschliessende Atemnot als Todesursache in Frage, so der Anwalt. Oder weitere Bondage-Anwendungen. Es gibt Unklarheiten bei Hämatomen, Narben und Kerben. Diverse Verletzungen können nicht erklärt werden. Von hartem Sex wolle der Beschuldigte heute nichts mehr wissen. Er spreche nur noch von Oral-, Vaginal-, und Analverkehr. Das Nylonband, das zur Fixierung zum Einsatz kam, verschwieg der Beschuldigte vorerst und präsentierte es erst vier Monate nach dem Tod der Frau.
Er will einiges verbergen
«Der Beschuldigte will einiges verbergen», ist der Anwalt der Angehörigen überzeugt. Die Position, in welcher die Frau auf der Balkonbrüstung vom Beschuldigten gefunden wurde, sei beispielsweise widersprüchlich. Auch zur Totenstarre gäbe es Unstimmigkeiten. Scheinbar zeigt der Anwalt nun Bilder von anderen Leichen, um seine Thesen zu stützten. Die Medienschaffenden im Nebenraum können die Präsentation leider nicht mitverfolgen und die Ausführungen so nur schwer nachvollziehen.