Ist das die Zukunft der Videospiele?

Aktualisiert

Games-on-DemandIst das die Zukunft der Videospiele?

Computer-Spiele können wie Filme auf den Fernseher, PC oder das Tablet gestreamt werden. Teure Hardware kaufen ist somit passé - doch es gibt einen Haken.

von
Jan Graber
Schummerspiel: Im direkten Vergleich kann die Grafik von gestreamten Games nicht mithalten. Links der Screenshot von «Mass Effect 3» ab Disk, rechts das von Gaikai.com gestreamte Spieldemo.

Schummerspiel: Im direkten Vergleich kann die Grafik von gestreamten Games nicht mithalten. Links der Screenshot von «Mass Effect 3» ab Disk, rechts das von Gaikai.com gestreamte Spieldemo.

Von liebgewonnenen Dingen verabschiedet man sich ungern. Vinyl-Junkies wollen nicht auf ihre Langspielplatten verzichten, ältere Menschen bezahlen ihre Rechnungen am liebsten am Postschalter und die Gamer halten an ihren Spielen auf physischen Datenträgern fest.

Die Wolke kommt

Über all dem schwebt derzeit aber eine dunkle Wolke – aus der Sicht der Traditionalisten. «Cloud» heisst sie und ist das neuste Zauberwort digitaler Trendsetter. Die «Cloud» verspricht, dass wir in Zukunft keine Daten mehr auf unseren persönlichen Computern lagern. Egal ob Musik, Filme oder Dokumente: Alles Binäre liegt zukünftig auf Online-Servern und kann von überall und jederzeit abgerufen werden.

Dazu gehören auch Games: Beim Cloud-Gaming laufen Spiele vollständig auf einem externen Rechner. Dieser liefert sowohl Grafik wie auch Sounds vollständig übers Internet aufs Gerät der Spieler – selbst wenn dieses nicht fürs Spielen ausgelegt ist. Ohne fette Internetleitung und sehr kurze Ansprechzeiten geht dabei allerdings gar nichts.

Steht ein Server geografisch zu weit weg vom Spieler, kommt es zu Latenzen: Das sind wahrnehmbare zeitliche Verzögerungen zwischen Tastatureingabe und Reaktion des Games – für Spieler ein Gräuel. Deshalb haben die zwei derzeit wichtigsten Gamecloud-Anbieter – Onlive und Gaikai – ein dichtes Netz von Servern aufgezogen, so dass ein Server immer möglichst nah beim Spieler steht.

Schlechtere Qualität aus der Wolke

Beim Cloud-Gaming kann es zu Qualitätseinbussen kommen, wie ein Test von 20 Minuten Online mit dem Spieldemo von «Mass Effect 3» auf Gaikai.com zeigt. Die Grafik eines Games muss so stark komprimiert und beim Spieler dekomprimiert werden, dass sie leidet. Das gestreamte Game wirkt schummrig, die Optik wird durch Artefakte gestört. Stellenweise kommt es zu Rucklern. In Anbetracht der zu übertragenden Datenmengen überrascht der flüssige Ablauf trotzdem.

Vor allem Multiplayer-Shooter, wo selbst die kürzeste Verzögerung fatale Folgen hat, eignen sich noch nicht fürs Cloud-Gaming. Dagegen ist die Cloud-Technologie für Games wie «World of Warcraft» wie geschaffen: Diese Spiele sind bereits auf den Online-Gebrauch ausgelegt, wo Verzögerungen in Kauf genommen werden.

Wie mit fast allen Zauberwörtern besteht jedoch auch beim Cloud-Gaming Vernebelungsgefahr. Wer profitiert vor allem von dieser neuen Technologie? Onlive und Gaikai, behaupten natürlich, die Gamer. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass es zunächst vor allem die Game-Publisher sind. Dank Cloud-Gaming fallen die Kosten für die Herstellung der CDs und Verpackungen sowie deren Lagerung weg. Zudem muss kein Händlernetz gepflegt werden und die Zwischenhändler sind ebenfalls aus der Wertschöpfungskette raus. Die Publisher sind damit auch das lästige Problem der Secondhand-Verkäufe los.

Wer gewinnt?

Profitieren die Spieler von den tieferen Kosten? Zumindest das aktuelle Angebot lässt es erwarten: Das über Onlive gekaufte «Mass Effect 3» zupft rund 45 Franken aus der Brieftasche – im Gegensatz zu den zirka 59 Franken für die physische PC-Version des Spiels. Allerdings hat der Spieler via Onlive das Game auch nicht in seinem Besitz. Sind die Server überlastet oder fallen sie aus, kann er trotz ausgegebenem Geld nicht spielen.

Dafür verspricht Cloud-Gaming, dass ein Spiel jederzeit auf jedem Gerät läuft – auch auf Uralt-PCs. Onlive bietet bereits jetzt eine Android-App an, mit der sich Konsolengames wie «Batman: Arkham City» auf Handys spielen lassen. Noch bietet das Mobilfunknetz dafür aber nicht die erforderliche Bandbreite. Der Konkurrent Gaikai, der derzeit ausschliesslich Spiel-Demos anbietet, hat seine App hingegen in Facebook eingebunden, so dass direkt im sozialen Netzwerk «The Witcher 2» gespielt werden kann.

Kurzum: Spieler sollten sich darauf einstellen, dass ihre Games mittelfristig nur noch aus der Wolke kommen. Denn in Luft auflösen wird sich die vielbeschworene Cloud mit Sicherheit nicht.

Was ist Cloud-Gaming?

Quelle: YouTube/OnLive

OnLive-Werbung in den USA

Quelle: YouTube/OnLive

Die Anbieter

Derzeit dominieren zwei Anbieter am Cloud-Gaming Himmel: Onlive und Gaikai. Während Onlive seit 2010 vollwertige Streaming-Games anbietet, fungiert Gaikai derzeit nur als Demo-Station: Gaikai offiert 90-minütige Einblicke in Top-Titel wie «Mass Effect 3» oder «The Witcher 2: Assassin of Kings», danach muss das Spiel gekauft und auf den PC heruntergeladen werden. Neu hat Gaikai die Beta-Version einer Facebook aufgeschaltet, mit welcher Facebook-Benutzer das Spieldemo direkt im Socialnetzwerk ausprobieren können.

Bei Onlive können Spieler 30 Minuten ein Spiel antesten, bevor Geld in die Hand genommen werden muss. Spieler laden sich das Game dabei nicht auf den eigenen Rechner, es wird weiterhin gestreamt. Käufer können sich zwischen einer gekauften Vollversion oder einer drei- oder fünftägigen Mietdauer entscheiden. Alternativ bietet Onlive ein Abo für 10 US-Dollar pro Monat an, mit welchem Gamer Zugriff auf über 200 Games haben, darunter aber vor allem kleinere Titel. Onlive bietet zudem eine Android-App an, mit der vollwertige Konsolentitel auch auf dem Handy spielbar sind. Für iOS-Geräte gibt es derzeit nur einen Onlive Viewer, gespielt werden können die Games auf iPad und iPhone derzeit noch nicht.

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