«Time-out»Ist der SCB zu weich und zu wirr für Streit?
Nach einem der schlimmsten SCB-Heimspiele des 21. Jahrhunderts gibt es immerhin einen Lichtblick: Das SCB-Debüt von Mark Streit ist geglückt.
Mark Streit nach seinem Debüt im SCB-Dress. (Video: 20 Minuten Online)
Dieses 1:3 gegen die Lakers ist bloss eines von 50 Qualifikationsspielen.
Eigentlich kein Grund zur Sorge. Aber nicht das Resultat ist das Problem, sondern die Spielweise. Der SCB war in einem Heimspiel gegen die Lakers (!) die weichere Mannschaft. So etwas ist Verrat an der Philosophie, der Seele der «Big Bad Bears». Fast so, wie wenn die SVP an ihrer Albisgüetli-Tagung nicht mehr die Nationalhymne singen würde, sondern die «Internationale», das Kampflied der linken Kampfbewegung.
Die Berner sind so sehr vom rechten Weg des urigen, direkten, geradlinigen Powerhockeys abgekommen, dass sie gegen die Lakers nie auf die Strafbank mussten – es gab lediglich jenen angezeigten Ausschluss gegen Mark Streit, den die Lakers zum 1:2 nutzten.
Noch gelten allerlei Ausreden: Die Hockey-Wahrheiten des Septembers sind die Torheiten des Aprils. Es ist ja nur eines von 50 Spielen. Der SCB dominierte die Partie optisch mit – offiziell gezählten – 41:12 Torschüssen. Und sonst gibt es noch allerlei hätte, könnte, würde, sollte und müsste. Aber beim SCB gelten strengere Massstäbe als anderswo. Die Kundschaft darf nicht verärgert werden, wenn das grosse Hockey-Geschäft brummen soll.
Streit wird sich kontinuierlich steigern
Wenigstens war es für Mark Streit ein geglücktes SCB-Debut. Statistisch zwar leicht missglückt: Ein Assist zum 1:1 in Powerplay, ein Eigentor zum wegweisenden 1:2, als gegen ihn eine Strafe angezeigt war, und eine 0:1-Bilanz. Aber Mark Streit war gut. Der grosse Rückkehrer hat ganz einfach noch kein Glück gehabt. Er hat phasenweise sogar sehr gut gespielt. Er wird sich kontinuierlich steigern und nach fünf oder sechs Partien pro Spiel zwei Punkte produzieren.
Aber Mark Streit ist bei seinem Debüt erst einmal am miserablen SCB-Spiel verzweifelt. So viel defensive Unordnung und so viel offensives Wirrwarr wie gegen die Lakers kann auch er nicht gleich ordnen. Und es war ihm noch nicht möglich, mit seinen schnellen, harten und präzisen Pässen das Spiel zu beschleunigen. Weil im Durcheinander des SCB-Spiels keine freien Mitspieler zu finden waren. Wenigstens wurde Mark Streit von den Gegenspielern in Ruhe gelassen. Nur ein einziges Mal ist der 34-Jährige von Nicolas Thibaudeau behutsam gecheckt worden. Streit wird sich heimlich ob dieser weichen Gangart gewundert haben wie ein Rockfan, der zum Stones-Konzert will und sich auf einmal an einem Blockflötenabend wiederfindet.
Parallelen zwischen dem SCB und den Islanders
Doch dem ehemaligen SCB-Junior ist diese Situation sehr wohl vertraut. Es folgt eine kurze Polemik: Mark Streit ist Captain der New York Islanders und die Islanders sind ein notorisches Verliererteam, das an vielen Abenden sehr ähnlich spielt wie der SCB beim 1:3 gegen die Lakers. Deshalb bleibt das Stadion (16 234 Zuschauer) zu oft halb leer (Schnitt 13 191).
Und es gibt noch eine Parallele, die Streit jedoch nicht einmal unter Folter thematisieren würde. Auch die Islanders sind ein Team mit einem Trainerproblem, über das keiner spricht und das doch jeder sieht. Jack Capuano ist wie Antti Törmänen bloss durch die Entlassung des Cheftrainers ins Amt gerutscht. Er hatte zuvor keinerlei NHL-Erfahrung. So wie Törmänen vor dem SCB als Trainer keine Erfahrungen in einer höchsten Liga sammeln konnte. Ende der Polemik.
Aber es ist die Pflicht des neutralen Chronisten, SCB-Trainer Antti Törmänen zum Thema zu machen. Schliesslich fliegen die Trainer beim SCB schon, wenn sie nicht gut unterhalten.
Das retttende Time-out
Wie gesagt: Es gibt noch gute Ausreden. Es war letztlich ein Abend, an dem alles schiefgelaufen ist. Und den Gegner sollten wir auch nicht kleinreden. Die Lakers haben grandios gespielt. Taktisch schlau, gut organisiert und leidenschaftlich. Aber schon kommen wir damit wieder zum Thema Trainer: Die Lakers wurden brillant gecoacht. Harry Rogenmoser nimmt beim Stande von 1:1 völlig überraschend ein Time-out. Er sagt praktisch nichts zu seinen Spielern. Anschliessend fallen die Tore zum 1:2 und 1:3. Ein Bandengeneral, der die Emotionen seine Spieler zu deuten versteht. «Wir waren unter Druck und es ging einfach darum, die Mannschaft kurz zu beruhigen.»
Die Eisqualität als Ausrede
Am meisten beunruhigt allerdings der Auftritt des freundlichen finnischen Verlierers Antti Törmänen nach dem Spiel. Der SCB-Trainer wirkt völlig ratlos. Nein, er sei nicht laut geworden und er werde auch am nächsten Tag nicht toben. «Wir müssen einfach das Toreschiessen trainieren.» Und nach einigen Floskeln findet er die schlimmstmögliche Ausrede: die Eisqualität. «Das Eis war schlecht und hat uns als meist puckführende Mannschaft benachteiligt.»
Frage an Lakers-Trainer Harry Rogenmoser: Was sagen Sie zur Eisqualität? Er ist völlig verblüfft. Er kann diese Frage nicht verstehen. «Wieso? Was sollte mit dem Eis sein? Ich kann doch dazu nicht sagen. Ich war ja nicht auf dem Eis.» Ein Trainer, der nach einer Niederlage übers Eis klagt, steht auf dünnem Eis. Aber er steht noch. Gut, dass nun als weitere Trainer-Stützungsmassnahme auch noch NHL-Verteidiger Roman Josi (22) kommt. Er wird am Samstag gegen Lugano erstmals im SCB-Dress verteidigen.