Generation Z: Ist Teilzeitarbeit «unsozial» oder «wichtig für die Gesundheit»?

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Generation ZIst Teilzeitarbeit «unsozial» oder «wichtig für die Gesundheit»?

Der Teilzeit-Trend ist den Bürgerlichen ein Dorn im Auge. Man könne nicht teure Ausbildungen absolvieren und dann freiwillig weniger arbeiten und Vergünstigungen in Anspruch nehmen. Eine SP-Nationalrätin bezeichnet dies als Schwachsinn.

Arbeitgeber stellen fest, dass für die Jungen die Freizeit oft wichtiger ist als der Job. 
Diese Lebensweise ist für Stefan Degen, FDP-Landrat aus Basel-Landschaft, «unter Umständen unsozial gegenüber der Gesellschaft.» Es sei selbstsüchtig, wenn man Leistungen vom Staat einnehme, weil man gewollt einen tiefen Lohn beziehe.
Aufseiten der SVP hat man für diese Arbeitsweise der Generation Z ebenfalls wenig Verständnis. SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr sagt: «Teure Ausbildungen auf Kosten des Staates machen, danach aber nichts an die Gesellschaft zurückgeben, ist falsch.»
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Arbeitgeber stellen fest, dass für die Jungen die Freizeit oft wichtiger ist als der Job. 

20min/Taddeo Cerletti

Darum gehts

Nicht lange ist es her, da war der gesellschaftliche Tenor: Wer viel verdient, hat auch viel vom Leben. Junge Menschen in der Schweiz sind jedoch vermehrt anderer Ansicht. Die Generation Z bevorzugt es immer mehr, Teilzeit zu arbeiten. Zeit für Freunde oder Hobbys bedeutet vielen mehr als ein hoher Lohn.

Diese Lebensweise hält Stefan Degen, FDP-Landrat aus Basel-Landschaft, «unter Umständen unsozial gegenüber der Gesellschaft.» Es sei eigensüchtig, wenn man Leistungen vom Staat einnehme, weil man gewollt einen tiefen Lohn beziehe.

Personen, die dem Staat auf der Tasche liegen

Bereits im November 2021 reichte Degen ein Postulat im Kanton Basel-Landschaft ein. Damals forderte er die Regierung auf, zu prüfen, ob das Arbeitspensum mitberücksichtigt werden müsse bei der Vergabe von Prämienverbilligung. Da die Generation Z die Teilzeitarbeit immer öfter bevorzugt, überlegt sich Degen nun, einen weiteren Vorstoss einzureichen. «Es gibt Personen, die liegen dem Staat auf der Tasche, obwohl sie es nicht nötig haben.»

Er ist der Ansicht, dass in Zukunft bei Teilzeitarbeitenden, die sich bewusst dafür entscheiden, der Steuersatz nicht nach dem effektiven Einkommen, sondern nach dem Potenzial zu bestimmen ist. Selbstverständlich seien davon Personen, die ihre Eltern pflegen oder Kinder betreuen, ausgenommen. «Das würde Teilzeitarbeitenden vielleicht einen Anreiz schaffen, wieder mehr für die Gesellschaft, als fürs eigene Portemonnaie zu arbeiten», so Degen.

Teil der Ausbildungskosten zurückzahlen

Aufseiten der SVP hat man für die Arbeitsmoral der Generation Z ebenfalls wenig Verständnis. SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr sagt: «Teure Ausbildungen auf Kosten des Staates machen, danach aber nichts an die Gesellschaft zurückgeben, ist falsch.» Eine in diesem Bereich faire und bundesweite Lösung zu finden sei schwierig, aber prüfenswert.

Einen möglichen Lösungsansatz hat Finanzprofessor Christoph Schaltegger vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP der Universität Luzern. «Ein einfaches und unbürokratisches Modell würde darin bestehen, höhere Studiengebühren für Akademiker einzuführen oder aber Studienabgänger zu verpflichten, mindestens einen Teil der Ausbildungskosten zurückzuerstatten, sofern sie ihre Bildungskosten nicht amortisieren.»

Burnouts kosten knapp sieben Milliarden

Für die Kritik wenig Verständnis hat SP-Nationalrätin Tamara Funiciello. «Es ist völliger Schwachsinn, Teilzeitarbeitende zu kritisieren und ihnen unsoziales Handeln vorzuwerfen.» Für Funiciello ist klar: die Haltung der Generation Z bringt nur Positives hervor. «Wir haben jährliche Gesundheitskosten von knapp sieben Milliarden Franken aufgrund Burnouts.» Wenn sich Junge mehr Gedanken über ihre Gesundheit machen, komme das der gesamten Gesellschaft zugute, ist Funiciello überzeugt.

Die Politikerin findet, man müsse der mentalen Gesundheit mehr Beachtung schenken und hat deshalb Ende 2021 einen Vorstoss eingereicht. Darin fordert sie den Bundesrat dazu auf, die Wochenarbeitszeit innert zehn Jahren auf 35 Stunden zu senken – bei vollem Lohnausgleich für tiefe und mittlere Löhne.

Dass wir nun eine Generation haben, die sich von selbst mehr Gedanken über ihre Gesundheit macht, ist begrüssenswert, sagt Funiciello. «Viel eher wäre es ungerecht, zu sagen, dass Teilzeitarbeitende beispielsweise keine Familienzulagen bekommen», sagt Funiciello.

Teilzeitarbeitende ausreichend absichern

Unterstützung erhält Funiciello von Balthasar Glättli. Nach Ansicht des Grünen-Nationalrats ist Teilzeitarbeit ein wichtiger Faktor, um bezahlte Erwerbsarbeit und unbezahlte Betreuungsarbeit gerechter zwischen den Geschlechtern zu verteilen. «Das Ernährermodell mit 120 Prozent Berufstätigkeit, und sein Pendant, das Hausfrauenmodell, haben ausgedient. Und das ist gut so.»

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