Apotheker warnen: «Jeden Sonntag holen sich 35 Frauen die ‹Pille danach›»

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Apotheker warnen«Jeden Sonntag holen sich 35 Frauen die ‹Pille danach›»

Wenn Arztpraxen geschlossen sind, verzeichnen Notfallapotheken eine höhere Nachfrage bei der «Pille danach». Apotheker warnen davor, das Medikament zu bagatellisieren.

Die Nachfrage der «Pille danach» ist in den letzten Jahren stabil geblieben, zeigt eine Umfrage bei einigen Apotheken.
Um die «Pille danach» zu erhalten, muss in der Apotheke ein obligatorisches Beratungsgespräch durchgeführt und ein Abgabeformular ausgefüllt werden.
Das Gespräch mit den Betroffenen sei gerade deshalb wichtig, weil diese oft jung, unerfahren und wenig informiert sind, wie Apotheker Martin Bernoulli sagt.
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Die Nachfrage der «Pille danach» ist in den letzten Jahren stabil geblieben, zeigt eine Umfrage bei einigen Apotheken.

20min/Michael Scherrer

Darum gehts

  • Die «Pille danach» figuriert in jener Medikamente-Kategorie, in der eine kontrollierte Abgabe durch Arzt oder Apothekerin notwendig ist. Auch dürfe sie somit nicht mehr beworben werden.

  • Dagegen wehrt sich ein Pharma-Unternehmen.

  • Apotheken sagen, dass die Nachfrage stabil sei. Insbesondere an Abenden und Wochenenden kämen viele Frauen wegen der «Pille danach».

Rund 100’000 «Pillen danach» werden jährlich in Schweizer Apotheken eingenommen. Erst gibt es ein Beratungsgespräch, ein Fragebogen wird ausgefüllt und dann wird die Pille verabreicht. Sie muss noch in der Apotheke eingenommen werden.

Die letzte Heilmittelgesetz-Revision wäre eine Möglichkeit gewesen, die Abgabe zu liberalisieren. Doch Swissmedic wollte das nicht. Im Gegenteil: Neu darf die «Pille danach» nicht mehr beworben werden. Dagegen wehrt sich eine Herstellerfirma vor Bundesgericht. Für die Nutzerinnen ändert sich jedoch nichts. 

Leichte Zunahme festgestellt

Eine Umfrage in einigen Apotheken, die durchgehend geöffnet sind, zeigt, dass die Nachfrage stabil ist – allenfalls leicht zugenommen hat. Insbesondere an Abenden und am Wochenende sei die «Pille danach» gefragt, wie Apothekerin Corinne Schmid von der Bellevue-Apotheke in Zürich sagt. «Dann, wenn man kurzfristig keinen Arzttermin mehr bekommt.»

So funktioniert die «Pille danach»

Die «Pille danach» hemmt beziehungsweise verschiebt den Eisprung. So soll eine Befruchtung verhindert werden. Wird die «Pille danach» zu spät eingenommen und der Eisprung hat bereits stattgefunden, wirkt das Medikament nicht mehr. Auch eine bestehende Schwangerschaft kann von der «Pille danach» nicht gestoppt werden.

Isabel Gherbal, Sprecherin der Medbase-Apotheken, sagt, die Nachfrage sei in den Städten grösser als auf dem Land. Die Medbase-Apotheke im Zürcher Hauptbahnhof verkauft monatlich zwischen 20 und 40 «Pillen danach», während es in einer Apotheke im ländlichen Gebiet zwischen zwei und zehn seien. An mehreren Standorten sei eine leichte Zunahme verzeichnet worden.

Von einer leichten Zunahme spricht auch Yves Platel, Co-Geschäftsführer der Amavita-Apotheke im HB Zürich. Doch angesichts der wachsenden Bevölkerung sei die Nachfrage erstaunlich stabil, sagt er. Etwa 35 Frauen nähmen jeden Sonntag in der Amavita-Apotheke im HB die «Pille danach» ein. «Angesichts der täglichen 500’000 Passanten am HB sind das wenig», sagt Platel.

In Frankreich sind Verhütungsmittel für 18- bis 25-Jährige kostenlos. In der Schweiz wurden bisher alle Vorstösse dazu abgelehnt.

20min

«Man darf die ‹Pille danach› nicht bagatellisieren»

Apotheker Martin Bernoulli von der Bahnhof-Apotheke in Oerlikon sagt, es sei wichtig, dass die «Pille danach» ein Notfallmittel nach einem Missgeschick bleibe und keinesfalls regelmässig eingenommen werde, wegen der hohen Hormondosis. Mit anderen Medikamenten des regelmässigen Gebrauchs sei sie nicht vergleichbar.

Das Gespräch sei gerade deshalb wichtig, weil Betroffene oft jung, unerfahren und wenig informiert sind, wie Bernoulli sagt. «Ich hatte auch schon Frauen da, welche die «Pille danach» mitnehmen wollten, für später oder für jemand anders. Das geht natürlich nicht.» Das Beratungsgespräch habe auch schon ergeben, dass die nachträgliche Verhütung gar nicht mehr nötig sei, weil die Frau soeben ihre Periode bekommen hatte. Die «Pille danach» wäre dann ein unnötiger Eingriff gewesen angesichts der drohenden Nebenwirkungen (siehe Box). «Man sollte die ‹Pille danach› nicht bagatellisieren», sagt Bernoulli.

Das sind die häufigsten Nebenwirkungen der «Pille danach»

Dieser Artikel ist Teil einer Serie. Lies hier die anderen Artikel dazu:

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