Jeder glaubt zu wissen, wer der Mörder ist

Aktualisiert

KristallhöhlenmordJeder glaubt zu wissen, wer der Mörder ist

Rund um den Kristallhöhlenmord gibt es wilde Spekulationen und ständig neue Anschuldigungen, wer der Mörder sein könnte. Wäre es anders, würde Mord nicht verjähren?

J. Büchel
von
J. Büchel
Am 31. Juli 1982 verschwanden Brigitte Meier und Karin Gattiker. Hier zu sehen das letzte Foto der Goldacher Mädchen, geschossen am 29. Juli 1982 mit der Fotokamera von Brigitte Meier in der Umgebung von Herisau.
Karin Gattiker (links) und Brigitte Meier. Die beiden Mädchen ...
... unternahmen eine Velotour durch die Ostschweiz (hier eine nachgestellte Szene aus der Sendung «Aktenzeichen XY»). Ihre Spur verlor sich ...
1 / 16

Am 31. Juli 1982 verschwanden Brigitte Meier und Karin Gattiker. Hier zu sehen das letzte Foto der Goldacher Mädchen, geschossen am 29. Juli 1982 mit der Fotokamera von Brigitte Meier in der Umgebung von Herisau.

privat

Nach Berichterstattungen in Medien laufen bei Thomas Benz, Kopf der Interessegemeinschaft Kristallhöhlenmord, die Drähte heiss. Per Telefon und E-Mail melden sich diverse Personen, weil sie zu wissen glauben, wer der Mörder von Brigitte Meier (†17) und Karin Gattiker (†15) ist (siehe Box). «Leider melden sich viele, die haltlose Anschuldigungen machen», so Benz.

Zum Beispiel eine Frau, deren Familie einen Bauernhof nicht erhalten hat, den ihr Mann und sie gerne von dessen Familie übernommen hätten. Die Frau stellte kurzerhand einen Bezug ihres Schwiegervaters zum Kristallhöhlenmord her. Mehr noch: Er solle auch verantwortlich für das Verschwinden von zwei Kindern sein, nämlich von Peter Roth, vermisst seit 1984, und Edith Trittenbass, seit 1986 vermisst. Der Brunnenberg bei Rüthi soll voller Leichen sein. Woher sie das weiss? Ein Wahrsager mit einem Pendel habe ihr das mitgeteilt.

1982 wurden bei der Kristallhöhle bei Oberriet zwei Mädchen ermordet. Aktzenzeichen XY hat ein Jahr später darüber berichtet. Der Fall ist bis heute ungeklärt.

Aktenzeichen XY hat ein Jahr nach dem Mord in der Sendung berichtet und nach Zeugen gesucht. Der Fall ist bis heute ungeklärt.

Jeder Verbrecher verdächtig

Gerne werden auch Personen beschuldigt, die sich in Untersuchungshaft befanden. Ein Rheintaler, der vor wenigen Jahren über zwei Monate in U-Haft sass, wurde vom Schwager eines einst Tatverdächtigen beschuldigt, er sei der Mörder.

Auch der Mörder von Ylenia wurde der Tat bezichtigt, da er zur fraglichen Zeit als Aussendienstler in der Region tätig gewesen sein soll. Sogar Baby-Quäler René Osterwalder wurde beschuldigt. Er sei bei der Kristallhöhle gesehen worden. «Alles Humbug», sagt Benz. «Die Leute hören von Verbrechern oder mutmasslichen Tätern von anderen Delikten und ziehen völlig falsche Schlüsse.» Vielfach werden laut Benz auch Leute der Tat bezichtigt, die sich in den 80er-Jahren nicht ganz der Norm entsprechend verhalten hatten oder «komische Käuze» sind.

Verzweiflung wegen Verjährung

Auch diverse Beamte, gerne auch in leitenden Positionen, wurden der Tat, der Mitwisserschaft oder der Verschleierung bezichtigt. «Und das in der Regel ohne den Hauch eines Beweises», sagt Benz. Er ist der Meinung, dass es oft darum geht, Leute zu diskreditieren.

Für Benz ist klar: Die Leute möchten Klarheit im Fall des Doppelmordes und können zudem nicht verstehen, dass Mord verjährt und ein Täter, sofern er nicht verstorben ist, immer noch unter uns weilt. «Es nagt an den Leuten, dass der Fall nicht gelöst ist.»

Gesetzgeber vergisst, Bevölkerung nicht

Auch bei Nationalrat Mike Egger (SVP) melden sich immer wieder Personen mit ihren Hypothesen. Der 26-Jährige setzt sich politisch dafür ein, dass Mord strafrechtlich nicht mehr nach 30 Jahren verjährt. Seine 2018 im Kantonsrat St. Gallen eingereichte Standesinitiative wurde von der St. Galler Regierung zwar abgelehnt, vom Kantonsrat jedoch gutgeheissen und liegt nun zur Prüfung bei der ständerätlichen Kommission für Rechtsfragen.

Er werde sich als Nationalrat weiterhin für das Thema einsetzen. «Angehörige und die Öffentlichkeit haben ein Anrecht auf Klärung.» Egger war vor vor einer Woche am Vortrag des Profilers Axel Petermann in Oberriet SG. Trotz Temperaturen von deutlich über 30 Grad war der Saal restlos ausverkauft gewesen und die Leute lauschten drei Stunden lang den Ausführungen des Fallanalytikers zum Kristallhöhlenmord vor 37 Jahren. «Das hat eindrücklich gezeigt, dass die Bevölkerung solche Taten nicht vergisst – warum sollte dies also der Gesetzgeber tun?», so Egger.

Kristallhöhlenmord von 1982

Karin Gattiker (15) und Brigitte Meier (17) verschwanden am 31. Juli 1982 auf einer Velotour durch die Ostschweiz. Ihre Spur verlor sich an einer Wegkreuzung in Oberriet, wo ihre Velos zurückblieben. Ihre Leichen wurden neun Wochen später bei der Kristallhöhle entdeckt. Der oder die Täter wurden nie gefasst.

Es ist ein Fall, der europaweit für Aufsehen sorgte und noch heute weit über die Region die Menschen bewegt. Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist der Fall abgeschlossen und verjährt. Im Zuge dessen hat die Justiz alle Asservate vernichtet.

IG Kristallhöhlenmord

Die Morde an Karin Gattiker (15) und Brigitte Meier (17) im Sommer 1982 wurden nie geklärt. Trotzdem lassen Private nicht locker und gründeten die IG Kristallhöhlenmord. Ziel ist es, den Doppelmord doch noch aufzuklären.

Wer sich für die IG interessiert, kann sich unter folgender E-Mail-Adresse melden: kristallhoehlenmord@gmx.ch

Deine Meinung zählt