Corona-Impfstoffe«Jetzt beim Impfstoff zu sparen, kann uns teuer zu stehen kommen»
Statt 14 will der Ständerat für 2023 nur sieben Millionen Corona-Impfdosen kaufen. Experten und Politik sind gespalten. Die einen fürchten jetzt zu hohe Kosten, die anderen im Falle einer weiteren schweren Welle.
Darum gehts
Je sieben Millionen Dosen von Moderna und Pfizer auf sicher, dazu noch einmal je sieben Millionen falls benötigt: So viel Impfstoff wollte das BAG für 2023 eigentlich kaufen respektive reservieren. Dagegen wehrte sich der Ständerat erfolgreich: Mit 30 zu elf Stimmen hat er klar entschieden, der Bund solle höchstens sieben Millionen Dosen bestellen.
Finanzminister Ueli Maurer warnte: Der Bundesrat sei der Meinung, dass er mit der Bestellung von nur sieben Millionen Dosen ein «relativ hohes Risiko» eingehe, je nachdem, wie sich die Situation entwickle.
«Unverständlich, dass man das BAG nicht seine Arbeit machen lässt»
Ähnlich sieht es der Tessiner Infektiologe Andreas Cerny: «Für mich ist es unverständlich, dass dies ein politischer Entscheid wird und man das BAG nicht seine Arbeit machen lässt.» Parlamentarier kennen laut Cerny die Details der Verträge nicht. «Es ist ein Misstrauensvotum, wenn man dem BAG jetzt bei der Beschaffungsstrategie der Impfstoffe reinredet. Bisher hat diese gut geklappt: Das BAG hat früh die richtigen Impfstoffe eingekauft.»
Auch aus epidemiologischer Sicht sei es riskant, nun die Bestellung zusammenzukürzen: «Wenn wir jetzt beim Impfstoff sparen, kann uns das teuer zu stehen kommen. Es ist nach wie vor jederzeit möglich, dass sich irgendwo auf der Welt eine ansteckende und gefährlichere Variante entwickelt.» Dann bräuchte womöglich die ganze Welt wieder sehr schnell sehr viele Impfstoffe. «Hat die Schweiz nicht die richtigen Verträge, stehen wir hinten an und müssen womöglich wieder harte Massnahmen ergreifen. Das wird teurer und kostet mehr Menschenleben, als wenn wir jetzt die Verträge über ausreichend Impfdosen abschliessen.»
«Sieben Millionen Dosen reichen»
Jürg Utzinger, Direktor des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts, widerspricht: «Wir dürfen jetzt die Bodenhaftung nicht verlieren. Sieben Millionen Impfdosen reichen für 2023.» Gegen die Grippe lassen sich laut Utzinger jedes Jahr etwa ein Drittel der Risikopersonen impfen. «Irgendwo da wird sich auch die Corona-Impfung früher oder später einpendeln.»
Sollte sich die Lage aufgrund von Corona nochmals stark verschlechtern , sind die Hersteller laut Utzinger heute in der Lage, schnell mehr Impfstoff zu produzieren.» Dazu kommen laut Utzinger eine hohe Grundimmunisierung in der Bevölkerung, die Herausforderung, die Impfbereitschaft hoch zu halten und die Entwicklung von Medikamenten.
Wirst du dich noch einmal gegen Covid-19 impfen lassen?
«Brauchen genug Impfstoffe»
In der Politik gehen die Meinungen auseinander. «Wir wissen nicht, was auf uns zukommt und dürfen bei den Impfstoffen keine Abstriche machen», sagt SP-Gesundheitspolitikerin Yvonne Feri. Sie befürchtet, dass die Schweiz zu wenige Impfstoffe wird kaufen können, dafür mehr Geld bezahlen muss oder in der Priorität nach hinten rutscht.
Auch Feris Parteikollegin Sarah Wyss sagt: «Wir brauchen 2023 genug Impfstoff, damit wir die ganze Bevölkerung impfen können.» Wyss befürchtet, dass die Schweiz am Ende mit wenigen sehr teuren Dosen dasteht: «In den jetzigen Verträgen wissen wir, was die Impfstoffe kosten. Müssen wir später neu verhandeln, kann das günstiger oder teurer kommen, das wissen wir schlicht noch nicht.»
«Müssen Situation neu beurteilen»
Für Mitte-Ständerat Peter Hegglin hingegen ist klar: «Alle Staaten haben Impfstoffe gehortet, die sie jetzt gar nicht brauchen. Die Impfstoffhersteller müssen zunehmend froh sein, ausreichend Abnehmer zu finden.» Alle, die wollen, hätten sich dreimal impfen lassen können und könnten dies auch noch ein viertes Mal tun. «Trotzdem müssen wir mit den staatlichen Mitteln vorsichtig umgehen.»
SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger sagt, die Situation müsse jetzt neu beurteilt werden: «Die Verträge für dieses und nächstes Jahr wurden 2021 gemacht. Doch jetzt wissen wir, dass eine Grundimmunisierung da ist, dass viele sich gar nicht impfen lassen wollen und dass die Varianten nicht mehr so stark sind.»