Jetzt braucht es schon Vorkurse für den Chindsgi

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Unreife KinderJetzt braucht es schon Vorkurse für den Chindsgi

Weil viele Kinder im Kindergarten überfordert sind, bieten Gemeinden davor Vorbereitungskurse an. Dort lernen sie zuzuhören und nicht zu drängeln.

von
D. Pomper

Der vierjährige Kindergärtler Mario kann noch nicht allein auf die Toilette. Will Tanja trinken, drängelt sie vor, stösst ihre Kameradin vom Lavabo weg und haut ihr wenn nötig auch noch eins. Chayenne fängt an zu weinen, wenn sie mit ihrem Gspänli über das Rasen-Bort hinuterrennen soll, statt wie gewohnt auf der geteerten Strasse.

Solche Szenen ereignen sich in Schweizer Kindergärten immer häufiger. «Unser Kindergartenalltag ist ein Abbild der Gesellschaft, die sich verändert hat», sagt Ruth Fritschi vom Schweizerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband.

Auf diese Veränderung reagieren nun viele Schweizer Gemeinden in Kooperation mit gemeinnützigen Institutionen, Vereinen und Schulen mit Projekten.

In Aarau etwa gibt es nun einen Vorbereitungskurs für den Kindergarten, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet. Dort lernen die drei- bis vierjährigen Kinder neue Regeln, kneten Figuren, malen mit Stiften und übernehmen in der Gruppe kleine Aufgaben. Jedes Kind erhält einen «Bildungskoffer» mit Spiel- und Bastelmaterial, das zu Hause zum Üben verwendet werden soll. Auch Informationen für Eltern sind darin enthalten.

«Man merkt genau, wer in der Spielgruppe war und wer nicht»

Auch das Zürcher Volksschulamt und der Zürcher Lehrerverband haben erkannt, dass es Schwierigkeiten mit speziellen Kindern mit einem hohen Betreuungsgrad gibt. Deshalb gibt es in mehreren Zürcher Gemeinden sogenannte Spielgruppen Plus, die subventioniert sind. Diese richten sich an Kinder ab drei Jahren mit Migrationshintergrund.

«Dort lernen sie nicht nur die Sprache, sondern auch basteln, zeichnen, kleben oder malen und soziale Kontakte, die viele von ihnen gar nicht haben», sagt Brigitte Fleuti, Präsidentin des Zürcher Kindergartenverbands. Auch typisch schweizerische Rituale würden ihnen nähergebracht: «Wir sitzen im Kreis und zelebrieren ein gesundes Znüni.» Das Konzept sei ein grosser Erfolg: «Man merkt genau, wer in der Spielgruppe war und wer nicht.» Auch Schweizer Eltern würden deshalb aufgefordert, ihre Kinder in die Spielgruppe zu schicken.

Eltern miteinbeziehen

In St. Gallen gibt es Spiki («von Spielgruppen in den Kindergarten») - ein Angebot im Rahmen der frühen Förderung, das von der Stadt subventioniert wird. «Die Entwicklungsunterschiede bei den Kindern sind teilweise gross. Mit dem Spiki-Angebot wird die Zeit vor dem Kindergarten genutzt, die Kinder entsprechend zu fördern, zu unterstützen und ihnen eine anregende und verlässliche Lernumwelt zu bieten. So soll die Chancengerechtigkeit im Hinblick auf die Schullaufbahn verbessert werden», sagt Claudia Wiedemann Zaugg vom Amt für Gesellschaftsfragen der Stadt St. Gallen.

Auch auf Elternbildung wird Wert gelegt: «Die Eltern und erziehungsberechtigten Personen haben eine Schlüsselrolle als Bezugspersonen eines Kindes, so dass wir Wert darauf legen, sie in ihren Kompetenzen mittels Einbezug in die Spielgruppe zu unterstützen und zu stärken.»

Lesen Sie im zweiten Teil: «Achtung, darum versagt Ihr Kind im Kindergarten»

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