DüngerkriseJetzt droht Preisexplosion bei Gemüse, Früchten und Gartenpflanzen
Bauern und Gärtner bekommen kaum noch Dünger. Sie müssen entscheiden zwischen Ernteausfall oder höheren Preisen. In Entwicklungsländern drohen gar Hungersnöte.
Darum gehts
Der Markt für Kunstdünger ist in der Krise. Weil die Gaspreise explodiert sind, drosselten die Düngerhersteller die Produktion (siehe Box). Dünger ist nun Mangelware und kostet entsprechend viel. Weil sich dadurch der Lebensmittelanbau verteuert, warnt die Weltbank schon vor einem übermässigen Anstieg der Lebensmittelpreise.
Die Krise trifft auch die Schweiz. Weil es keine Düngerproduzenten im Land gibt, sind wir vom Ausland abhängig. «Wir haben Mühe, Dünger zu bekommen und bezahlen mehr als doppelt so viel wie vor ein paar Monaten», sagt Hansueli Schaufelberger vom Schweizer Düngerlieferanten Landor.
Ein Ausweichen auf Naturdünger sei nur beschränkt möglich. «Die Nachfrage nach Gülle und Mist ist sehr gross», so Schaufelberger.
Gaspreise steigen um 700 Prozent
Auch der Schweizer Spezialdüngerlieferant Hauert spürt die Knappheit und musste die Preise erhöhen. «Wegen der hohen Nachfrage und dem knappen Angebot ist es schwierig, die Ware zu bekommen», sagt eine Sprecherin.
Im Moment sei es noch genug, weil die Saison noch nicht begonnen hat. «Wir wissen aber nicht, wie es in zwei Monaten aussieht, wenn Gärtnerinnen und Gärtner und Landwirtinnen und Landwirte gleichzeitig Dünger kaufen», so die Sprecherin.
Höhere Preise für Kartoffeln, Weizen, Zuckerrüben oder Gemüse
Die Landwirtinnen und Landwirte sind froh, dass der Bund wegen der angespannten Versorgungslage nun das Pflichtlager für Dünger freigibt (siehe Box). «Das gibt kurzfristig Entspannung», sagt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands, zu 20 Minuten.
Dünger-Pflichtlager geöffnet
Wenn die Preise für Kunstdünger aber weiterhin so hoch bleiben, werden das am Ende auch die Konsumentinnen und Konsumenten spüren. «Die Produzentenpreise für Kartoffeln, Weizen, Zuckerrüben oder Gemüse müssen steigen, damit die Produzenten die Kosten decken können», sagt Rufer. Wie stark der Preisanstieg ausfällt, hänge davon ab, wie lange die Knappheit beim Dünger noch anhält.
Auch beim Verband der Schweizer Gemüseproduzenten geht man davon aus, dass die Preise fürs Gemüse nun steigen werden. «Die Gemüseproduzenten werden die erhöhten Produktionskosten wohl weitergeben müssen», sagt der stellvertretende Direktor Markus Waber auf Anfrage.
Ernteeinbussen oder Mehrkosten
Die Preisexplosion trifft auch die Obstbauern und -bäuerinnen. Sie müssten nun zwischen deutlichen Mehrkosten für den Dünger oder einer möglichen Ernteeinbusse bei reduzierter Düngung abwägen, heisst es beim Schweizer Obstverband.
Auch bei manchen Gärtnerinnen und Gärtnern wirds teurer, sagt Josef Poffet, Bereichsleiter Produktion und Handel beim Gärtnerverband Jardinsuisse. Matthias Dietrich vom Blumenmarkt Dietrich erlebt derzeit in vielen Sortimenten Preiserhöhungen vonseiten der Hersteller, wie er auf Anfrage sagt. Auch Jürg Gerber, Geschäftsführer der Lamprecht Pflanzen AG, erwartet eine allgemeine Preissteigerung.
Bei der Migros heisst es auf Anfrage, dass die Detailhändlerin versucht, Preiserhöhungen, wenn immer möglich, nicht an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Allerdings sei dies, angesichts der herausfordernden Situation, nicht immer möglich. So könne man Preiserhöhungen etwa beim Hartweizen nicht ausschliessen. Die Versorgung der Bevölkerung sei aber nicht gefährdet, die Lager seien gut gefüllt.
Im Ausland gehts um Leben und Tod
Im Ausland ist die Lage viel angespannter. China und Russland schränkten die Exporte drastisch ein. In Indien gibt es den synthetischen Nährstoff nun auf dem Schwarzmarkt. Der französische Bauernverband meldete, dass nicht alle Bauern genügend Kunstdünger für die kommende Saison haben werden.
Der Chef des norwegischen Düngerherstellers Yara warnte gegenüber Medien bereits vor einer Nahrungsmittelkrise und einer Hungersnot. «Verwundbare Menschen werden sehr hart getroffen», sagte Svein Tore Holsether. Für einige Menschen, vor allem in Entwicklungsländern, gehe es um Leben oder Tod.
Dünger sparsamer einsetzen
Agrarexperte Urs Niggli kann der Düngerkrise trotzdem etwas Gutes abgewinnen. Der Direktor vom Institut für Agrarökologie verspricht sich positive Effekte durch den teureren Kunstdüngerpreis. «In der Landwirtschaft, im Ackerbau und Gemüsebau wurde viel auf Kunstdünger gesetzt, aber jetzt werden organische Dünger wie Mist, Kompost und Gülle attraktiver», sagt Niggli.
Ausserdem gehe ein Teil der Dünger in die Umwelt verloren. «Jetzt wird der Dünger wohl sparsamer eingesetzt», so Niggli. Positiv an steigenden Lebensmittelpreisen sei zudem, dass nun weniger Essen weggeworfen werde.