Benzin-MangelJetzt kommen deutsche Tanktouristen in die Schweiz
Weil in Süddeutschland das Benzin ausgeht, registrieren Schweizer Tankstellen mehr Kundinnen und Kunden aus Deutschland. Die Schweiz kommt beim Benzin-Mangel glimpflich davon.
Darum gehts
In Süddeutschland ist mancherorts das Benzin knapp.
Jetzt kommen vermehrt Tanktouristen in die Schweiz.
Denn hier sind die Versorgungsprobleme nicht so akut.
An süddeutschen Tankstellen in Baden-Württemberg geht der Sprit aus. Weil der Wasserstand des Rheins derzeit so tief ist, können die Frachtschiffe nicht vollständig beladen werden. Experten rechnen damit, dass die Lieferprobleme mit dem Benzin auch die nächsten Tagen noch akut sind. Das vorhandene Benzin in Süddeutschland ist nun entsprechend teuer, bis zu 29 Cent mehr kostet es als in der Schweiz.
Deshalb nimmt der Tanktourismus in die Schweiz zu. Vereinzelt nehmen die Tankstellenbetreiber bereits mehr Kundinnen und Kunden wahr, die über die Grenze kommen, wie eine Sprecherin von Agrola sagt. Wenn der Engpass in Deutschland noch länger andauert, dürften noch mehr deutsche Tanktouristen kommen. Davon geht auch Andreas Vorburger von den Ruedi-Rüssel-Tankstellen aus.
In Deutschland gibts mehrere Ursachen für die Lieferprobleme
Laut Alexander von Gersdorff vom deutschen Wirtschaftsverband Fuels und Energie gab es in Süddeutschland gleich mehrere Ursachen für die Lieferprobleme. Zum tiefen Wasserstand im Rhein kommt dazu, dass Ausbaggerarbeiten nach einer Schiffshavarie bei Karlsruhe die Schifffahrt einschränkten. Ausserdem war auch die Schienengüterlogistik in Südwestdeutschland beeinträchtigt. Die Lieferprobleme in Deutschland könnten noch einige Tage andauern, so von Gersdorff, sie betreffen aber nach seinem Kenntnisstand nicht die Schweiz. «Das Versorgungsproblem ist unter anderem in den Regionen Ulm und Stuttgart aufgetreten, das liegt weit weg von der Schweiz», so von Gersdorff.
Auch Schweizer Benzin ist zu einem Viertel von der Rheinfracht abhängig. Bei Diesel sind es sogar zwei Drittel. So sagt Vorburger von den Ruedi-Rüssel-Tankstellen: «Auch für die Schweiz kann der tiefe Rheinpegel zum Problem werden.»
Bei Regen wirds günstig, bei Schönwetter teuer
Allerdings sei es schwierig zu sagen, ob es in der Schweiz tatsächlich auch einen Benzinmangel geben wird. «Es kommt aufs Wetter an, wie lange die Versorgung noch gesichert ist.», sagt Vorburger. Bis Ende Woche ist noch Schlechtwetterphase angesagt und mit dem Regen steigt der Rheinpegel. Aber danach ist wieder Trockenheit angesagt.
Vorburger versichert aber: «Die Benzin-Versorgungslage in der Schweiz ist okay, wir können noch allen Verpflichtungen nachkommen.» Die Schweiz habe einen guten Versorgungsmix mit Frachtschiffen und Zügen und eigener Raffinerie. Ausserdem seien die Lager noch genügend gefüllt.
Viele Tankschiffe nach Basel unterwegs
Der Benzinpreis in der Schweiz werde sich voraussichtlich nicht erhöhen, solange die Ölpreise und der US-Dollar stabil bleiben und der Rheinpegel nicht weiter sinke. «Die hohen Frachtkosten sind bereits in den aktuellen Preisen eingepreist», sagt Vorburger. Aktuell koste eine Tonne Fracht fürs Schiff 60 Franken, zu Normalzeiten sind es 15 bis 25 Franken. Zudem könnten die Schiffe wegen des tiefen Pegels nur 800 Tonnen statt bei Vollwasser 2500 Tonnen Fracht mitnehmen.
«Die Frachtschiffe können aktuell nur etwa 40 Prozent laden», bestätigt Simon Oberbeck, Sprecher der Schweizerischen Rheinhäfen, auf Anfrage. Solche Situationen gebe es immer wieder, sie häufen sich aber in den letzten Jahren. Der Hafensprecher versichert aber: Derzeit sind immer noch viele Tankschiffe nach Basel unterwegs. Unsere Tanks im Hafen sind gefüllt. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet.» Sollten die Frachtpreise weiter steigen, würden alternative Verkehrsträger wie Strasse oder Bahn genutzt.
Ölimporteure können das Pflichtlager anzapfen
Auch bei BP, Shell und Agrola gibt es keinen Versorgungsengpass, wie es auf Anfrage heisst. Aktuell gebe es dazu auch keine Anhaltspunkte. Falls das Benzin aber doch in der ganzen Branche knapp werden sollte, gebe es immer noch das Pflichtlager des Bundes, auf das man zurückgreifen könne.
Roland Bilang, Geschäftsführer der Erdölvereinigung Avenergy Suisse, bestätigt, dass allfällige Versorgungslücken mit den Pflichtlagern ausgeglichen werden könnten. «Das hat für die Kundschaft keine Konsequenzen», so Bilang. Die Erdölimporteure sind in der Schweiz verpflichtet, beim Benzin, Diesel und Heizöl ein Lager mit einem Vorrat für viereinhalb Monate zu halten.
Beim zuständigen Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) heisst es auf Anfrage, dass der Füllstand in den Pflichtlagern den vorgegebenen Mengen entspricht. Die Pflichtlager müssten nicht geöffnet werden. «Der Markt kann die aktuelle Nachfrage ohne Pflichtlager befriedigen», sagt eine BWL-Sprecherin.