Hohe Bussen drohenJetzt kontrolliert die Homeoffice-Polizei die Büros
Neu gilt schweizweit eine Homeoffice-Pflicht – die Kantone schicken Arbeitsinspektoren für Kontrollen los. Die Arbeitgeber üben Kritik: Statt ein Kontrollregime aufzubauen, solle man sich der Pandemiebekämpfung widmen.
Darum gehts
Bereits erhalten Behörden vereinzelte Hinweise, dass Arbeitgeber die Homeoffice-Pflicht nicht umsetzen. Sie setzen auf Kontrollen.
Der Schweizerische Gewerbeverband kritisiert, die rechtliche Lage sei unklar.
Der Bundesrat will, dass mehr Leute von zuhause aus arbeiten – auch wenn die neue Homeoffice-Pflicht Interpretationsspielraum offenlässt (siehe Box). Nun sollen die Kantone dafür sorgen, dass die Massnahme eingehalten wird. Tatsächlich kündigen bereits diverse Kantone Kontrollen in Büros an.
Im Kanton Basel-Stadt heisst es etwa: «Die Einhaltung der Homeoffice-Pflicht wird im Zusammenhang mit den Kontrollen der Schutzkonzepte kontrolliert», sagt Michael Mauerhofer vom Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons. Das Arbeitsinspektorat gehe dabei vor allem Hinweisen aus Wirtschaft oder aus der Bevölkerung nach. «Wir haben im Moment vereinzelt Hinweise im Bezug auf die Homeoffice-Pflicht erhalten. Wir gehen jedoch jedem Hinweis nach.»
Meldungen aus der Bevölkerung wird nachgegangen
Wenn ein Unternehmen gegen die Homeoffice-Regel verstosse, gebe es zuerst eine Abmahnung und im wiederholten Fall eine Sanktion, so Mauerhofer. Auch die Kantone Luzern, Aargau, Schaffhausen und Solothurn werden ab nächster Woche die Büros kontrollieren.
Die unangekündigten Besuche sollten die Einhaltung der neuen Massnahmen garantieren, sagt Christian Ritzmann, Vize-Staatsschreiber der Staatskanzlei Schaffhausen. «Die Kontrolle findet mittels risikobasierten Betriebsbesuchen statt. Dabei müssen die Betriebe nachweislich glaubhaft darlegen können, wie sie die Homeoffice-Pflicht umsetzen.»
Im Kanton Zug setzt man auf die Eigenverantwortung der Unternehmen. Bei Bedarf und Notwendigkeit werde allerdings die Zuger Polizei in Zusammenarbeit mit dem Amt für Wirtschaft und Arbeit entsprechende Kontrollen durchführen, so der Mediensprecher der Zuger Polizei, Frank Kleiner.
Bussen von mehreren Tausend Franken möglich
Laut Arbeitsrechtler Marc Schmid drohen Arbeitgebern, die gegen die Homeoffice-Pflicht verstossen, gestützt auf die neuen Regeln des Bundesrats keine Bussen. «Je nach Kanton werden jedoch Bussen verhängt, wenn Anordnungen der Gesundheitsdirektion oder des kantonalen Arbeitsinspektorats missachtet werden.» In diesem Fall seien Bussen von mehreren Tausend Franken möglich.
«Ich gehe davon aus, dass die Pflicht bei den Kontrollen strikte umgesetzt wird und es keinen Spielraum für weniger Homeoffice gibt», sagt Schmid. Versuche ein Arbeitgeber den Verstoss etwa mit einer reibungsloseren Kommunikation, mehr Tempo oder Umsatz zu rechtfertigen, komme er damit nicht durch. «Die Unternehmer müssen vermehrt unpraktische Umstände, die das Homeoffice bietet, auf sich nehmen.» Auch sei das Risiko in Kauf zu nehmen, dass langsamer gearbeitet und weniger Umsatz generiert werde. Von der Pflicht entbunden seien Unternehmen nur, wenn das Wirtschaften im Homeoffice gar nicht oder nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand möglich sei. «Zum Beispiel in einem Büro mit Systemen, ohne die gar nicht gearbeitet werden kann und auf die nur vor Ort zugegriffen werden kann.»
«Wir wollen keinen Kontrollstaat»
Keine Freude an den Homeoffice-Kontrollen hat der Arbeitgeberverband. Mediensprecher Fredy Greuter sagt: «Wir akzeptieren das Ganze zähneknirschend. Wir sollten uns jetzt aber mit aller Kraft auf die Pandemiebekämpfung konzentrieren und wollen nicht ein Kontrollregime etablieren.» Nicht die Überwachung, sondern die gute Umsetzung der Massnahmen sollten jetzt im Zentrum stehen, so Greuter. Zudem sei es noch zu unklar, wer effektiv ins Homeoffice müsse und wer nicht. Es brauche deshalb weitere Präzisierungen der Behörden.
Auch Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, ist kritisch: «Ob diese Kontrollen wirklich notwendig sind, muss der Kanton selber entscheiden.» Unternehmen, die ab nächster Woche kontrolliert würden und dabei Probleme mit den Regelungen hätten, sollten das Gespräch mit den Behörden suchen. «Wenn das nicht klappt, so können sie sich auch beim Branchenverband Hilfe holen. Spätestens so findet sich eine Lösung.»
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) schätzt, dass sich rund fünfzig Prozent aller Arbeitsplätze für Homeoffice eignen. Das Seco werde den Kantonen jetzt noch zusätzliche Unterlagen bereitstellen, um eine möglichst gleiche Umsetzung in den einzelnen Kantonen zu erlangen. «In Anbetracht der Lage sind Ausnahmen nur sehr restriktiv und dort zu gewähren, wo keine andere Möglichkeit besteht.» sagt Pressesprecherin Antje Baerschti.
Wann ist der Aufwand «verhältnismässig»?
Die Homeoffice Pflicht gilt für alle Leute, bei denen der Aufwand «verhältnismässig» ist – was das genau bedeutet, wurde vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) bisher nicht genauer definiert. Eric Scheidegger, Leiter Wirtschaftspolitik beim Seco, sagte an der Pressekonferenz des Bundesrates am Mittwoch, dass es zum Beispiel bei spezialisierten Arbeitsplätzen mit sieben Monitoren in der Finanzindustrie nicht zumutbar sei, diese zuhause zu installieren. «Hingegen ist es absolut zumutbar, in einem normalen Dienstleistungsbereich oder auch in der Bundesverwaltung diese Arbeitsplätze zuhause einzurichten», so Scheidegger.
Grégoire Gogniat, Sprecher des Bundesamts für Gesundheit (BAG) sagt : «Das BAG steht regelmässig in Kontakt mit den Kantonen, um die umgesetzten Massnahmen zu besprechen. Empfehlungen zur Umsetzung der Massnahmen sind Teil dieser Diskussionen. Zur Koordination stehen diesbezüglich auch Plattformen des Staatssekretariats für Wirtschaft und der Sozialpartner zur Verfügung.»