Deutsche Risiko-ListeJetzt muss der Schweizer Tourismus noch mehr zittern
Weil Deutschland die Schweiz zum Risikogebiet erklärt hat, fürchten die Hotels um ihre Existenz. Mitten in der Corona-Krise bleibt die grösste ausländische Touristengruppe weg – ausgerechnet, wenn die Herbstferien in Deutschland beginnen.
Darum gehts
Die Tourismusbranche bedauert, dass nun die Schweiz ein Risikogebiet für Deutschland ist.
Mit Blick auf Deutschland sind die Herbstferien für sie vorbei.
Für die Hotels ist die Situation existenzbedrohend.
Die ganze Schweiz ist neuerdings auf der deutschen Risikoliste. Das ist ein schwerer Schlag für die Schweizer Tourismusbranche: Der Entscheid setzt den in der Corona-Krise ohnehin kriselnden Hotels und Restaurants weiter zu.
Am kommenden Wochenende fangen die Herbstferien in Baden-Württemberg an. Aus dem Bundesland kommen laut Tessiner Tourismusagentur die meisten deutschen Gäste. Die Ferien in Bayern starten eine Woche später. «Natürlich haben wir gehofft, dass Gäste aus Süddeutschland diese Ferien nutzen, um ihren Sommer im Tessin zu verlängern. Das fällt jetzt flach», sagt eine Sprecherin.
Forderung nach Corona-Schnelltests
In Graubünden machten deutsche Gäste in den vergangenen Jahren etwa 16 Prozent der Logiernächte aus, wie Martin Vincenz, CEO von Graubünden Ferien, zu 20 Minuten sagt. Er hofft auf Besserung bei den Infektionszahlen, damit die deutschen Touristen auf die Wintersaison hin zurückkehren.
Damit das möglich sei, werde grosses Augenmerk auf die Einhaltung der Verhaltensregeln und der Schutzkonzepte gelegt. Gleichzeitig unterstütze er die Forderung der Branchenverbände nach zertifizierten Corona-Schnelltests, um Reisen ohne Quarantäneauflagen kontrolliert zu ermöglichen.
Touristen buchen in der Krise spontaner
Wegen der Corona-Krise würden die Leute ihre Ferien eher spontan buchen, weil sich die Lage so schnell ändern könne, sagt Thorsten Merkle, Studienleiter Service Innovation und Design an der Fachhochschule Graubünden. Eine Anfrage beim Ferienhaus-Vermieter Interhome bestätigt Merkles Einschätzung. Die Firma spürt laut einer Sprecherin noch keinen unmittelbaren Effekt durch den Entscheid aus Deutschland. «In einer normalen Saison hätten wir schon viel mehr Buchungen für den Winter. Doch wegen Corona buchen die Leute sehr kurzfristig. Deshalb gab es auch noch fast keine Annullationen», so die Sprecherin. Doch je länger die Schweiz auf der Risikoliste sei, desto einschneidender sei der Rückgang für Interhome.
«Sie sind die grösste und treueste Gruppe»
Auch Schweiz Tourismus bedauert den Entscheid aus Deutschland. «Das tut uns sehr weh», sagt ein Sprecher auf Anfrage. Die Deutschen würden schweizweit rund 10 Prozent aller ausländischen Gäste ausmachen. «Sie sind die grösste und treueste Gruppe, die können wir nicht ersetzen», sagt der Sprecher. Nun müssten deutsche Touristen ihre Herbstferien in der Schweiz kürzen oder komplett streichen.
Immerhin sei noch etwas Zeit vor der Wintersaison. Nach den Herbstferien sei es in den Schweizer Tourismusregionen relativ ruhig, so der Sprecher. Nun hoffe er darauf, dass die Schweiz bis kurz vor Weihnachten wieder von der Liste kommt.
Quarantänepflicht ist ein No-go für Touristen
Die Quarantänepflicht ist das absolute No-go für die Touristen. «Die Leute fürchten sich vor zehn Tagen Quarantäne», sagt Thorsten Merkle, Studienleiter Service Innovation und Design an der Fachhochschule Graubünden. Deshalb würden die Deutschen nur noch in die Schweiz reisen, wenn sie keine andere Möglichkeit hätten, etwa bei Geschäftsreisen.
«Mit Blick auf Deutschland ist die Herbstsaison mit diesem Entscheid vorbei.»
Die Tourismusregionen dürften sich bereits auf diesen Fall gefasst gemacht haben, glaubt Christian Laesser, Tourismus-Professor an der Universität St. Gallen: «Man hätte schon im Sommer absehen können, dass kaum Touristen aus dem Ausland kommen werden», so Laesser. Bereits im August sind die Beherbergungszahlen eingebrochen.
Für die Hotels sei die Situation nun aber existenzbedrohend. Sie könnten zwar die Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken, hätten aber weiterhin fixe Kosten, etwa für die Infrastruktur. Nun seien sie auf die Schweizer Touristen angewiesen. In den Wintersportregionen könne es sein, dass nicht alle Pisten oder Anlagen normal in Betrieb sein werden, weil die Nachfrage durch die fehlenden Ausländer geringer ist.