Jetzt sprechen die Reddit-Zocker

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Meme-AktienJetzt sprechen die Reddit-Zocker

Sie haben ein Zeichen gegen die Wall Street gesetzt – und manch einer hat auch noch viel Geld verdient. Reddit-Nutzer sagen, warum sie sich im «Klassenkampf» gegen die Finanzhaie befinden.

Die Reddit-Community hat mit massiven Aktienkäufen von Gamestop der Wall Street eins ausgewischt.
Einige der Reddit-Zocker haben viel Geld verdient und prahlen damit in sozialen Medien.
«So leben wir, nachdem wir Gamestop-Aktien beim Kurs von 4 US-Dollar gekauft und bei 346 Dollar ausgezahlt», schreibt ein Instagram-User.
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Die Reddit-Community hat mit massiven Aktienkäufen von Gamestop der Wall Street eins ausgewischt.

REUTERS

Darum gehts

  • Die Reddit-Community hat der Wall Street eins ausgewischt.

  • Mit dem Kauf unzähliger Aktien von Gamestop verursachten sie Milliardenverluste bei den Börsianern.

  • Die Handelsplattformen setzten darauf den Handel mit der Aktie aus.

  • Die Community hält das für Marktmanipulation und hofft auf ein grosses Finale.

Die Reddit-Nutzer von «Wallstreetbets» feiern ihren ersten Sieg im ausgerufenen «Klassenkampf» gegen die Profi-Anleger. Mit dem Boom der Gamestop-Aktie haben sie den Finanzhaien, die auf den Niedergang des Computerspiel-Händlers gesetzt haben, Milliardenverluste zugefügt. Manch einer der Reddit-User prahlt nun mit den Börsengewinnen auf sozialen Medien (siehe Bildstrecke).

Doch der Plan des Reddit-Schwarms ging nicht völlig auf. Denn sie wollten den Kurs immer weiter steigen lassen, um die Verluste des Grosskapitals anschwellen zu lassen. Weil mehrere Broker-Unternehmen wie Robinhood den Handel mit der Aktie aber vorübergehend aussetzten, konnte die Community nicht mehr investieren und der Kurs sackte kurzzeitig ab.

Betroffen vom Rückgang war auch L.* aus der 20-Minuten-Community. Durch den erneuten Anstieg am Freitag sei das aber schon wieder ausgemerzt. Verkaufen wolle der 22-jährige ohnehin noch nicht, weil es ihm nicht nur um den Gewinn, sondern viel mehr um die Botschaft gehe. «Mir war klar, dass ich die Aktien halten muss, das war unsere einzige Verteidigungsmöglichkeit. Und wir haben gut dagegengehalten», sagt L. zu 20 Minuten.

«Jetzt werden sich noch mehr an Gamestop beteiligen»

Das Aussetzen des Handelns der Gamestop-Aktie war eine «gezielte Marktmanipulation zugunsten von milliardenschweren Managern», so L. Damit hätten sie sich aber selbst ins Bein geschossen. «Jetzt steigt das Bedürfnis noch mehr, es denen heimzuzahlen und es werden sich noch mehr Leute an Gamestop beteiligen.» Er erwarte einen massiven Anstieg und ein grosses Finale.

Ihn störten vor allem die Leerverkäufe. Dabei leiht jemand Aktien aus und verkauft sie umgehend in der Hoffnung, dass der Kurs fällt, weil es etwa der Firma schlecht geht. Danach kann er die Aktie günstiger zurückkaufen. «Wieso erlauben sich Hedgefonds-Manager diese Leerverkäuferei auf Kosten der Mitarbeiter und deren Familien von Unternehmen und anderen Aktionären?», fragt L.

2000 Dollar Gewinn mit Bitcoin

Der Handelsstop mit Gamestop lässt kaum einen Kleinanleger kalt. Auch Alex Patton findet das ungerecht. «Sie gehen davon aus, dass wir Kleinanleger nicht mit unserem Risiko umgehen können, während Hedge Funds ein riesiges Risiko eingegangen sind und einfach weitermachen dürfen», sagt der 28-jährige US-britische Doppelbürger gegenüber der «BBC».

Die normalen Menschen aus der Mittel- und Arbeiterklasse hätten keine Milliarden zur Verfügung wie die Grossinvestoren, so Patton. Er kam aber gut aus dem Geschäft heraus. Aus seiner 1000-Dollar-Investition in Gamestop-Aktien machte er 2000 Dollar Gewinn.

«Es ist einfach nicht richtig»

Der achtzehnjährige Student Myron Sakkas aus der Industriestadt Coventry in der Mitte von England hatte weniger Glück. Er verlor 30 britische Pfund mit Gamestop-Aktien, die er «für ein paar Stunden besass» und verkaufte, als der Kurs nach unten ging. Die weiteren Aktien im Wert von 1000 Pfund wolle er verkaufen, wenn er wieder Zugriff auf sein Konto habe, das gesperrt worden sei.

Sakkas sei desillusioniert von der «Marktmanipulation» der Broker. Damit hätten sie Unternehmensinteressen geschützt, während die normalen Leute viel Geld verloren hätten. Er habe mit der Aktion auf die Verursacher der Finanzkrise 2008 abgezielt, die «nie zur Verantwortung gezogen wurden». Nun wolle er aber eine Weile nicht mehr handeln, weil die «Manipulation einfach nicht richtig sei».

Aus Frust AMC-Aktien gekauft

Die 43-jährige US-Bürgerin Melissa Holdren hingegen war so verärgert über das Vorgehen der Handelsplattformen, dass es sie dazu veranlasste, sich mit 500 US-Dollar bei AMC Entertainment einzukaufen. Die Aktien der grössten Kinokette zu kaufen, war analog zu Gamestop ebenfalls nur eingeschränkt möglich.

Darum wetten Investoren gegen Gamestop

Die Investoren wetten schon länger auf den Niedergang von Gamestop. Die Firma ist im Elektronikeinzelhandel tätig und betreibt weltweit rund 5800 Shops. Das Geschäftsmodell mit physischen Läden sei aber gegen den zunehmenden Online-Handel kaum zukunftsversprechend, sagt Matthias Geissbühler, Investment-Chef von Raiffeisen Schweiz. Mit entsprechend tiefen Margen rutschte die Firma bereits 2020 in die Verlustzone. Wegen den Filialschliessungen im Lockdown dürfte der Verlust laut Geissbühler dieses Jahr sehr hoch sein.

Holdren finde es «sehr fragwürdig», dass ein privates Unternehmen den Kauf von Aktien einseitig blockieren könne. Sie wisse zwar, dass sie damit Geld verlieren könne, wolle aber dazu beitragen, dass die Firma überlebt und gleichzeitig ein Zeichen gegen die Wall Street setzen. Ihr dürfte es ähnlich wie L. und vielen weiteren Kleinanlegern gehen, die erst spät eingestiegen sind und für den «Klassenkampf» einen Verlust in Kauf nehmen.

*Name der Redaktion bekannt.

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