Job-Ghosting: Bewerber warten wochenlang – und hören nie wieder etwas

Publiziert

Job-Ghosting«Frustrierend»: Bewerber warten wochenlang – Firmen ghosten sie

Immer mehr Menschen klagen über Funkstille nach Bewerbungen. Selbst nach Vorstellungsgesprächen kommt oft keine Antwort. Ein Experte nennt das Verhalten vieler Firmen respektlos – und warnt vor Folgen.

Auf Tiktok berichten Dutzende Userinnen und User davon, auf ihre Bewerbungen keine Rückmeldung zu erhalten.

20 Minuten

Darum gehts

  • Immer mehr Menschen klagen über fehlende Rückmeldungen nach Bewerbungen.

  • Selbst nach Vorstellungsgesprächen bleibt oft die erhoffte Antwort aus.

  • Experten kritisieren dieses Verhalten als respektlos und schädlich für das Firmenimage.

  • HR-Experte Jörg Buckmann empfiehlt Bewerbern, aktiv nachzuhaken.

Funkstille nach der Bewerbung? Viele, die einen neuen Job suchen, kennen dieses Phänomen. Man bereitet die Unterlagen vor, verschickt sie – und hört dann über Wochen oder Monate gar nichts. Weder erhält man eine Einladung zu einem Gespräch, noch eine Absage. Auf Social Media lassen sich unzählige Userinnen und User über sogenanntes «Job-Ghosting» aus.

Das Ausmass der Frustration zeigt ein Aufruf in der 20-Minuten-Community: Innert drei Stunden meldeten sich rund 50 Personen mit ihren Erfahrungen. Es sind Männer, Frauen, Junge, Ältere, Berufseinsteiger und Menschen mit jahrzehntelanger Erfahrung. Auch scheint es kein branchenspezifisches Problem zu sein: Die Jobs, auf die sie sich bewerben, sind unter anderem im Gastgewerbe, auf dem Bau, im Marketing oder im Bankenwesen.

Immer wieder schildern Menschen aus der Community, dass sie Stunden für eine Bewerbung aufwenden. Was sie sich im Gegenzug wünschen, sei Respekt und Gewissheit.

Viele wenden Stunden auf, um eine Bewerbung zusammenzustellen.

Viele wenden Stunden auf, um eine Bewerbung zusammenzustellen.

Pexels

«Früher sprach man davon, dass Arbeitnehmer Firmen ghosten, heute ist es genau umgekehrt.»

Eine von ihnen ist M.* (27). Sie arbeitet im Marketingbereich, würde aber gerne die Stelle wechseln. «Es kommt immer wieder vor, dass auf Bewerbungen einfach keine Antwort kommt.» Auch nach persönlichen Gesprächen – sei es in Person oder per Videocall – bleibe teils Funkstille: «Das ist mir schon dreimal passiert. Ich habe mich eine Stunde mit den Verantwortlichen unterhalten – und danach nie wieder etwas gehört.» Bei einer Stelle habe die 27-Jährige fünfmal nachgehakt – jedes Mal wurde sie vertröstet oder ignoriert. «Erst nach drei Monaten kam eine Absage.»

M. wurde mehrfach nach einem Vorstellungsgespräch geghostet.

M. wurde mehrfach nach einem Vorstellungsgespräch geghostet.

Pexels

Ähnliche Erfahrungen macht A.B.* (40). Seit einem Jahr sucht er eine Stelle im Maschinenbau – vergeblich. Er hat Dutzende Bewerbungen verschickt, doch oft bleibt die einzige Antwort: Stille. «Früher sprach man davon, dass Arbeitnehmer Firmen ghosten, heute ist es genau umgekehrt», sagt er.

Wie gehst du mit Funkstille nach einer Bewerbung um?

Auch wenn B. nachhakt – per Telefon oder E-Mail –, werde er immer wieder vertröstet. «Oft heisst es, die zuständige Person sei gerade nicht da oder eine Entscheidung stehe noch aus. Doch auf eine Rückmeldung wartet man vergeblich.» Selbst nach Vorstellungsgesprächen oder wenn er aktiv von Recruitern kontaktiert worden sei, habe er diese Erfahrung gemacht. «Es ist so frustrierend.»

«Es ist so frustrierend.»

A.B. (40)

«Ein No-go»: HR-Experte kritisiert Firmen

Für den HR-Experten Jörg Buckmann ist das Ghosting von Bewerberinnen und Bewerbern ein absolutes No-go. «Leider sind das keine Einzelfälle», sagt er. «Ich bin fassungslos, wie viele Firmen – unabhängig von der Branche – so handeln.» Für Buckmann ist dieses Verhalten ein Zeichen von fehlendem Anstand und Respekt. «Viele Unternehmen schreiben sich Werte wie Wertschätzung und Transparenz gross in ihre Hochglanzbroschüren – und treten sie dann selbst mit Füssen.»

Laut HR-Experte Jörg Buckmann kann Job-Ghosting dem Ruf eines Unternehmens schaden.

Laut HR-Experte Jörg Buckmann kann Job-Ghosting dem Ruf eines Unternehmens schaden.

20 Minuten

Doch warum passiert das? Laut Buckmann gibt es vor allem zwei Gründe: Bequemlichkeit, also HR-Abteilungen, die sich die Zeit nicht nehmen wollen, jeder Person zu antworten, oder eine mangelhafte Organisation. Einige Firmen hätten schlicht ihre internen Prozesse nicht im Griff. «Beides ist keine Entschuldigung», stellt er klar. Besonders nach einem Erst- oder Vorstellungsgespräch müsse sich ein Arbeitgeber unbedingt melden, betont der Experte.

«Schlecht für das Image»

Auch der Schweizerische Arbeitgeberverband kritisiert ein solches Verhalten von Unternehmen und HR-Abteilungen. Zu den Gründen konnte sich Kommunikationschef Stefan Heini nicht äussern: «Wir kennen sie nicht.» Er betont jedoch, dass es sich negativ «auf das Image der betreffenden Firmen» auswirken könne.

«Ich bin fassungslos, wie viele Firmen – unabhängig von der Branche – so handeln.»

HR-Experte Jörg Buckmann

Das glaubt auch Buckmann. «Heute kann jeder eine schlechte Bewertung auf Kununu oder anderen Plattformen hinterlassen. Das bleibt nicht ohne Folgen – auch nicht für das Image gegenüber Kunden.»

Experte empfiehlt: Nachhaken

Bewerberinnen und Bewerbern, die über längere Zeit keine Rückmeldung erhalten, rät Buckmann, den Kontakt aktiv zu suchen – am besten per E-Mail. «Am Telefon erwischt man oft den falschen Moment.» Eine weitere Möglichkeit sei LinkedIn: «Dort kann man die zuständige Person direkt anschreiben und umgeht so unnötige Zwischenschritte.»

*Name der Redaktion bekannt

Tipps für eine gute Bewerbung

Der HR-Experte Jörg Buckmann gibt Tipps für den Bewerbungsprozess:

  • Kreiere einen vollständigen und übersichtlichen Lebenslauf.

  • Kontrolliere deinen Lebenslauf und dein Motivationsschreiben auf Schreibfehler.

  • Beim Layout gehen die Geschmäcker auseinander. Einige Personaler mögen es schlicht, andere etwas aufwendiger. Die Faustregel bleibt: Es sollte schön aussehen. Ein bisschen Farbe ist erlaubt, zu viel ist aber zu viel.

  • Bevor du dich bewirbst: Rufe beim Unternehmen nur an, wenn du tatsächlich eine wichtige Frage hast. Proforma-Fragen – damit der Name schon einmal gehört wurde – sollte man lassen. Damit ärgert man die Leute nur.

Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?

Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.

Deine Meinung zählt

192 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen