John McCain spielt mit hohem Einsatz

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US-WahlenJohn McCain spielt mit hohem Einsatz

Die Finanzkrise hat John McCains Wahlkampf in Rücklage gebracht. Mit seinem neusten Coup will er sich als starke Führungsperson in Szene setzen, doch bei den Demokraten stösst er auf taube Ohren.

von
Peter Blunschi

«John McCain ist von Natur aus ein Spieler, und die Wette, die er am Mittwoch platziert hat, dürfte eine der grössten seines politischen Lebens sein.» Mit diesem Satz kommentierte die «Washington Post» den überraschenden Vorstoss des republikanischen Kandidaten, seinen Wahlkampf so lange ruhen zu lassen und die erste TV-Debatte vom Freitag zu verschieben, bis der 700-Milliarden-Rettungsplan für die Finanzindustrie steht. Er werde nach Washington zurückkehren und sich in die Verhandlungen einschalten, so McCain.

Der Kandidat hoffe, er werde mit diesem Schritt als «überparteiliche Führungsperson» wahrgenommen, so die «Washington Post» weiter. Auf jeden Fall hat John McCain damit einmal mehr seine Fähigkeit zu überraschenden Entscheiden unter Beweis gestellt. Zuletzt tat er dies mit der Ernennung der weitgehend unbekannten Gouverneurin Sarah Palin zu seiner Vize-Kandidatin. Der Hype, den er damit auslöste, beflügelte seine Umfragewerte und brachte Gegenkandidat Barack Obama in Bedrängnis.

McCains populistische Forderungen

Dann kehrte die Finanzkrise mit voller Wucht zurück, und seither hat sich der Wind gedreht. Obama liegt in den Umfragen wieder in Führung, auch in den wichtigen «Swing States» legt er zu. McCain dagegen hat sich mit ungeschickten Äusserungen selber Probleme bereitet. Am «Schwarzen Montag», an dem die Bank Lehman Brothers kollabierte, behauptete er: «Die fundamentalen Eckdaten der Wirtschaft sind stark.» Zudem wurde enthüllt, dass sein Wahlkampfleiter Rick Davis eng mit dem angeschlagenen Hypotheken-Riesen Freddie Mac verbandelt war und jahrelang viel Geld von der Bank bezogen hatte.

Auf diese Rückschläge reagierte John McCain mit Populismus. So forderte er, dass Bankenbosse, die vom staatlichen Rettungsplan profitieren, nicht mehr verdienen dürfen als der Präsident (400 000 Dollar im Jahr). Ausserdem verlangte er den Rauswurf von Chris Cox, dem Chef der staatlichen Börsenaufsicht SEC. Als populistisch erachten die Demokraten auch seine neuste Initiative. Vorerst gelang es ihm gemäss «Washington Post» jedenfalls nur, dass «sich die Parteifronten verhärteten».

«Verzweifelt und idiotisch»

Die Republikaner applaudierten erwartungsgemäss. Mitch McConnell, Senator aus Kentucky, sprach von einer «ausgezeichneten Idee» McCains, sich in die Verhandlungen einzuschalten. Hinter den Kulissen waren aber auch skeptische Stimmen zu vernehmen, denn im Gegensatz zu den Demokraten sind die Republikaner in der Frage des staatlichen Rettungsplans gespalten, Hardliner bezeichnen ihn als «sozialistisch». Ein Parteistratege bezeichnete McCains Vorstoss gegenüber der «Washington Post» als «verzweifelt und idiotisch».

Die Demokraten erachten ein Eingreifen der beiden Wahlkämpfer ohnehin nicht als nützlich, sondern als störend. «Es ist das Letzte, was wir brauchen», sagte Senator Dick Durbin aus Illinois. Und Barney Frank, Vorsitzender der Finanzkommission im Repräsentantenhaus, schimpfte: «Wir sind nahe dran, mit den Republikanern eine Lösung zu finden, und nun müssen wir die Verhandlungen am Donnerstag unterbrechen für einen Fototermin im Weissen Haus.» Damit spielte Frank auf das Krisentreffen an, zu dem Präsident Bush die Kandidaten John McCain und Barack Obama eingeladen hat.

Debatte soll stattfinden

Obama akzeptierte ohne Begeisterung. Von McCains Vorstoss liess er sich überraschen. Kein Wunder, hatte er doch gemäss «New York Times» nur zehn Minuten zuvor mit seinem republikanischen Kontrahenten telefoniert und über eine gemeinsame Haltung zum Rettungspaket gesprochen. Die Initiative dazu war von Obama ausgegangen. Von einer Verschiebung der ersten TV-Debatte will der Demokrat nichts wissen: «Ein Präsident muss in Krisenzeiten fähig sein, verschiedene Dinge zu tun», erklärte er.

Auch die überparteiliche Kommission, welche die Debatten organisiert, sieht «keinen Grund für eine Verschiebung». Ähnlich äusserte man sich an der University of Mississippi in Oxford, dem geplanten Veranstaltungsort. Obama meinte maliziös, die Kandidaten hätten eigene Flugzeuge, mit denen sie am Freitag schnell von Washington nach Mississippi gelangen könnten. Zumindest in dieser Hinsicht dürfte sich Glücksspieler McCain verzockt haben.

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