Jugendstrafrecht: 17-Jähriger boxt Mann ins Koma und spielt in Film

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ZürichTeenager aus gutem Haus boxt Mann ins Koma – im TV gibt er sich lammfromm

In einem Zürcher Park schlug ein damals 17-Jähriger einen Familienvater zum Invaliden. Weil er zum Tatzeitpunkt nicht volljährig war, musste der Täter nicht ins Gefängnis. Dafür mimte dieser in einem Film das Unschuldslamm.

Die Faustschläge des Jugendlichen haben das Leben eines Mannes für immer verändert. (Symbolbild)
Bei der Tat noch nicht volljährig: Der 17-Jährige war nur zwei Tage in Untersuchungshaft. (Symbolbild)
Tatort Klopstockwiese: Hier schlug Alex zu.
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Die Faustschläge des Jugendlichen haben das Leben eines Mannes für immer verändert. (Symbolbild)

imago/photothek/Liesa Johannssen

Darum gehts

  • Nach einem Gewaltexzess in einem Zürcher Park ist das Opfer (64) arbeitsunfähig. 

  • Aufgrund des Jugendstrafrechts musste der damals 17-jährige Täter lediglich zwei Tage in Untersuchungshaft.

  • In einem halbdokumentarischen Kinofilm über seine Familie stellte sich der Jugendliche als harmloser Teenager dar.

Zwei Brüder aus einem linken Promi-Elternhaus – nennen wir sie Alex und Beat* – begingen in Zürich  folgenschwere Gewalttaten. Weil Alex zum Zeitpunkt seiner Tat nicht volljährig war, kam er nach einer Untersuchungshaft von nur zwei Tagen frei. Dabei hat er mit seinen Fausthieben das Leben eines Mannes für immer verändert, wie der «Tages-Anzeiger» (Bezahlartikel) schreibt. Beat hingegen war bereits volljährig, als er ein jugendliches Opfer mit Messerstichen lebensgefährlich verletzte – er muss für mehrere Jahre hinter Gitter. Der Fall wirft Fragen darüber auf, wie das Schweizer Justizsystem mit jugendlichen Tätern und ihren Opfern umgehen soll.

Gehirnverletzungen nach Fausthieb

Der Fall von Alex geht ins Jahr 2015 zurück. Am Abend des 8. September schlug er einem 64-jährigen Mann im Zürcher Klopstockpark die Faust so heftig ins Gesicht, dass dieser schwere Gehirnverletzungen davonträgt. Der Mann ist fortan auf externe Hilfe angewiesen und kann nicht mehr arbeiten. Er kann sich nicht an den Vorfall erinnern, weswegen sich die späteren Gerichtsentscheide vor allem an Alex’ Aussagen orientieren werden.

Laut Alex onanierte der Mann an jenem Abend im Park. Er fühlte sich bedroht, rief die Polizei. Diese liess auf sich warten. Später habe der Mann seinen Penis vor Alex’ Augen entblösst und massiert – dabei habe er ihn zudem «böse angelacht». Alex malt sich nach eigenen Aussagen alles Mögliche aus – «dass der 64-Jährige ihn verschleppen, vergewaltigen, abstechen oder zusammenschlagen könnte». Alex möchte dem Mann seine Meinung sagen, dass er nicht schwul sei. Als der Mann eine «Packbewegung» in seine Richtung gemacht habe, schlug er mit aller Härte zu – mehrfach.

Zwei Tage Untersuchungshaft

Was an jenem Abend wirklich passiert ist, ist wegen der einseitigen Darstellung schwer zu rekonstruieren. In einem psychiatrischen Gutachten wird später auch erwogen, dass Alex’ Cannabiskonsum dessen Angst verstärkt haben könnte. Fest steht, dass der Mann Knochenbrüche und ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitt und in der Folge mehrere Monate im Koma lag. Er ist bis heute in sämtlichen Alltagsaktivitäten eingeschränkt, benötigt Hilfe und Pflege von Frau und Kindern.

Alex musste nach seiner Tat für zwei Tage in Untersuchungshaft. Da er erst sieben Wochen später volljährig wurde und das Jugendstrafrecht «Schutz und Erziehung» der Jugendlichen zum Ziel hat – Ziel ist in erster Linie die Resozialisierung der Täter – blieb es auch dabei. Er bekommt nur vier Monate bedingten Freiheitsentzug, wie das Bundesgericht im April dieses Jahres ein Urteil der Vorinstanz bestätigte. 

Auftritt in Kino- und TV-Film

Zynisch wird der vorliegende Fall durch einen Kinofilm, den Alex’ Eltern mit ihm und seinem Zwillingsbruder über das Familienleben mit den Teenagern gedreht haben. Die Brüder inszenieren sich im Film als harmlose Jugendliche, was für das 64-jährige Opfer und dessen Familie wie Hohn wirken musste.

Dass Alex das Leben eines erwachsenen Mannes zerstört hat, wird im Film nicht angesprochen. Dabei heisst es, der Film sei teilweise Fiktion, teilweise am tatsächlichen Familienleben angelehnt. 

Vater verteidigt Schläger-Sohn

Die Anwältin des Opfers sagt, die Familie habe sich «keine drakonische Strafe» gewünscht. Der Kinofilm habe jedoch eine zusätzliche Demütigung dargestellt. Stattdessen hätte es geholfen, wenn der junge Mann ihrem Klienten in die Augen geschaut und seinen Fehler eingestanden hätte. 

Alex’ Vater verteidigt seinen Sohn gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «2019, als der Film hergestellt und gezeigt wurde, lag der Vorfall fast vier Jahre zurück. Mein minderjähriger Sohn wurde von einem Mann Mitte sechzig massiv sexuell bedrängt. Alle Gerichtsinstanzen haben die Notwehrsituation bestätigt, unterschiedlich beurteilt wurde die Frage, ob die Abwehrhandlung in der Intensität noch zulässig war.»

Er wehrt sich auch gegen den Vorwurf, die Öffentlichkeit sei mit dem Film in die Irre geführt worden. Es handle sich um einen Spielfilm im Genre der Komödie, nicht um eine Dokumentation.

* Namen der Redaktion bekannt und geändert

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Beratungsstellen für gewaltausübende Personen

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