Abstimmung vom 15. Mai 2022 – Junge sind gegen das «Netflix-Gesetz»

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Abstimmung vom 15. Mai 2022Junge sind gegen das «Netflix-Gesetz»

Die 18- bis 34-Jährigen lehnen das neue Filmgesetz deutlich ab, das zeigt die Abstimmungsumfrage von 20 Minuten. Insgesamt bekommt das «Netflix-Gesetz» eine knappe Mehrheit.

Streamingdienste sollen, wenn es nach dem Parlament und dem Bundesrat geht, die Schweizer Filmbranche unterstützen und einen gewissen Anteil europäischer Filme zeigen. Junge lehnen das «Netflix»-Gesetz mit 54 Prozent der Stimmen ab, über 65-Jährige sind mit 62 Prozent dafür.
Insgesamt bekommt das neue Filmgesetz laut der Umfrage von 20 Minuten nur eine knappe Mehrheit von 51 Prozent. Das freut Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen. Diese hatten das Referendum ergriffen.
Die Leute hätten sich mittlerweile «über die Nachteile der Vorlage informiert», sagt Müller. Insbesondere für Junge sei es schwer verständlich, warum die Politik das Film-Angebot der Streaming-Dienste regulieren wolle. Zudem würden die Kosten der Vorlage auf die Konsumentinnen und Konsumenten abgewälzt.
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Streamingdienste sollen, wenn es nach dem Parlament und dem Bundesrat geht, die Schweizer Filmbranche unterstützen und einen gewissen Anteil europäischer Filme zeigen. Junge lehnen das «Netflix»-Gesetz mit 54 Prozent der Stimmen ab, über 65-Jährige sind mit 62 Prozent dafür.

Tamedia

Darum gehts

In gut fünf Wochen wird wieder abgestimmt. Dabei geht es unter anderem um das neue Filmgesetz, das Streamingdienste verpflichten würde, vier Prozent des jährlichen Brutto-Umsatzes in die Schweizer Filmbranche zu investieren und mindestens 30 Prozent europäische Filme zu zeigen. 

Die erste Abstimmungsumfrage von 20 Minuten und Tamedia zeigt nun, dass es knapp wird für das sogenannte «Netflix-Gesetz»: Nur eine dünne Mehrheit von 51 Prozent befürwortet die Vorlage, 44 Prozent sind dagegen, fünf Prozent machen keine Angabe.

Bei den Jungen würde das neue Filmgesetz deutlich durchfallen: Lediglich 39 Prozent der 18- bis 34-Jährigen sind dafür, 54 Prozent geben an, Nein zu stimmen. Je älter die Leute, desto höher die Zustimmung: Bei den über 65-Jährigen sagen 62 Prozent Ja.

«Am Ende zahlt der Konsument»

Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, die gemeinsam mit den Jungparteien von SVP und GLP das Referendum ergriffen haben, freut sich. «Das zeigt mir, dass wir mit unserer Kampagne auf dem richtigen Weg sind und die Leute erreichen.» Die kürzlich publizierte SRG-Umfrage hat eine grössere Zustimmung ergeben, Müller führt es darauf zurück, dass sich die Stimmberechtigten inzwischen nach dem Kampagnenstart über die «Nachteile der Vorlage informiert haben».

Dass die Vorlage vor allem bei Jungen auf Ablehnung stosse, sei logisch: «Sie können keinem jungen Menschen erklären, warum jeder dritte Film auf Netflix oder Disney+ europäisch sein soll. Ohne, dass die Qualität und die Akzeptanz beim Publikum eine Rolle spielen, einfach, weil der Gesetzgeber es so beschliesst. Das ist doch nicht normal», sagt der 29-jährige Anwaltspraktikant.

Umfrage

Auch merkten die Stimmberechtigten, dass «am Ende der Konsument die Mehrkosten bezahlt», sagt Müller. Streamingdienste würden die 20 bis 30 Millionen Franken, die sie jährlich der Schweizer Filmbranche abliefern müssten, nicht selber tragen, sondern auf die Konsumentinnen und Konsumenten abwälzen. Die Abopreise würden dadurch erhöht.

«Wenn ich Schweizer Filme sehen will, kann ich das im Kino machen oder auf Play Swiss von SRF.» Das würden sich wohl viele Leute sagen. Gerade Junge, die ein beschränktes Budget hätten, sich für einen Streaminganbieter entscheiden müssten und dafür Abogebühren bezahlten. Wenn dieser Streamingdienst dann mehr koste und ein anderes Angebot habe, weil die Politik dies so will, verstünden das die Jungen nicht, sagt Müller.

«Kostenargument ist unredlich»

Anderer Meinung ist Denis Kläfiger, der sich für das neue Filmgesetz engagiert: Das Argument mit den steigenden Abokosten sei «unredlich», sagt er, denn die Gegner verschwiegen, dass die Streamingdienste ihre Preise ohnehin ständig nach oben anpassen, «auch ohne Investitionsvorschriften». Alle paar Monate erfolge eine Preiserhöhung, und er habe deswegen bei den Gegnern noch nie einen Aufschrei gehört. Dass die Abgaben von vier Prozent des Umsatzes so ins Gewicht fielen, bezweifelt er. Und zur Europa-Quote im Film-Angebot sagt er: «Viele Netflix-Erfolgsserien wie etwa Bridgerton oder Haus des Geldes sind ohnehin europäisch.»

Der 30-jährige Schweizer absolviert derzeit die Schauspiel-Ausbildung an der Film-Academy in Wien und hat selber ein vitales Interesse an einer Stärkung des Schweizer Filmplatzes. «Ich hätte als Schauspieler gern eine berufliche Perspektive in der Schweiz.» Doch das Budget in der Schweizer Filmbranche reiche nirgendwo hin, die Schweiz sei als Einzugsgebiet einfach zu klein. Deshalb werde in den Schweizer Film kaum investiert, obwohl es sehr talentierte Drehbuchautorinnen und -autoren, Regisseurinnen und Regisseure sowie Schauspielerinnen und Schauspieler gebe. «Alle Branchen-Experten raten mir, wenn ich Ambitionen hätte, solle ich einen Bogen um die Schweiz machen. Das finde ich schade.» Mit der Lex Netflix würde sich das ändern, hofft Denis Kläfiger.

Neue Kultursteuer?

Die Befürworter des neuen Filmgesetzes wollen hauptsächlich, dass ein Teil der hier erwirtschafteten Umsätze in der Schweiz bleibt und nicht mehr ins Ausland abfliesst. 56 Prozent der Befürwortenden gaben dies als Argument an, 23 Prozent wollen die «Dominanz von US-Produktionen brechen». Die Gegner hingegen kritisieren am neuen Filmgesetz die «versteckte Kultursteuer», die es nicht brauche, da der Schweizer Film heute schon mit 150 Millionen Franken unterstützt werde. Zweitwichtigstes Argument sind die Abokosten, die steigen könnten.

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