Kristallhöhle Oberriet SGJustiz vernichtet Beweismittel in Mordfall
1982 wurden bei der Kristallhöhle bei Oberriet zwei Mädchen ermordet. Der Fall ist bis heute ungeklärt. Das wird wohl so bleiben: Alle Asservate des Falls sind vernichtet worden.
«Zum Kristallhöhlenmord haben wir gar nichts mehr in der Asservatenkammer», sagt Gian Andrea Rezzoli, Sprecher der Kapo SG. Es ist ein Fall, der europaweit für Aufsehen sorgte und noch heute weit über die Region die Menschen bewegt. Karin Gattiker (†15) und Brigitte Meier (†17) verschwanden am 31. Juli 1982 bei einer Velotour durch die Ostschweiz. Ihr Spur verlor sich an einer Wegkreuzung in Oberriet SG, wo ihre Velos zurückblieben. Ihre Leichen wurden neun Wochen später in der Kristallhöhle entdeckt. Sie fielen einem Gewaltverbrechen zum Opfer. Der Täter wurde nie gefasst. Inzwischen ist der Fall abgeschlossen und verjährt. Laut Rezzoli ging zudem 2015 der letzte Sachbearbeiter in Pension.
Der Doppelmord beschäftigte auch «Aktenzeichen XY ungelöst». (Quelle: Youtube/Laibachs Hoden-Wohl)
Hinweise nützen nichts
Asservate werden jeweils auf Verfügung der Staatsanwaltschaft nach rechtskräftigem Abschluss einer Untersuchung vernichtet, so auch im Fall des Kristallhöhlenmords. In die Asservatenkammer gelangen Spurenträger, die im Rahmen einer Untersuchung gesichert wurden. «Bei einem Delikt mit bekannter Täterschaft werden die Asservate meist aufbewahrt, bis ein rechtskräftiges Urteil oder eine Einstellung vorliegt. Dann können sie auf Weisung der Staatsanwaltschaft vernichtet werden», so Rezzoli. Bei Fällen, in denen die Täterschaft nicht bekannt ist, werden Asservate grundsätzlich bis zur Verjährung des entsprechenden Tatbestandes aufbewahrt. Bei richtiger Lagerung können diese auch zu einem späteren Zeitpunkt – aber nur bis zur Verjährung – nach neusten Methoden untersucht werden.
Obwohl der Kristallhöhlenmord verjährt ist, betonte die Polizei stets, man nehme immer noch Hinweise entgegen. Allerdings nützen diese laut Roman Dobler, Sprecher der St. Galler Staatsanwaltschaft, nichts mehr: «Der Fall ist verjährt. Es wird nie zu einer erneuten Untersuchung, einer Anklage oder einem Urteil kommen.» Selbst wenn die Kantonspolizei St. Gallen entsprechende Hinweise auf einen mutmasslichen Täter in diesem Fall rapportiert, erlässt die Staatsanwaltschaft eine sogenannte Nichtanhandnahmeverfügung, das heisst, dass keine Strafuntersuchung eingeleitet wird, weil der Fall verjährt ist und dies das Gesetz so vorsieht.
Vorgehen fraglich
Für Personen, denen der Fall vertraut ist, ist das Ganze stossend. Laut Peter Beutler, der die Thematik in einem Krimi verarbeitet hat, hätten die Asservate immerhin Platz in einem Kriminalmuseum finden können. Es sei ja auch ein Stück Zeitgeschichte. Bei Lesungen erlebe er stets, wie sehr der Doppelmord die Menschen auch nach über 30 Jahren noch beschäftige. «Gerade bei so einem Fall, der die Menschen immer noch so bewegt, kann es doch nicht sein, dass die Staatsanwaltschaft alles vernichtet und man Hinweisen nicht mehr richtig nachgeht», so Beutler.
Auch Kriminologen haben kein Verständnis. Für den deutschen Tatortanalytiker Axel Petermann, der den Fall studiert hat, ist klar: «Hier gibt es zwei Opfer und Angehörige, die ein Recht haben, zu erfahren, wer der Täter ist.» Er verstehe deshalb nicht, warum alles vernichtet worden sei.
Strafrechtsprofessor Martin Killias weist noch auf einen anderen Punkt hin: «Ich finde die Vernichtung von Spuren generell fragwürdig, auch weil man so ein Fehlurteil nie entdecken kann.» Dass in den USA viele Fehlurteile noch nach etlichen Jahren aufgedeckt werden, liege eben auch daran, dass man dort die Spuren generell viel länger aufbewahre als in Europa.