«Nestlé lässt uns verarmen»: Nescafé Cocoa Plan in der Kritik

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Billig-EinkaufspolitikKaffeebauern fordern bessere Bezahlung: «Nestlé lässt uns verarmen»

Der Nahrungsmittelriese zahle Preise, die unter den Produktionskosten liegen, klagen Bäuerinnen und Bauern. Ihnen droht eine extreme Armut.

Rund 200 Bäuerinnen und Bauern in Mexiko demonstrieren gegen Nestlé.
Sie blockieren Strassen und zünden Säcke mit Kaffeebohnen an.
Die Demonstranten fordern eine bessere Bezahlung. Derzeit bekämen sie weniger als die Produktionskosten.
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Rund 200 Bäuerinnen und Bauern in Mexiko demonstrieren gegen Nestlé.

Damian Sanchez / Public Eye

Nestlé-Proteste: Darum gehts

  • Bäuerinnen und Bauern in Mexiko sind sauer auf Nestlé.

  • Sie sagen, sie bekämen weniger Geld für den Kaffee als im Vorjahr, obwohl die Preise am Markt stiegen.

  • Eine NGO warnt vor drastischen Folgen.

Der Nahrungsmittelriese Nestlé erzielt jährlich Milliardengewinne. Zur wichtigsten Produktkategorie gehört Kaffee mit seinen vielen Marken wie Nescafé und Starbucks.

Nestlé ist die Nummer eins im globalen Kaffeegeschäft und will auch ethisch Branchenführer sein: Ab 2025 soll Nestlés Kaffee zu 100 Prozent aus verantwortungsvoller Produktion stammen. Seit über zehn Jahren verspricht der Nescafé-Plan den Kaffee-Produzenten zudem mehr Einkommen.

Doch den am Nestlé-Nachhaltigkeitsprojekt beteiligten Bauernfamilien in Mexiko zahlt Nestlé Preise, die sogar unter den Produktionskosten liegen, wie eine Recherche der NGO «Public Eye» zeigt. Obwohl die Preise am Kaffeemarkt regelrecht explodiert sind, zahlt Nestlé real noch weniger als vor einem Jahr. «Wir leben vom Kaffee, wir haben Familien zu ernähren! Aber mit dem Preis, den uns Nestlé zahlt, geht die Rechnung nicht auf», zitiert die NGO einen Bauern.

Nescafé Cocoa Plan

Nestlé

Flächendeckende, extreme Armut

Die Folge für die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sei flächendeckende und zum Teil extreme Armut. Viele gerieten in eine Schuldenspirale mit verheerenden Folgen von unzureichender Gesundheitsversorgung über fehlende Bildungschancen bis zu saisonaler Mangelernährung. Auf den zumeist kleinen Farmen sei auch Kinderarbeit ein Problem.

Im mexikanischen Chiapas protestierten zuletzt rund 200 verzweifelte Bäuerinnen und Bauern gegen die tiefen Einkaufspreise. Sie blockierten die Strasse von Tapachula mit brennenden Kaffesäcken, dem Hauptort der Kaffeeregion Soconusco.

Proteste gegen Nestlé in Mexiko.

Public Eye

«Nestlé – Unternehmen ohne Ethik, lässt Chiapas verarmen» steht auf einem Banner. «Nescafé Plan – pure Lüge!», ruft ein Bauer, der zuvor in Nescafé-Werbevideos auftrat und von dem Nachhaltigkeitsprogramm schwärmte, das unter anderem Schulungen bot.

«Faktisch sind wir Sklaven von Nestlé»

Doch dafür habe er von der Kaffeesorte Arabica auf die widerstandsfähigere Robusta umstellen müssen, die qualitativ minderwertig sei und entsprechend geringere Preise erziele. Seither seien die Bauern von Nestlé abhängig, weil sonst kaum jemand die Sorte kaufe. Zudem gebe es mit den Setzlingen praktisch keine Früchte ohne Dünger, den sich aber viele nicht leisten könnten. «Faktisch sind wir Sklaven von Nestlé», sagt ein Bauer.

Nestlé verspreche umgerechnet sechs Rappen mehr pro Kilo Kaffeebohnen für die am Programm teilnehmenden Bäuerinnen und Bauern. Doch das sei nur Theorie, weil die Einkäufer den Preis mittels Qualitätsbeanstandungen wieder drücken würden.

Die betroffenen Bauernfamilien befürchteten, dass Nestlé die aggressive Billig-Einkaufspolitik noch verschärfen wird, dazu drohe die Ernte wegen der aktuellen Trockenheit noch schlechter auszufallen als dieses Jahr. Sie lancierten gerade eine Petition. Public Eye fordert, dass die Schweiz bei Annahme des EU-Konzernverantwortungsgesetzes Gesetzeslücken schliesst. So müssten Unternehmen wie Nestlé im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten das Recht auf existenzsichernde Einkommen respektieren.

Das sagt Nestlé

Nestlé in Mexiko verwies die Bäuerinnen und Bauern an die lokalen Zwischenhändler. Diese hätten aber keine Preissetzungsmacht. Auf Anfrage von 20 Minuten heisst es bei der Nestlé-Zentrale, der Kaffeepreis werde auf dem Handelsmarkt festgelegt. Nestlé zahle wettbewerbsfähige Preise, sagt eine Sprecherin.

Nestlé Mexiko habe mit verschiedenen Parteien an Arbeitstreffen teilgenommen und an Lösungen gearbeitet, die allen Akteuren der Kaffeewertschöpfungskette zugutekommen. Diese wolle Nestlé nun vorantreiben.

Der Nescafé Plan helfe den Kaffeebauern, ihre Produktivität zu steigern, ihre Produktionskosten zu optimieren und ihre Einkommensquellen zu diversifizieren. Im Rahmen des Programms gebe es eine Prämie für verantwortungsvoll angebauten Kaffee und für die Qualität.

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