Strafgericht Basel-StadtKein Nein – profitierte der Beschuldigte vom «alten» Sexualstrafrecht?
Ein junger Mann soll eine zum Tatzeitpunkt 15-Jährige vergewaltigt haben. Das Gericht schenkte seinen Aussagen aber mehr Glauben, zudem hatte die Klägerin den Sex nicht erkennbar abgelehnt.
Darum gehts
Bei einer über Snapchat erfolgten Verabredung soll in Basel ein schweres Sexualdelikt verübt worden sein.
Der Beschuldigte bestritt dies. Der Sex sei zwar grob, aber einvernehmlich gewesen.
Das Gericht folgte seiner Version. Die Klägerin habe zu viele widersprüchliche Aussagen zum Tatgeschehen gemacht.
Kennengelernt hatten sich der damals 21-Jährige und das 15-jährige Mädchen auf Snapchat. Der Kontakt kam über eine gemeinsame Bekannte zustande. Er lud sie im März 2021 zu sich ein, um ihr seine Hanfpflanzen zu zeigen, doch eigentlich hatte er etwas anderes im Sinn. In der Wohnung habe er sich in sexueller Absicht genähert. Gemäss Anklage hatte er in der Folge gegen ihren Willen und mit Gewalt mehrfach und brutal den Geschlechtsverkehr erzwungen, während sie unter Schockstarre stand.
Er stritt aber stets ab, dass der Geschlechtsverkehr erzwungen war. Und das Gericht sprach ihm am Donnerstag vom Hauptvorwurf der Vergewaltigung und mehrfachen sexuellen Nötigung frei. Es sei eine klassische Aussage gegen Aussage Situation, so Gerichtspräsident Markus Hofer. «In den Aussagen der Klägerin bestehen insgesamt zu viele und zu grosse Differenzen» führte er aus. Obschon die Verteidigung bei den Befragungen der Teenagerin «an die Grenzen des Zumutbaren» gegangen sei. Ihre Aussagen hätten aber den Eindruck hinterlassen, dass sie das Geschilderte gar nicht erlebt habe.
Das Nein muss unzweideutig erfolgen
Der entscheidende Punkt sei aber, dass unklar blieb, wann und wie sie dem Beschuldigten mitgeteilt haben soll, dass sie keine sexuellen Handlungen wollte. «Der Wille kein Geschlechtsverkehr zu wollen, muss unzweideutig erfolgen», so Hofer mit Verweis auf ein Leiturteil des Bundesgerichts.
Zudem hatte die Klägerin dem Beschuldigten vor der Verabredung entsprechende Bilder geschickt, so dass beide davon ausgehen mussten, dass es beim Treffen zu Sex kommen soll oder kann.
Ganz ungeschoren kam der heute 23-Jährige aber nicht davon. Wegen Übertretungen des Betäubungsmittelgesetztes und Tätlichkeiten – er hatte die Klägerin beim Sex geschlagen und gewürgt – gab es eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 30 Franken. Das solle ein Schuss vor den Bug sein, redete ihm Hofer ins Gewissen. Dass er beim Sex «egoistisch und gewalttätig» war, hatte er eingestanden.
Und wenn «Nur Ja ist ein Ja» gegolten hätte
Die Frage bleibt, ob das Gericht zu einem anderen Schluss gekommen wäre, wenn die Zustimmungslösung gegolten hätte, die in der Revision des Sexualstrafrechts gefordert wird. Dazu wollten sich weder die Staatsanwältin noch die Vertreterin der Klägerin auf die Äste hinaus lassen. Sehr wohl fehlte im vorliegenden Fall zwar die klare Zustimmung der Teenagerin, aber die Krux liegt darin, vor Gericht den Schuldbeweis zu erbringen. In Bezug auf die Version der Klägerin sagte Gerichtspräsident Markus Hofer: «Die Zweifel sind zu gross.» Und im Zweifel hätte auch bei der «Nur Ja ist Ja»-Regel zu Gunsten für Angeklagten entschieden werden müssen.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen