Folgen der Minarett-InitiativeKeine klare Haltung zu einem Burka-Verbot
Die Parteien zögern bei der Frage eines Burka-Verbots: Die CVP-Fraktion will sich nicht hinter den Parteipräsidenten stellen, der ein Verbot des Ganzkörperschleiers fordert. Die Sozialdemokraten wiederum wollten sich nicht von einem solchen Verbot distanzieren.
Es war kein Triumph für CVP-Präsident Christophe Darbellay: Die Fraktion seiner Partei verweigerte ihm am Dienstagnachmittag die Unterstützung für ein Burka-Verbot. «Wir haben eine erste Diskussion geführt», sagt er. In einer Woche will die Fraktion weiter über ein Massnahmenpaket gegen eine Islamisierung diskutieren. «Das Burka-Verbot ist dabei immer noch ein Thema», sagt Darbellay. Doch parteiintern stösst er auf Kritik — und das ausgerechnet von Frauen, für deren Rechte er sich mit seinem Vorstoss einsetzen will. «Die Burka ist wieder ein Phantom-Problem wie das Minarett», sagt CVP-Nationalrätin Kathy Riklin (ZH). Sie glaubt nicht, dass die Fraktion eine entsprechende Verbots-Motion einreichen wird, sondern dass dies Christophe Darbellay als Einzelperson tun wird. Nicht vorbehaltlos hinter einem Burka-Verbot steht auch Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP/ZH): «Dieses Thema hat für mich keine Priorität.»
Jahrelanger Kampf für Burka-Verbot
Dass Darbellay eine Motion für ein Burka-Verbot einreichen wird, ist für ihn klar: «Ich werde das bis Ende der Session machen, das habe ich mehrmals gesagt.» Tatsächlich ist das Verbot der Ganzkörperverschleierung ein altes Anliegen des CVP-Präsidenten. Bereits vor drei Jahren hat er den Bundesrat in einer Interpellation gefragt, wie er zu einem Verbot der Burka stehe. «Aus föderalistischen und grundrechtlichen Motiven erwägt der Bundesrat keine Massnahmen gegen das Tragen von Burkas im öffentlichen Raum», lautete die Antwort. Doch Darbellay liess nicht locker: Im Juli diesen Jahres kündigte er einen Vorstoss in der Herbstsession an. Dazu kam es nicht. Seine Absicht bekräftigte er aber am Sonntag der Minarett-Verbots-Abstimmung.
Noch keinen klaren Positionsbezug gibt es auch bei der SP. Dort hatten sich einige Frauen dahingehend geäussert, dass sie möglicherweise ein Burka-Verbot unterstützten. Deshalb wollte Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) einen Entscheid und stellte in der Fraktion den Antrag, dass die Sozialdemokraten von einem Burka-Verbot distanzieren. Doch sie erlitt eine Niederlage. Eine klare Mehrheit der SP-Fraktion beschloss, das Thema an eine Arbeitsgruppe zu delegieren. «Es ist ein politischer Fehler, wenn man einen Positionsbezug verschleppt», sagt Leutenegger Oberholzer. Die SP überlasse das Thema den Grünen und den Bürgerlichen. «Vermutlich gibt es in der SP einige, die ein Burka-Verbot unterstützen», sagt sie. Sie habe entsprechende Signale erhalten.
Sympathien für Burka-Verbot selbst im Bundesrat
Nicht absolut gegen ein Burka-Verbot ist die SP-Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi (GE), doch derzeit brauche es keines. «Es gibt gar keine Burka-Trägerinnen in der Schweiz», sagt sie. Aber sie könne sich nicht vorstellen, dass eine Frau die Ganzkörperverschleierung freiwillig trage, sagt Roth-Bernasconi. «Deshalb finde ich die Burka menschenverachtend.» Unterstützung für ein mögliches Burka-Verbot hatte auch Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Vorfeld der Minarett-Initiative signalisiert. «Persönlich habe ich Mühe mit Burkas», sagte sie im Interview mit 20 Minuten Online. Doch da dies kaum Burka-Trägerinnen in der Schweiz gebe, sei es nur eine Stellvertreter-Diskussion. Diese Aussage bedeutet aber auch, dass bei einer steigenden Zahl von Ganzkörperschleiern ein Verbot vorstellbar wäre. Um eine klare Meinung zu erhalten, hat Leutenegger Oberholzer auch noch den Bundesrat angefragt, wie er ein Burka-Verbot rechtlich beurteile.
Während sich die Fraktionen um eine klaren Haltung zu einem Burka-Verbot drücken, wollen die befragten Politikerinnen eigentlich lieber eine echte Diskussion führen. «Wir müssen eine Islam-Debatte führen, bei der auch die Muslime den Dialog suchen müssen», sagt CVP-Nationalrätin Schmid-Federer. Sie setzt sich stark für ein Verbot der Genitalverstümmelung ein. Dies sei beispielsweise auf gutem Wege. Die Sozialdemokratin Roth-Bernasconi nennt als nötige Massnahme die Integration und Ausbildung von Ausländern. «Dazu muss die Politik mehr Mittel sprechen.» Denn es müsse in den Quartieren spezifische Projekte für Frauen geben. Als Beispiel nennt sie Basel, wo Sprachkurse auf Spielplätzen angeboten werden.