Alltag im KalifatKellogg's und Exekutionen zum Frühstück
Ex-Thaibox-Weltmeister Valdet Gashi befindet sich seit Monaten in Syrien im Kalifat. Gegenüber 20 Minuten schildert er seinen Alltag unter der Scharia.
Der zweifache Thaibox-Weltmeister Valdet Gashi, der drei IS-Teenager aus Winterthur trainiert hat, ist im Januar selbst nach Syrien zum IS gegangen. Uns gegenüber schildert er seinen Alltag. Er befindet sich vermutlich in der vom IS kontrollierten Stadt Manjib. Sein Empfang dort sei sehr professionell gewesen.
Gashi beantwortet alle Fragen. Und aufgrund seiner Schilderungen könnte der Eindruck entstehen, der Profi-Sportler befinde sich im harmlosen Abenteuer-Urlaub statt im Heiligen Krieg. Die Parole lautet: Alles bestens.
Aussagen mit Vorsicht zu geniessen
Der Mailverkehr mit dem IS-Mitglied wurde vom Genfer Zentrum für Terrorismus-Analyse, einer privaten Schweizer Forschungsstelle, analysiert und beurteilt. Die Experten gehen davon aus, dass sämtliche Antworten von Medienexperten des Islamischen Staates gegengelesen – und zum Teil umgeschrieben worden sind.
Ebenfalls zu beachten: Die meisten Angaben von Gashi sind laut den Experten eindeutig beschönigend. Zwar mögen sie einzelne Einblicke in den IS-Alltag geben – doch gebe es etwa starke Zweifel daran, dass es keine Lebensmittelengpässe gibt. «Diese Passage macht definitiv stutzig», sagt Experte Jean-Paul Rouiller. Zudem bezeichnet Rouiller die gezielte Erwähnung westlicher Produkte als Propaganda des IS. Damit wolle man westliche Sympathisanten nach Syrien locken.
Gashi geht es um seine eigene Stellung im IS
Extremismus-Experte Samuel Althof sieht in den Antworten den Versuch, Jugendliche für den IS zu interessieren. «Gashi stellt alles als hip und cool dar.» Er verharmlose die Arbeit beim IS, als sei es ein Urlaub. Dazu gehöre auch, dass Gashi den Krieg so darstelle, als befände er sich in einem harmlosen Videospiel. In seinem Bericht werde alles durch eine rosarote Brille betrachtet: «Dabei blendet Gashi das enorme Leid aus, das er mitverursacht.»
Althof hatte selbst Kontakt mit Gashi. Er ist überzeugt, dass der Thai-Boxer vor allem eigene Ziele verfolgt. «Die Berichte können seine Stellung innerhalb des IS festigen – er zumindest versucht dies.» In der Whatsapp-Konversation habe Gashi folgende Aussagen gemacht: «Ich habe alle Journalisten genutzt, wie ich es geplant habe.» Und er fügt an: «Und jetzt kann ich mich in Ruhe zurücklehnen und warten, wie immer mehr Freunde und Bekannte hier ankommen.»
Gashis Erzählung
Die Geschichte, die Gashi erzählt, beginnt mit seinem Grenzübertritt nach Syrien: Man habe die Personalien aufgenommen, ein paar Fragen gestellt und ihm sogar Blut abgenommen, um ihn auf gefährliche Krankheiten zu testen. Mit ihm seien rund zwanzig weitere Männer – Kosovaren, Marokkaner, Engländer und Franzosen – über die Grenze gekommen. Am Anfang bekomme man eine kurze Ausbildung in allem, «wenn man aber nicht kämpfen will, wird man nicht dazu gezwungen».
Der Lebensstandard sei besser, als er es erwartet hatte. Nur die Stromversorgung funktioniere noch nicht 24 Stunden pro Tag. In den Häusern gebe es aber überall fliessend Wasser und eine funktionierende Infrastruktur mit Küchen und Toiletten. Gashi arbeite am Euphrat als Grenzwächter und trage eine Waffe, von der er aber noch nie Gebrauch machen musste. «Wir helfen Zivilisten, sicher über den Euphrat zu kommen.» Der Euphrat sei die Grenze zwischen dem Kalifat und dem kurdisch kontrollierten Gebiet.
Arbeit macht Spass, wie im Urlaub
Es gebe Personenkontrollen und hie und da würden Schmuggler daran gehindert, «im Kalifat etwas zu tun». Gashi arbeitet acht bis neun Stunden pro Tag, meist an fünf Tagen die Woche.
Seine Arbeit sei aber überhaupt nicht anstrengend. «Sie macht Spass, ich sehe alles als Freizeit.» Denn während er alles beobachte, stehe er meist im Euphrat zum Abkühlen. «Ich habe sogar einen Sonnenbrand, wie man es aus den Ferien kennt.»
Es gibt alles, selbst Milchschnitten und Kellogg's
Als Angestellter des Kalifats erhalte er die Wohnung und das Essen gratis. Kleidung und was er sonst benötige, könne er beantragen. Dazu bekomme er extra noch ein bisschen Geld. Die Höhe der Beträge sei jeden Monat unterschiedlich.
Die Versorgung sei gut: «Wir haben hier alles, was man auch aus Deutschland kennt.» Selbst Milchschnitten oder Kellogg's gebe es. «Es hat mehr Auswahl, als man braucht.» Nur hie und da gebe es einen bestimmten Artikel nicht, aber es gebe dann Ähnliches als Ersatz.
«Auch Kinder schauen bei Hinrichtungen zu»
Auf kritische Fragen zu den öffentlichen Hinrichtungen wird Gashi ausweichend. Man lebe sehr friedlich zusammen, betont er. Hinrichtungen seien selten. «Dies passiert nur bei grossen Vergehen wie Mord, Vergewaltigung oder Abtrünnigkeit, die gemäss der Scharia den Tod verlangen.» In solchen Fällen gebe es ein rechtsgültiges Urteil und niemand habe Mitleid oder empfinde Abscheu, «sogar Kinder schauen zu und keiner hat ein Problem damit».
Gashi sagt, das Leben im Kalifat mache ihn glücklich. «Ich bin sehr froh, nicht mehr in Europa zu sein.» Hier könne er nach den Regeln der Sharia leben und den Islam richtig praktizieren. Einzig seine Familie, insbesondere seine Mutter und seine zwei kleinen Töchter, vermisse er.