Schweizer Start-up modernisiert Küchen in Afrika

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KlimagerechtigkeitWarum ein Schweizer Start-up Küchen in Afrika renoviert

Climate Gains renoviert Küchen in Afrika. Die Klimaprojekte werden digital aus der Schweiz gesteuert – «ein bisschen wie einen Dialog auf Tiktok», sagt Gründer Tim Reutemann.

Tim Reutemann renoviert mit Climate Gains Küchen im ländlichen Afrika.
«Im ländlichen Afrika machen Küchen gemäss international anerkannten Zahlen die Hälfte der Pro-Kopf-Emissionen aus», erklärt Tim Reutemann. Es gibt mehrere Hunderttausend Schulküchen ohne ordentliche Kochstellen.
Climate Gains möchte mehrere Tausend Schulküchen in Ghana und Uganda renovieren.
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Tim Reutemann renoviert mit Climate Gains Küchen im ländlichen Afrika.

ClimateGains AG

Darum gehts

Tim Reutemann erforscht die interkontinentale Klimazusammenarbeit mit einem Fokus auf Digitalisierung. Mit dem Projekt Climate Gains saniert er Küchen in verschiedenen afrikanischen Staaten – und möchte damit zu den sogenannten «Internationally Transferred
Mitigation Outcomes» der Schweiz beitragen.

Herr Reutemann, was bitteschön sind «Internationally Transferred
Mitigation Outcomes» (ITMO)?

In der Klimapolitik gibt es viele lustige Begriffe, die sich auch immer wieder ändern. Die ITMOs sind im Prinzip Klimabonuspunkte, mit denen sich verschiedene Länder gegenseitig für den Klimaschutz belohnen. Diese Punkte bekommt man für Klimaschutzprojekte, die mit Schweizer Geld bezahlt werden, aber in einem anderen Land passieren. Die Schweiz hat sich verpflichtet, bis ins Jahr 2030 40 Millionen dieser ITMOs zu kaufen.

Wird sie das schaffen?

Das bleibt abzuwarten. Laut CO₂-Gesetz sind die Tankstellenbetreiber verpflichtet, diese Punkte zu kaufen. Bis heute, also der Halbzeit der Abrechnungsperiode 2020–2030, wurde noch nicht einmal ein Zehntausendstel der nötigen ITMOs in der Schweiz gekauft. Vermutlich muss der Steuerzahler am Schluss einspringen, aber auch dafür wird die Zeit allmählich knapp.

Und weshalb müssen die Projekte für diese Klimabonuspunkte im Ausland stattfinden?

International ist das Verständnis so: Länder, die während des fossilen Booms der letzten dreihundert Jahre besonders viel Vermögen angehäuft haben, sollen ITMOs kaufen. Länder, die arm aus diesem Zeitalter hervorgehen, sollen welche verkaufen dürfen. Das macht Sinn, denn nationale Vermögen korrelieren sehr direkt mit der historischen Verantwortung für den Klimawandel. Gleichzeitig gibt es gerade in Afrika nahezu keine historische Verantwortung für Emissionen und noch sehr viel technische Ineffizienzen, die sich mit relativ wenig Geld beheben lassen.

Sie betreiben selbst ein solches ITMO-Projekt. Mit Climate Gains renovieren Sie Küchen in Ghana und anderen afrikanischen Ländern. Was haben Küchen mit Klimaschutz zu tun?

Kochen ist eine der grösseren Emissionsquellen in ärmeren Ländern: Im ländlichen Afrika machen Küchen gemäss international anerkannten Zahlen die Hälfte der Pro-Kopf-Emissionen aus. Unser Fokus liegt auf Schulküchen – da werden Unmengen an Holz an einem Ort verbrannt. Es gibt mehrere Hunderttausend Schulküchen ohne ordentliche Kochstellen.

Mit unserer Hilfe bei der Planung und Konstruktion neuer Öfen können wir innert weniger Wochen die Hälfte des Holzverbrauchs einsparen. In einem zweiten Schritt können wir die Küchen mit einer Kombination aus Solarenergie und lokal angebautem Brennmaterial auch 100 Prozent klimaverträglich machen.

In diesem Prozess kommt eine App zum Einsatz, die Sie mit Tiktok vergleichen.

Richtig. Wir haben eine App gebaut, über die jemand aus der Schweiz Geld schickt und jemand aus unseren Zielländern Videos vom Fortschritt beim Bau der Küche. Man kann es sich ein bisschen vorstellen wie einen Dialog auf Tiktok, nur mit einem Skript, in dem bestimmte Inhalte in den Videos verlangt werden und mit Geld vergolten werden, sobald die Videos in der Schweiz «gelikt» werden. Das Skript fängt mit Videos von der alten Küche vor der Renovation an und geht bis zur regelmässigen Nutzung der neuen.

Und wer erhält dieses Geld?

Neue Partner finden wir in sozialen Netzwerken – sowohl online als auch z. B. in den persönlichen Netzwerken der diversen Jugenddelegationen an den internationalen Klimakonferenzen. Vanessa Nakate, die erste Partnerin aus Uganda, und ich hatten uns online kennen gelernt. Sie ist inzwischen auf dem ganzen Kontinent extrem gut vernetzt. Typischerweise beginnen wir die Zusammenarbeit mit neuen Partnern mit diesem Deal: «Mach ein Video, in dem du uns alle Kochstellen in der Schulküche zeigst und führe Interviews mit den Köchinnen und der Schulleitung. Dann kriegst du 300 CHF.»

Ist dieses Vorgehen wirklich sicher?

Normalerweise müssen wir etwa die Hälfte der Kosten für die Küche vorstrecken. Die zweite Hälfte wird gezahlt, sobald die fertige Küche von den Köchinnen abgenommen wurde. Als ich zum ersten Mal Geld vorgestreckt hatte, war mir schon etwas mulmig zu Mute: Hatte es nicht mal geheissen, es sei dumm, Tausende von Franken an Leute in Afrika zu schicken, die man nur aus dem Internet kennt? Aber der Prozess hat bislang immer funktioniert. Er ist so gestaltet, dass alle Beteiligten profitieren, wenn sie fair spielen. Die Videos haben zudem den Vorteil, dass es sehr aufwendig ist, sie zu fälschen. Schummeln lohnt sich also nicht.

Was sind die nächsten Schritte für Climate Gains?

Sobald unser erstes Projekt vom Bund mit dem ITMO-Stempel versehen wird, wollen wir ein Crowdinvest anbieten und so unsere ersten Schritte skalieren. Aktuell läuft auch unser erster Antrag auf ein Grossprojekt, das den Umbau von 1000 Schulküchen in Ghana umfasst. Auch ein erster Antrag in Uganda kommt bald. Im besten Fall können wir so bis 2030 etwa fünf Millionen der 40 Millionen benötigten ITMOs beisteuern. Man kann uns aber auch schon jetzt mit Kleinspenden via GoFundMe unterstützen.

Am 27.3.2025 um 18.15 Uhr präsentiert Climate Gains ihre Arbeit in Zürich. Die Veranstaltung wird auch online übertragen. Zur Anmeldung.

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