Kommt die kleine Schweiz beim Corona-Impfstoff zu kurz?

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Verhandlungen mit PharmafirmenKommt die kleine Schweiz beim Corona-Impfstoff zu kurz?

Die USA oder die EU haben im Run auf den Impfstoff längst zugeschlagen und Vorkaufsrechte gesichert. Experten raten der Schweiz, ebenfalls mit mehreren Herstellern Verträge abzuschliessen.

Die Schweiz steht laut dem BAG kurz vor dem Abschluss eines Kaufvertrags für einen Coronavirus-Impfstoff mit der US-Biotechfirma Moderna.
Das sagte BAG-Direktor Pascal Strupler am Dienstag in der SRF-Sendung «Club».
Andere Staaten haben derweil schon länger Verträge mit Firmen über Impfstoffe abgeschlossen.
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Die Schweiz steht laut dem BAG kurz vor dem Abschluss eines Kaufvertrags für einen Coronavirus-Impfstoff mit der US-Biotechfirma Moderna.

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Darum gehts

  • Die Schweiz will beim sich bei Moderna einen Impfstoff sichern.
  • Andere Staaten haben sich schon früher Vorkaufsrechte gesichert.
  • Firmen seien erst einmal daran interessiert, mit den grossen Ländern einen Vertrag abzuschliessen, sagt ein Experte.

Die Schweiz steht laut dem BAG kurz vor dem Abschluss eines Kaufvertrages für einen Coronavirus-Impfstoff mit dem US-amerikanischen Unternehmen Moderna. Dieses arbeitet mit dem Schweizer Pharmalieferanten Lonza zusammen. Andere Staaten haben derweil schon länger Verträge mit Firmen über Impfstoffe abgeschlossen: So hat in den letzten Wochen allein die US-Regierung insgesamt 7 Milliarden Dollar an verschiedene Firmen gesprochen. Das Ziel: Im Januar will Trump 300 Millionen Impfdosen zur Verfügung haben.

Auch die EU unterzeichnete schon Mitte Juni einen Vertrag mit Astra Zeneca und der Oxford University, der allen Mitgliedern der Gemeinschaft Zugang zu 400 Millionen Impfdosen sichern soll.

Hat die Schweiz im Rennen um den Impfstoff also das Nachsehen? 20 Minuten beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum hat die Schweiz nicht früher einen Vertrag unter Dach und Fach?

«Wegen dem internationalen Wettbewerbsdruck wollen sich alle Staaten den Impfstoff möglichst früh sichern», sagt Gesundheitsökonom Willy Oggier. «Daher sind die Firmen erst einmal daran interessiert, mit den grossen Ländern einen Vertrag abzuschliessen. Die Schweiz hingegen ist ein kleines Land und nicht zuoberst auf der Prioritätenliste.» Auch habe Moderna seinen Sitz in den USA, weshalb Donald Trump dort den Wettbewerbsvorteil habe. BAG-Direktor Pascal Strupler sagte jedoch, ein Vertrag mit Moderna könnte es der Schweiz ermöglichen, die Impfung vor anderen Ländern einzusetzen.

Wird die Schweiz im Rennen um den Impfstoff den Kürzeren ziehen?

Laut Oggier ist die Schweiz für die Firmen zwar nicht wegen ihrer Grösse interessant, aber wegen seiner Kaufkraft. Daher sei sie in den Verhandlungen im «guten vorderen Mittelfeld» positioniert. Auch Manfred Kopf, Mitglied der Covid-Taskforce des Bundes, findet nicht, dass die Schweiz bei einer allfälligen Unterzeichnung des Vertrags zu spät gehandelt habe. «Sofern sich der Bund nun entschliesst, einen Vertrag mit Moderna abzuschliessen, ist das jene Firma, die in der Impfentwicklung sehr weit fortgeschritten ist.» Der Impfstoff könnte laut Kopf Anfang nächstes Jahr bereit sein.

Was soll die Schweiz jetzt tun?

In der jetzigen Phase ist laut Willy Oggier vor allem Verhandlungstaktik gefragt. «Man muss dafür mehrgleisig fahren und mit mehreren Firmen Vertragsverhandlungen führen.» Der Impfstoff könne in der letzten Testphase immer noch scheitern. Für die Bevölkerung sei es entscheidend zu wissen, ob man bald einen Impfstoff zur Verfügung habe. Manfred Kopf ergänzt: «Beim Covid-Impfstoff ist es sehr wichtig, dass er sicher getestet ist. Wir würden nicht gut daran tun, wenn wir einen Impfstoff einfach fahrlässig durchwinken würden.»

Covax-Initiative

Den Run der Staaten auf die Corona-Impfstoffe soll die sogenannte Covax-Initiative bremsen. An dieser beteiligt sich auch die Schweiz. Sie sieht eine faire Verteilung eines Impfstoffs vor: Sowohl reiche Länder als auch Entwicklungsländer sollen schnell mit einem zugelassenen Impfstoff versorgt werden. Im Kampf um den Impfstoff könne sich die Schweiz gut positionieren, sagte Patrick Mathys, Leiter Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit beim BAG, am Mittwoch. Und: «Dass die Impfstoffverteilung am Schluss nicht vollständig gerecht ist, davon müssen wir leider ausgehen.»

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