Kontaktloses Bezahlen wird zum Trinkgeld-Killer

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GastronomieKontaktloses Bezahlen wird zum Trinkgeld-Killer

Schnell die Karte hinhalten und gehen: Wer im Restaurant kontaktlos bezahlt, ist zwar schnell – gibt dafür aber oft kein Trinkgeld. Gastromitarbeiter erzählen.

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dv/rkn
Gastronomieangestellte erhalten seltener Trinkgeld, wenn Kunden kontaktlos bezahlen.
Ein Serviceangestellter, der seit 13 Jahren in der Gastronomie arbeitet, sagt zu 20 Minuten, er erhalte bei solchen Zahlungen geschätzt rund halb so viele Trinkgelder wie sonst.
Gault-Millau-Chef Urs Heller hört davon zum ersten Mal. Er findet jedoch, Trinkgeld sei so oder so angebracht, unabhängig davon, ob man die Rechnung nun mit Bargeld oder Karte bezahle: «Meine Empfehlung: Trinkgeld immer in bar hinlegen, auch wenn man mit der Kreditkarte bezahlt. Ist irgendwie chicer.»
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Gastronomieangestellte erhalten seltener Trinkgeld, wenn Kunden kontaktlos bezahlen.

Martin-dm

Ob man im Restaurant noch ein paar Münzen liegen lässt oder beim Bezahlen einfach auf das Rückgeld verzichtet – es gibt viele Arten, wie Gäste dem Servicepersonal noch einen kleinen Zustupf geben können. Eine technische Neuerung macht den Gastronomieangestellten allerdings zu schaffen: Sie erhalten seltener Trinkgeld, wenn Kunden kontaktlos bezahlen.

Die kontaktlose Zahlungsmethode wirke sich negativ auf Trinkgelder aus, sagt etwa Livio Notaro zu 20 Minuten. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung der Firma Raumzuerich, die verschiedene Lokale betreibt. Wer nur das Kärtli hinhalte, wolle nicht auch noch von Hand ein Trinkgeld ins Zahlterminal eingeben müssen.

Nur halb so viel Trinkgeld

Ein Serviceangestellter, der seit 13 Jahren in der Gastronomie arbeitet, sagt zu 20 Minuten, er erhalte bei solchen Zahlungen geschätzt rund halb so viele Trinkgelder wie sonst. «Ich spüre das», so der Angestellte, der anonym bleiben möchte. Das Trinkgeld sei für ihn eine Motivation im Job. Es versüsse ihm etwa die Tatsache, dass er in den vergangenen zehn Jahren über Weihnachten arbeiten musste, statt zu Hause bei der Familie zu sein.

Dem Berufsverband Hotel & Gastro Union (HGU) ist dieses Problem nicht bekannt, wie ein Sprecher des Verbands zu 20 Minuten sagt. Auch Gault-Millau-Chef Urs Heller hört davon zum ersten Mal. Er findet jedoch, Trinkgeld sei so oder so angebracht, unabhängig davon, ob man die Rechnung nun mit Bargeld oder Karte bezahle: «Meine Empfehlung: Trinkgeld immer in bar hinlegen, auch wenn man mit der Kreditkarte bezahlt. Ist irgendwie chicer.» Und: Beim Service dürfe man sich ruhig auch bedanken. «Engagierte Servicemitarbeiter machen die Stunden im Restaurant schliesslich angenehmer», so Heller.

Zahlen Sie im Restaurant oder an der Bar Trinkgeld? Auch wenn Sie ohne Bargeld bezahlen? Warum oder warum nicht?

Personal speziell geschult

Manche Lokale ergreifen Massnahmen: In der Bar 63 in Zürich etwa wird das Personal speziell geschult, wie Mitinhaber Jonas Schwarz zu 20 Minuten sagt. Die Angestellten würden dem Kunden den Betrag mitteilen und dann kurz abwarten und Augenkontakt suchen. «Immer öfter rundet der Kunde dann den Betrag auf», so Schwarz.

Laut dem Manager ist nicht nur das kontaktlose Bezahlen problematisch: «Unsere Erfahrung ist, dass bei Kartenzahlungen allgemein weniger Gäste Trinkgeld geben.» Manche Kunden geben auch bei Kartenzahlungen «ganz altmodisch» Bargeld als Trinkgeld, wie Livio Notaro von Raumzuerich sagt. Das geschehe aber viel seltener als bei anderen Zahlungsarten.

Weitere Branchen betroffen

Auch bei Taxifahrten ist ein Trinkgeld in der Schweiz durchaus üblich – jedoch nur bei Gästen, die bar bezahlen. «Wer mit Karte bezahlt, gibt nur selten Trinkgeld. Und wer kontaktlos bezahlt, so gut wie nie», sagt Georges Botonakis, Sprecher des Taxiverbands Zürich. «Früher erhielten Taxifahrer in Zürich 20 bis 50 Franken Trinkgeld pro Tag.» Heute seien es noch fünf bis 20 Franken pro Tag.

Weniger betroffen sind Coiffeure. Da die meisten Transaktionen über 40 Franken kosten, sei das kontaktlose Zahlen in dieser Branche kaum ein Thema, heisst es auf Anfrage von 20 Minuten bei verschiedenen Salons. Kunden würden nach wie vor etwa gleich häufig Trinkgeld geben.

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