Krankenkassenprämien«Geldmaschine»: Arzt rechnet 26 Stunden pro Tag ab
Ein veraltetes Tarifsystem macht einige Ärzte reich und kostet die Prämienzahlenden Millionen Franken. Die Nachfolge ist allerdings auch nicht unumstritten.
Darum gehts
Ärzte verrechnen teilweise Arbeitszeiten, die kaum in einen Arbeitstag hineinpassen können.
Schuld daran soll das Tarifsystem (Tarmed) sein.
Ein neues Abrechnungssystem soll das Problem lösen.
Ein eifriger Neurologe arbeitete laut seiner Abrechnung ganze 6192 Stunden in einem Jahr. Auf 240 Arbeitstage gerechnet wären das knappe 26 Stunden pro Tag, die der Arzt gearbeitet haben soll. Die Krankenkassen und somit die Prämienzahlerinnen und -zahler kosten die abgerechneten Leistungen mehr als 1,3 Millionen Franken. Wie eine Untersuchung des «Tages-Anzeiger» zeigt, gibt es nebst dem Neurologen noch weitere eifrige Ärzte.
Wer den Medizinern eine betrügerische Absicht unterstellen will, mag verfrüht urteilen. Wie Verena Nold, Direktorin von Santésuisse, gegenüber der Zeitung erklärt, steckt dahinter ein veraltetes System: «Der Tarif für ambulante ärztliche Behandlungen (Tarmed) wurde vor 20 Jahren eingeführt und seither nie gesamthaft überarbeitet.» Untersuchungen würden nach wie vor mit der gleichen Dauer verrechnet wie 2004, obwohl sie mittlerweile deutlich schneller durchführbar seien. Nold spricht von einer «Geldmaschine» für einige Ärzte.
Handlungsbedarf
Urs Stoffel vom Zentralvorstand der Schweizer Ärztevereinigung FMH sagt gegenüber der Zeitung, dass kein einzelner Arzt und keine Ärztin durchschnittlich 23 oder sogar 24 Stunden pro Tag arbeiten könne. «Das sind schwarze Schafe, während Tausende Praxisärzte völlig korrekt abrechnen.» Für ihn liege das Problem nicht bei den Ärzten. Vielmehr verzögere das Gesundheitsministerium die Einführung eines neuen Tarifsystems.
Doch auch das neue Tarifsystem ist umstritten. SP-Ständerat und Mitglied der Gesundheitskommission Pierre-Yves Maillard befürchtet: «In zehn Jahren sind wir wieder am genau gleichen Punkt, die einzelnen Positionen sind veraltet und werden zu hoch vergütet.» Stattdessen wolle er mehr Transparenz und Kontrolle in der Abrechnung. «Ich will nicht alle Ärztinnen und Ärzte anprangern, aber die Missbräuche müssen systematisch und besser kontrolliert werden.»
Hattest du auch schon auffällig hohe Arztrechnungen?
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.