Kredit-Plattform macht Private zu Mini-Banken

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Uber-PrinzipKredit-Plattform macht Private zu Mini-Banken

Kredite statt Taxifahrten: Schweizer Plattformen verknüpfen private Geldgeber mit Kreditsuchenden. Ist das riskant?

K. Wolfensberger
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K. Wolfensberger

Wie beurteilen Experten das Crowdlending? Fabian Danko, Experte für Corporate Finance ZHAW School of Management and Law, nimmt Stellung im Video.

Ein neuer Kühlschrank, eine hohe Zahnarztrechnung oder ein Neuwagen: Die Gründe, warum Schweizer einen Kleinkredit aufnehmen, sind vielfältig. Bei klassischen Anbietern bezahlen sie dafür Zinssätze von bis zu 10 Prozent. Günstigere Kredite gibt es oft bei sogenannten Crowdlending- oder Peer-to-peer-Plattformen.

Es handelt sich dabei um einen neuen Trend aus dem digitalen Banking-Sektor. Wie der Name Crowd andeutet, verleiht dabei eine Menschengruppe oder auch eine Einzelperson über eine Plattform direkt Geld. Kreditnehmer sind andere Privatpersonen oder KMU. Die Plattform selbst ist keine Bank, sondern nur ein Vermittler, wie dies zum Beispiel die Taxi-App Uber oder der Bettenvermittler Airbnb sind.

Günstiger als klassische Anbieter

Schweizer Crowdlending-Anbieter sind beispielsweise die Firmen Cashare.ch, Lend.ch oder Creditgate24.ch. Letzter bietet Zinssätze ab 4,4 Prozent an. Zum Vergleich: Bei der Cembra Money Bank, einem klassischen Anbieter von Privatkrediten, geht es erst ab 7,95 Prozent los. Das zeigt: Die Kredite bei Crowdlending-Plattformen sind für Schuldner oftmals attraktiver als bei Banken.

Doch wie gross ist das Risiko? Grundsätzlich gilt bei Krediten: Wird der Gläubiger zahlungsunfähig, ist der Einsatz meist verloren. Damit es nicht so weit kommt, versuchen die Plattformen das Ausfallrisiko bei den Rückzahlungen zu minimieren und und strenge Regeln bei der Auswahl der Kreditnehmer zu setzen.

Bonitätsprüfungen

Dass dies so ist, bestätigt Christoph Mueller. Der CEO von Creditgate 24 sagt zu 20 Minuten, dass seine Plattform etwa 80 Prozent der Kreditanträge ablehne. Sein Unternehmen sei ausserdem der Zentralstelle für Kreditinformation (ZEK) angeschlossen. Vor Vermittlung eines Kredits würden daher immer Betreibungsinformationen über potenzielle Kreditnehmer abgerufen. «Jeder Kredit wird in Abhängigkeit des jeweiligen Risikoprofils ausserdem in eine von insgesamt sieben Ratingstufen zugeteilt», so Mueller weiter. Das erlaube den Kreditgebern, ihr Risiko präzise abzuschätzen. Im Todesfall sei ausserdem eine Restschuld von bis zu 100'000 Franken versichert.

Ähnliche Absicherungen gibt es bei der Konkurrenz, wie Lend.ch und Cashare.ch, die die meisten Kreditnehmer nicht nur im Todesfall, sondern auch gegen unverschuldete Arbeitslosigkeit oder Erwerbsunfähigkeit versichern. Zur weiteren Verminderung des Risikos gibt es bei Creditgate 24 ausserdem eine Solidaritätsvereinbarung, die laut Aussage des Anbieters einzigartig ist. Fällt ein Kredit aus, wird der Fehlbetrag proportional zu den jeweiligen Anlagesummen auf alle Anleger einer Ratingstufe verteilt.

Die Rendite, die die Geldgeber erwirtschaften können, fällt dabei je nach Risikobereitschaft unterschiedlich aus. Mit einem diversifizierten Portolio hätten Anleger – Mindestinvestition sind 500 Franken – bisher bei CreditGate24.ch knapp sechs Prozent Rendite erzielen können, so der Anbieter.

Grosses Potenzial

Allgemein wird den Crowdlending-Plattformen von Experten ein grosses Potenzial zugeschrieben. Rino Borini, Co-Founder der Finance-2.0-Konferenz, sagt, dass das Thema in der Schweiz erst am Aufkommen sei. «Doch die Wachstumsraten sind zweistellig und werden dies auch weiterhin bleiben», so der Fintech-Experte.

Allerdings dürfte es auf dem Markt bald zu einer Konsolidierung kommen. Grund: «Der Markt in der Schweiz ist zu klein für viele Anbieter.» Längerfristig überleben könnten die Plattformen nur, wenn sie ein hohes Kreditvolumen erreichten.

Zur Umschuldung geeignet?

Christoph Mueller von Creditgate 24 ist überzeugt, dass sich sein Angebot aufgrund der relativ tiefen Zinsen auch zur Umschuldung für verschuldete Personen eignet. Diese Aussage beurteilt Sébastien Mercier, Geschäftsleiter von Schuldenberatung Schweiz, allerdings kritisch. «51 Prozent der überschuldeten Haushalte, die wir beraten, haben sich durch Konsumkredite überschuldet.» Wer tatsächlich aus der Schuldenfalle herauskommen möchte, solle sich lieber von einer professionellen Beratung helfen lassen, statt sich Hals über Kopf in einen neuen Kredit hineinstürzen. (kwo)

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