ÜberbevölkerungKrieg der Initiativen
Die Umweltorganisation Ecopop und die Schweizer Demokraten wollen je mit einer Initiative die Zuwanderung beschränken – jedoch nichts miteinander zu tun haben.

Ecopop beginnt am Freitag mit dem Sammeln von Unterschriften für ihre Initiative «Stopp der Überbevölkerung».
Beinahe könnte man meinen, es handle sich um die gleiche Volksinitiative. Mit beiden wird die Schaffung eines neuen Artikels 73a der Bundesverfassung angeregt, der die Zuwanderung beschränken soll. Im Detail unterscheiden sich die Initiativen aber mindestens so stark voneinander wie die Initianten. Auf der einen Seite die unbedeutende Vereinigung Umwelt und Bevölkerung (Ecopop), welche ihr Anliegen als Raumplanungsinitiative versteht. Auf der anderen Seite die Schweizer Demokraten (SD) aus der rechten Ecke; sie sprechen von einer «ökologischen Überfremdungsinitiative».
Bei diesem Begriff, der an die Überfremdungsinitiative von 1970 anlehnt, sträuben sich bei den Ecopop-Verantwortlichen die Nackenhaare. Die Vereinigung, die bis vor wenigen Wochen kaum bekannt war, kämpft seit vier Jahrzehnten gegen das Rechtsaussen-Image der Gründerjahre. Sie ist alles andere als begeistert, dass ausgerechnet die Schweizer Demokraten mit einem ähnlichen Anliegen in Erscheinung treten. Ecopop-Mediensprecher Albert Fritschi räumt auf Anfrage von 20 Minuten Online zwar ein, dass bei beiden Initiativen das Thema das gleiche sei: «Eine gegenseitige, geistige Befruchtung hat es jedoch nicht gegeben.»
Die SD gäben sich neuerdings zwar sehr grün, sagt Fritschi. Eine Zusammenarbeit sei jedoch undenkbar. «Politisch wäre das unser Tod.» Ecopop habe schon seit einem Jahr an der Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» gearbeitet, als im Januar bekannt wurde, dass auch die Schweizer Demokraten eine Initiative «in diese Richtung» planten. Um sich von Rechts nicht das Wasser abgraben zu lassen, reichte Ecopop in der Folge die Initiative früher ein als ursprünglich geplant.
Ein Jahr für zwei Sätze
SD-Präsident Markus Borner zeigt sich auf Anfrage ob dieser Sichtweise überrascht. Auch die Schweizer Demokraten wollen schon «seit einem Jahr» an der Initiative gearbeitet haben – auf jeden Fall «bestimmt schon länger als Ecopop», wie Borner sagt. Es habe dann aber grosse Diskussionen gegeben, welches der richtige Text sei. In der Zwischenzeit habe Ecopop «schnell, schnell» ihre Initiative eingereicht, um vor den Schweizer Demokraten zu sein. «Wir wollten aber nicht schnell, schnell machen, sondern sauber alles abklären», sagt Borner. Was nach einem Jahr dabei herausgekommen ist, sind zwei Sätze: «Art. 73a (neu) Stabilisierung der Gesamtbevölkerung: Der Bund trifft Massnahmen gegen die Übervölkerung [sic!] der Schweiz. Er sorgt für eine ausgeglichene Wanderungsbilanz zwischen der Schweiz und dem Ausland.»
Die Forderung der SD ist radikaler als die Ecopop-Initiative (siehe Infobox), welche im dreijährigen Durchschnitt infolge Zuwanderung ein Wachstum der ständigen Wohnbevölkerung von bis zu 0,2 Prozent zuliesse. Während sich dabei jährlich rund 15 000 zusätzliche Menschen in der Schweiz niederlassen dürften (in den vergangenen Jahren waren es jeweils zwischen 50 000 und 100 000, fordern die Schweizer Demokraten mit dem ausgeglichenen Wanderungssaldo, dass jeweils nur so viele Menschen (auch Auslandschweizer) in die Schweiz einreisen dürfen, wie gleichzeitig ausreisen. Auf die Zahl Null verzichten die SD im Initiativtext bewusst. «Das Parlament soll die Möglichkeit haben, die Details in einem Gesetz festzuhalten», findet Borner. So sei es beispielsweise denkbar, dass die Null-Zuwanderung über eine Dauer von fünf Jahren eingehalten werden müsse. Wenn die Wirtschaft gut laufe, könnten demnach «ein paar mehr reingelassen werden». In den folgenden Jahren müsse man dann aber wieder stärker bremsen.
«Ausländer» absichtlich nicht im Text
Es gibt aber auch andere Gründe, die gegen Zahlen im Text sprechen, wie aus einem internen Papier der SD hervorgeht, das 20 Minuten Online vorliegt. So heisst es: «Die Personenfreizügigkeit in den Bilateralen wird nicht offen angegriffen… der Bundesrat soll diesen Vertrag z.B. anpassen/kündigen? gemäss dem Ziel in unserer Initiative.» Weiter geht aus dem Papier hervor, dass die Schweizer Demokraten den Ausdruck «Ausländer» absichtlich im Text nicht verwendet haben, «damit auch ökologisch ausgerichtete Leute zustimmen können».
Die Partei war offenbar bemüht, Bündnispartner für ihre Initiative zu suchen. Unter den möglichen Partnern wird auch Ecopop aufgeführt. Der SD-Präsident bestätigt, es habe tatsächlich mehrere Gespräche mit Ecopop gegeben. Allerdings seien nicht die Schweizer Demokraten auf Ecopop zugegangen: «Sie wollten uns ins Boot holen, wir haben aber festgestellt, dass Ecopop keinen guten Initiativtext hat.» Konkret meint Borner den Passus, mit dem die Investition von zehn Prozent der Entwicklungszusammenarbeits-Gelder zur Förderung der freiwilligen Familienplanung gefordert wird. Doch genau damit will sich die Umweltorganisation laut Ecopop-Sprecher Fritschi explizit von Vorstössen abrenzen, die von Rechts kommen.
Denn Ecopop will nicht nur das Bevölkerungswachstum in der Schweiz, sondern auch in der dritten Welt bremsen. Die Schweizer Demokraten gehen derweil davon aus, dass dieser zweite Punkt mit dem ersten nichts zu tun habe und damit den Grundsatz der Einheit der Materie verletze. «Das Parlament wird die Ecopop-Initiative für ungültig erklären», ist Borner überzeugt.
«Diskussion in der Zuwanderungspolitik auslösen»
Dem SD-Präsidenten wäre es aber auch recht, wenn beide Initiativen zustande kämen. Wichtig sei, dass die Diskussion aktuell bleibe. Das entspräche auch einem Ziel auf dem internen SD-Papier zur Initiative. Darin wird festgehalten, dass das Parlament möglicherweise das Volksbegehren auf die lange Bank schieben werde. «Die Initiative wird aber sicher eine Diskussion in der Zuwanderungspolitik auslösen.»
Zumindest dieses Ziel haben die Schweizer Demokraten zusammen mit Ecopop bereits erreicht. Und dies noch bevor sie mit dem Sammeln der Unterschriften begonnen haben. Während Ecopop am Freitag mit der Unterschriftensammlung beginnt, warten die Schweizer Demokraten noch auf die Entscheidung der Bundeskanzlei. Die Initiative sei erst am 25. April zur Vorprüfung eingereicht worden, sagt SD-Geschäftsführer Bernhard Hess auf Anfrage von 20 Minuten Online. Er rechnet damit, dass Ende Mai mit dem Sammeln der Unterschriften begonnen werden kann und weiss auch schon, mit welchem Slogan er das tun will: «8 Millionen sind genug.»
Vier Hauptpunkte der Ecopop-Initiative
1. Der Bund strebt auf dem Gebiet der Schweiz eine Einwohnerzahl auf einem Niveau an, auf dem die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft sichergestellt sind. Er unterstützt dieses Ziel auch in anderen Ländern, namentlich im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
2. Die ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz darf infolge Zuwanderung im dreijährigen Durchschnitt nicht um mehr als 0,2 Prozent pro Jahr wachsen.
3. Der Bund investiert mindestens 10 Prozent seiner in die internationale Entwicklungszusammenarbeit fliessenden Mittel in Massnahmen zur Förderung der freiwilligen Familienplanung.
4. Er darf keine völkerrechtlichen Verträge abschliessen, die gegen die Bestimmungen dieses Artikels verstossen oder Massnahmen verhindern oder erschweren, die zur Erreichung der Ziele dieses Artikels geeignet sind.