Nagra-Entscheid: Kritik an Standort für Atommüll-Endlager auch aus Deutschland

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Nagra-EntscheidKritik an Standort für Atommüll-Endlager auch aus Deutschland

Im Gebiet Nördlich Lägern, in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze, soll künftig Atommüll lagern. Besonders nah dran liegt die Ortschaft Hohentengen. Der Bürgermeister pocht auf mehr Informationen. 

Die Nagra will in Nördlich Lägern ein Atommülllager errichten. (Symbolbild)
Zuvor galt stets der Standort Zürich Weinland als Favorit.
Die Anwohnenden sind schockiert: Nicht nur ist ein Atommülllager vor dem Haus ein unangenehmer Gedanke, …
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Die Nagra will in Nördlich Lägern ein Atommülllager errichten. (Symbolbild)

Madeleine Schoder/Tamedia

Darum gehts

Die Entscheidung für ein Atommüll-Endlager nahe der baden-württembergischen Ortschaft Hohentengen ist auch in Deutschland skeptisch aufgenommen worden. Das Gebiet Nördlich Lägern war vor einigen Jahren als eher nicht geeignet eingestuft worden, wurde nun aber doch unter den drei verbliebenen Standorten ausgewählt, wie die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) am Samstagabend mitteilte. Genauer erläutern will die Nagra dies am Montag. 

Der Bürgermeister von Hohentengen, Martin Benz, will den Entscheidungsträgern sehr genau «auf den Zahn fühlen», wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. «Sie müssen sehr gut begründen, warum ein zurückgestellter Standort plötzlich zum präferierten Standort wird», sagte er. Die Grenze ist dort teilweise nur wenige Hundert Meter entfernt. Den Bewohnerinnen und Bewohnern sei klar, dass der radioaktive Müll vorhanden sei und entsorgt werden müsse, sagte Benz. Auch sie seien für die Lagerung am sichersten Ort. «Aber diese Fragen müssen beantwortet werden: Was gibt es für Störfallszenarien und wie ist man darauf vorbereitet?»

Das deutsche Umweltministerium bezeichnete die Entscheidung der Schweiz am Samstagabend als Belastung für die betroffenen Gemeinden. Die grenznahe Lage «stellt sowohl in der Errichtungsphase als auch beim Betrieb des Endlagers für diese und umliegende Gemeinden eine grosse Belastung dar», sagte Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium und Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg, auf Anfrage. «Ich setze mich bei der Schweiz dafür ein, dass die bisherige gute Einbindung der deutschen Nachbarn fortgesetzt wird.» In Deutschland steht die Entscheidung für einen Endlager-Standort für hoch radioaktiven Atommüll frühestens 2031 an. 

Über 80’000 Kubikmeter radioaktive Abfälle

Auch die beiden anderen Schweizer Standorte, die zuletzt noch zur Auswahl standen, liegen sehr nah an der deutschen Grenze. Jura Ost liegt südöstlich von Bad Säckingen, Zürich Nordost westlich von Jestetten. Das liegt daran, dass sich dort im Untergrund Opalinuston befindet, der sich für die sichere Einlagerung radioaktiver Abfälle gut eignet. Die Abfälle sollen in mehreren Hundert Metern Tiefe eingebettet werden. «Die benötigte Einschlusszeit beträgt bei hochaktiven Abfällen etwa 200’000 Jahre und bei schwach-​ und mittelaktiven Abfällen rund 30’000 Jahre», heisst es auf der Webseite der Nagra.

Konkret geht es um etwa 9300 Kubikmeter hoch radioaktive Abfälle und 72’000 Kubikmeter schwach-​ und mittelradioaktive Abfälle. Sie stammen aus den einst fünf Schweizer Atomkraftwerken sowie aus Medizin und Industrie. Vier Atomkraftwerke laufen noch. Sie dürfen betrieben werden, solange ihre Sicherheit gewährleistet ist, sollen aber nicht ersetzt werden. Das kann bis in die 2040er-Jahre gehen. 

Für den Bau des Endlagers ist ein langes Genehmigungsverfahren vorgesehen. Wenn alles glattgeht, könnte er 2031 beginnen. Die mehrjährige Einlagerung begänne dann etwa 2050.

Hoch radioaktiver Atommüll – vor allem verbrauchte Brennelemente aus Atomkraftwerken – sollte einigen Expertinnen und Experten zufolge in Endlagern aufbewahrt werden, die für bis zu eine Million Jahre sicherstellen, dass Mensch und Umwelt vor der gefährlichen radioaktiven Strahlung geschützt bleiben. Deswegen kommen nur bestimmte geologisch geeignete Orte – oft tief unter der Erde – infrage.  

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(DPA/roy)

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