KulturpolitikWeisser Mann darf keine Rolle spielen, die diskriminiert wird
Weil ein weisser cis-Mann auf der Bühne in der Hauptrolle eine diskriminierte Person spielen sollte, das aber nicht gehe, bekommt eine Theatergruppe von der Stadt Zürich kein Geld.
Darum gehts
Eine Zürcher Theatergruppe erhält keine Subventionen, weil ein weisser Cis-Mann eine Rolle spielen sollte, die Diskriminierung erlebt.
Die Jury der Stadt Zürich kritisiert die Besetzung als nicht überzeugend und lehnte das Gesuch ab.
Die FDP und andere Kritiker bemängeln die Kulturpolitik der Stadt Zürich.
Die Theatergruppe hat das Gesuch zur Neubeurteilung eingereicht und erwägt rechtliche Schritte gegen die Entscheidung.
Es geht um «Mario und der Zauberer». Eine Theatergruppe wollte das Stück von Thomas Mann nächstes Jahr aufführen. Sie beantragte bei der Stadt Zürich 30’000 Franken Fördergeld – das Gesuch wurde laut «Tages-Anzeiger» jedoch abgelehnt.
Der Fall wäre nicht speziell, da viele Gesuche abgelehnt werden. Die Stadt bewilligte etwa kein Geld wegen fehlender Relevanz.
Nun interessiert sich die FDP für den Fall. Warum? Im Ablehnungsentscheid, der dem «Tages-Anzeiger» vorliegt, steht nämlich auch: «Die Kommission erachtet den Versuch, die Mechanismen der Herabsetzung von Minderheiten durch die Rolle des Performers von einer von der Kommission als ‹white passing cis-Mann› gelesenen Person erklären zu lassen, als nicht überzeugend.»
Für Weissen keine Rolle, die Diskrimination erlebt
Heisst: Ein weisser cis-Mann soll nicht den homosexuellen Thomas Mann spielen, der im faschistischen Italien den Aufstieg des Faschismus erlebt. «Man sagte uns im Kern, unser Schauspieler könne keine Rolle spielen, in der Rassismus und Diskriminierung thematisiert werden – weil er als Weisser das nicht glaubwürdig darstellen könne», sagt die regieführende Person zu 20 Minuten.
«Aber woher weiss die Kommission, dass unser Schauspieler ein weisser cis-Mann ohne Diskriminierungserfahrungen ist? Das ist absurd. Hautfarbe sagt heute nichts darüber aus, wer Diskriminierung erlebt.» Es gebe jüdische Menschen mit dunkler Haut, die als «weiss» beschimpft würden. «Solche Kriterien, wie die Stadt sie anwendet, sind rassistischer Schwachsinn.»
Die Gesuchsteller empfinden es als entwürdigend, dass der Schauspieler wegen seines Äusseren abgelehnt wurde. «Das widerspricht den Anti-Diskriminierungs-Leitlinien der Stadt Zürich!»
«Besetzung kann in die Beurteilung einfliessen»
Das Präsidialdepartement äussert sich nicht, da Fördergesuche nicht öffentlich sind. Ein Sprecher von Corine Mauch lässt dem Tagi ausrichten: Ablehnungen erfolgen nach inhaltlicher Prüfung. «Die Besetzung kann in die Beurteilung einfliessen.»
In Kulturkreisen sei laut Tagi zu vernehmen, dass in Zürich derzeit nicht «mehr die besten, sondern nur noch die inklusivsten Theaterstücke» aufgeführt werden, die eben diese Kultursubventionen erhalten.
FDP-Gemeinderat Flurin Capaul, häufiger Kritiker der Kulturpolitik, sagt auf Anfrage, dass ihn der Ablehnungsentscheid für das Stück sehr gestört habe. «Zuerst waren die Ablehnungsgründe schon mal sprachlich schwer verständlich», sagt Capaul zu 20 Minuten. «Und dann zeigt sich darin auch eine ideologische Prägung.»
Auf das Geschlecht des Schauspielers abgestellt
Er meint, man könne Fördergelder ablehnen, wenn etwa die Inszenierung nicht zeitgemäss sei oder es bereits viele Thomas-Mann-Stücke gebe wegen des Jubiläums. «Aber Aussehen und Geschlecht als Kriterium – das ergibt keinen Sinn.» Schauspieler müssten doch gerade in andere Rollen schlüpfen können.
Die Identität und das Aussehen des Schauspielers würden nichts zur Sache tun. «Das ist weltfremd. Die Stadt baut sich einen bürokratischen Elfenbeinturm. Es gibt einen Diskurs, den niemand mehr versteht», sagt Capaul.
Kommerzielle Stücke würden zu wenig gefördert
«Es fehlt oft am Ausgleich zwischen Publikumswünschen und künstlerischen Ansprüchen», sagt Capaul. Im Gemeinderat sagte er: «Die Menschen wenden sich vom Theater ab und kehren nicht zurück.» Erfolgreiche Stücke fürs Publikum würden vernachlässigt.

Gemeinderat Flurin Capaul von der Zürcher FDP.
privatAuch Daniel Rohr vom Theater Rigiblick kritisiert die Kulturpolitik. Zum Tagi sagt er: Das Präsidialdepartement fördere vor allem experimentelles Theater. «Unterhaltungstheater wird wenig geschätzt.» Publikumszahlen, Auslastung und Sponsorengelder zählten nicht. Sein Programm werde als «Mainstream» abgestempelt.

Theater Rigiblick, Direktor Daniel Rohr.
Boris Müller / TamediaJury in der Kritik
In der Stadt Zürich entscheidet eine Jury, die sich aus mindestens sieben Personen zusammensetzt, wer Fördergelder bekommt. Diese hat auch das Stück «Mario und der Zauberer» abgelehnt. Daniel Rohr sagt, dass die Jury über eine sehr grosse Macht verfüge. Das Präsidialdepartement gibt gegenüber dem «Tages-Anzeiger» an, die Jury sei «breit abgestützt und unabhängig».
Die Regieführung von «Mario und der Zauberer» sagt, dass man das Gesuch zur Nachbeurteilung der Stadt noch einmal eingereicht habe – es werde derzeit geprüft. Klar sei: «Kommt nochmals so eine Begründung, ziehen wir vor Gericht. Denn diese Diskriminierung ist aus unserer Sicht justiziabel.»
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