Kunsthaus ZürichBührle-Stiftung: Mehr Werke aus jüdischem Besitz als angenommen
Die vorgenommene Provenienzforschung der Bührle-Stiftung war ungenügend. Das zeigt ein Bericht von Historiker Raphael Gross.
Darum gehts
Die Sammlung Bührle im Kunsthaus Zürich enthält Werke, deren Herkunft während der NS-Zeit unklar ist.
Ein Bericht von Historiker Raphael Gross zeigt, dass die Provenienzforschung der Bührle-Stiftung unzureichend war und bislang 62 Werke jüdischen Vorbesitz nachgewiesen werden konnten.
Der Historiker empfiehlt dem Kunsthaus, weitere Provenienzforschung zu betreiben, ein Prüfschema zu entwickeln und sich kritisch mit Emil Bührle auseinanderzusetzen.
Seit Oktober 2021 werden die Werke der Sammlung Bührle im Chipperfield-Bau des Kunsthauses Zürich als Dauerleihgabe gezeigt. Seither sorgen die Werke für Gesprächsstoff. Es stand die Frage im Raum, ob sich unter diesen Werken Kulturgüter befinden, die von den Nationalsozialisten entzogen wurden.
Die konkrete Frage, welche Werke der Sammlung aus jüdischem Besitz stammen und während der NS-Zeit allenfalls unter Druck verkauft worden sein könnten, versuchte der Historiker Prof. Raphael Gross zu klären. Er und sein Team wurden damit vom Kanton, der Stadt und der Zürcher Kunstgesellschaft beauftragt.
Provenienzforschung der Bührle-Stiftung war ungenügend
Sie kommen nun zum Entschluss: Die vorgenommene Provenienzforschung der Bührle-Stiftung war ungenügend. Das geht aus dem Bericht hervor, der Gross am Freitag vorgestellt hat. Die Stiftung habe zwar umfangreiche Forschungen angestellt, aber erfülle die Standards nicht, welche die Stadt und der Kanton im Subventionsvertrag vom Kunsthaus Zürich verlangen.
Die Überprüfung der Bestände, so im Bericht festgehalten, zeigt, dass eine grosse Zahl von Werken aus jüdischem Besitz stammt, bei denen dies nicht bekannt war. «Die Gesamtzahl der Fälle, in denen ein Werk aus der Sammlung Bührle jüdische Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer hat, die von NS-Verfolgung betroffen waren, erhöht sich damit vorläufig auf 62», ist im Bericht festgehalten.
Kritisch mit Emil Bührle beschäftigen
Am Ende des Berichts gibt Gross drei Empfehlungen ab. Zum einen müsse weitere Provenienzforschung betrieben werden. Diese müsse sich darauf konzentrieren, ob die Werke aus jüdischem Vorbesitz stammen und ob von verfolgungsbedingtem Entzug gesprochen werden könne. Dies beinhalte auch Verkäufe unter Druck, weil die Besitzer auf der Flucht waren. Aber auch das unfreiwillige Zurücklassen von Besitz bei Deportationen oder nach Plünderungen.
Zum andern empfiehlt Gross und sein Team, dass das Kunsthaus ein Gremium einsetzt, das ein Prüfschema für den NS-verfolgungsbedingten Entzug eines Kunstwerkes entwickeln sollte. «Hiermit wird der Zürcher Kunstgesellschaft ermöglicht, bei substantiierten Hinweisen Entscheidungen über den weiteren Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken treffen zu können», hält der Bericht fest. Und abschliessend wird dem Zürcher Kunstgesellschaft geraten, sich kritisch mit dem Namensgeber seiner Dauerleihgabe, Emil Bührle, zu beschäftigen.
Bevor der Bericht veröffentlicht wurde, liess die Bührle-Stiftung fünf Werke im Kunsthaus Zürich abnehmen.
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