Fünfte Welle – Labors laufen wegen Test-Flut am Limit

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Fünfte WelleLabors laufen wegen Test-Flut am Limit

Der Kanton Graubünden muss Tests begrenzen, weil Labors überlastet sind. Ein Labor-Chef kritisiert den Bund: «Er nimmt auf uns keine Rücksicht.» Es gebe genügend Kapazitäten, heisst es beim Bund.

Aktuell führen Schweizer Labors im Schnitt rund 50’000 PCR- und Antigentests pro Tag durch.
Das BAG hat die Kapazität bei 50’000 pro Tag angesetzt.
 Und hier fängt für Philipp Walter das Problem an: «Das BAG hat über diese Kapazität nie mit uns gesprochen und nimmt bei der Anpassung von Vorgaben keine Rücksicht auf potenziell limitierte Ressourcen bei den Praktikern an der Front.»
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Aktuell führen Schweizer Labors im Schnitt rund 50’000 PCR- und Antigentests pro Tag durch.

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Darum gehts

Philipp Walter ist zunehmend resigniert. Da der Bund die Devise «Testen, Testen, Testen» ausgegeben hat, «werden die Labors mit jeder neuen Welle in nicht planbarer Weise mit Analyseaufträgen geflutet», sagt der Leiter Labormedizin an den Solothurner Spitälern und Präsident des Verbands Schweizerische Union für Labormedizin. Ein neuer Höhepunkt wurde mit den jüngst stark ansteigenden Fallzahlen erreicht.

«Wir stehen massiv unter Druck – wegen Personalplanung, Logistik und kontinuierlich wechselnden behördlichen Vorgaben», sagt Walter. In der letzten Woche führten Schweizer Labors im Schnitt bis zu 50’000 PCR- und Antigentests pro Tag durch. Das BAG hat die Kapazität bei 50’000 pro Tag angesetzt. Hier fängt für Walter das Problem an: «Das BAG hat über diese Kapazität nie mit uns gesprochen und nimmt bei der Anpassung von Vorgaben keine Rücksicht auf potenziell limitierte Ressourcen bei den Praktikern an der Front.»

Teil des Personals hat sich umorientiert

Die Arbeit der Labors sei für die Öffentlichkeit nicht sichtbar und werde als selbstverständlich vorausgesetzt, sagt Walter. «Dabei kämpfen wir mit Personal- und Logistikproblemen.» Derzeit gebe es in einzelnen seiner Labors betriebskritische Unterbesetzungen, welche die für den Spitalbetrieb unerlässliche Laborversorgung generell bedrohten. «Einige haben sich während der Krise umorientiert.»

Die Belastung und die Bindung der Fachkräfte im Labor sei das eine, so Walter. «Aber auch die als Geringschätzung empfundene Haltung der Behörden, die nicht zuletzt auch in der willkürlichen Festsetzung von Tarifen zum Ausdruck kommt, trägt nicht zur Arbeitszufriedenheit bei.»

Belastend ist für Walter nicht nur die Personalsituation. Auf dem Markt herrscht derzeit ein Kampf um Reagenzien und Laborverbrauchsmaterial, etwa Pipettenspitzen. «Es gibt Labors, die ihre Marktstellung auszunutzen versuchen und Lieferanten zu Exklusivverträgen drängen.» Hier wünscht er sich eine bessere Koordination durch Verbände. Bisher sei man mit der Idee beim BAG aber abgeblitzt. Er hofft nun auf einen Dialog. Beim Bund heisst es, man stehe mit der Branche in Kontakt.

Graubünden reagiert

Angesichts der Überlastung der Labors schlägt der Kanton Graubünden Alarm. Die Labors seien überlastet, was dazu führe, dass Proben nicht innert nützlicher Frist ausgewertet werden könnten. Deshalb können sich Personen beim Arbeitgeber nur noch drei Mal pro Woche testen. Die Schultests werden nur noch einmal statt zweimal wöchentlich durchgeführt.

César Metzger, Leiter der COVID-19 Laborkoordination im Labor Spiez, sieht keine schweizweiten Engpässe beim Testen. Er bestätigt aber: «In der Nordostschweiz sind einzelne Labors derzeit überlastet.» Dafür gibt es zwei Gründe: Einerseits Engpässe beim Laborpersonal. Andererseits stieg die Nachfrage nach Tests sprunghaft an in den letzten Wochen.

80’000 PCR-Tests pro Tag seien möglich

Metzger betont dennoch, die Schweizer Labore könnten bei steigenden Fallzahlen genügend Testkapazitäten anbieten. «Sie sind stark gefordert. Aber theoretisch können sie die Zahl der PCR-Tests auf 80’000 pro Tag hochfahren.» Im Sieben-Tage-Schnitt bearbeiteten sie letzte Woche 32’000 PCR-Tests pro Tag. Auch bei den Antigen-Schnelltests gebe es Spielraum für eine Ausweitung, so Metzger, da diese von Ärzten, Apotheken und Testcentern selbst ausgewertet werden könnten. Bei hohen Fallzahlen, sei es jedoch nicht auszuschliessen, dass es «lokal und vorübergehend» Knappheiten gebe, so Metzger.

Aktuell treiben die stark steigenden Fallzahlen die Nachfrage nach Tests in die Höhe. Wie lange können die Labors dem Druck noch standhalten? Metzger erkennt an, dass die Laborkapazitäten durch Personal und Gerätekapazitäten beschränkt werden. Wenn es aber «hart auf hart» komme, könne man bei der Antigen-Schnelltestung die Kapazitäten erhöhen.

In der Vergangenheit hatten die Kantone den Zivilschutz beim Testen eingesetzt.

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