«Living Planet Index»WWF: 73 Prozent weniger Wildtiere als vor 54 Jahren
«Wir zerstören, was uns am Leben hält», sagt WWF-Vorständin Kathrin Samson. Der Grund: Seit 1970 wurden Artenvielfalt und Wildtierbestände massiv dezimiert.
Darum gehts
Der WWF schlägt Alarm: In der freien Natur überleben immer weniger Tiere.
In der Karibik etwa sind seit 1970 rund 95 Prozent der Populationen verschwunden.
Bald seien mehrere sogenannte Kipp-Punkte erreicht, nach denen keine Umkehrung der Entwicklung mehr möglich sei.
Die Bestände von Wildtieren nehmen weltweit drastisch ab. Das geht aus dem heute erschienenen «Living Planet Report 2024» der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London mit Daten zu mehr als 5500 Wirbeltierarten weltweit hervor. Demnach schrumpften die insgesamt 35'000 untersuchten Populationen – darunter Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien – in den vergangenen 50 Jahren um durchschnittlich 73 Prozent.
Den stärksten Rückgang verzeichnen nach WWF-Angaben die Süsswasserökosysteme mit 85 Prozent, gefolgt von Land- (69 Prozent) und Meeresökosystemen (56 Prozent). Geografisch am stärksten betroffen sind Lateinamerika und die Karibik mit 95 Prozent, gefolgt von Afrika (76 Prozent) und der Asien-Pazifik-Region (60 Prozent).
Artensterben ist menschengemacht
«Der Living Planet Index zeigt: Wir zerstören, was uns am Leben hält», sagte WWF-Vorständin Kathrin Samson. «Unsere Gesundheit, unsere Lebensmittelversorgung, unser Zugang zu sauberem Wasser, die Stabilität der Wirtschaft und erträgliche Temperaturen sind abhängig von intakten Ökosystemen und gesunden Wildtierbeständen.»
Laut WWF sind alle Ursachen für das Artensterben menschengemacht. Die Zerstörung der Lebensräume vieler Tiere und Pflanzen, die Umweltverschmutzung und die Klimakrise könnten für viele Arten das Aus bedeuten.
Gorilla-Bestand erholte sich
Dramatisch sehe es beispielsweise für den Atlantischen Kabeljau/Dorsch im Nordatlantik und der westlichen Ostsee aus. Sein Bestand brach zwischen 2000 und 2023 um 77 Prozent ein. Die Populationen der Amazonas-Flussdelfine und die der kleineren Tucuxi-Delfine im brasilianischen Mamirauá-Schutzgebiet gingen von 1996 bis 2016 um 65 Prozent und um 75 Prozent zurück.
Dass Artenschutzmassnahmen wirken, zeige sich hingegen beim Wisent. Die Art war in freier Wildbahn ausgestorben und sei wieder auf etwa 6800 Tiere angewachsen. Auch die Berggorillas im Virunga-Bergmassiv im Grenzgebiet von Kongo, Ruanda und Uganda erholten sich, ihr Bestand sei auf rund 700 Tiere gestiegen.
Es drohen gefährliche Kipp-Punkte
«Die Doppelkrise aus Biodiversitätsverlust und Klimakrise bringt nicht nur einzelne Arten an ihre Grenzen, sondern gefährdet die Stabilität ganzer Ökosysteme», sagte Samson. Die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes und die globale Massenbleiche von Korallenriffen seien nur zwei Beispiele dafür. «Die Kipp-Punkte, auf die wir zusteuern, markieren die Grenze des Unumkehrbaren», mahnte Samson. Als Beispiel wird die Entwaldung im Amazonas genannt, der sich von einer Kohlenstoffsenke in eine Kohlenstoffquelle verwandeln könne.
Die Verschlechterung und der Verlust von Lebensräumen, die hauptsächlich durch das Nahrungsmittelsystem verursacht würden, seien die am häufigsten gemeldete Bedrohung in jeder Region, hiess es weiter. Weitere Bedrohungen seien der Klimawandel, insbesondere in Lateinamerika und der Karibik, und die Umweltverschmutzung, vor allem in Nordamerika, Asien und im Pazifik.
Die nächsten fünf Jahre seien entscheidend für die Zukunft des Lebens auf der Erde. «Noch können wir das Ruder herumreissen und den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten. Dafür muss aber die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft schneller gehen», forderte Samson.
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