Leisten sich Frauen dieses Jahr Busen-OP statt Ferien?

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Corona-Sommer 2020Leisten sich Frauen dieses Jahr Busen-OP statt Ferien?

Verschiedene Schönheitskliniken verzeichnen eine verstärkte Nachfrage nach Brustvergrösserungen. Der Kontrollverlust durch die Pandemie kann Frauen in ihrem Entscheid bestärken, in ihr «perfektes Aussehen zu investieren», so eine Psychologin.

Darum gehts

  • Die Pandemie hält Frauen nicht davon ab, sich die Brüste vergrössern zu lassen.
  • Im Gegenteil: Die Nachfrage nimmt bei einigen Kliniken sogar zu.
  • Die Kliniken vermuten, dass Frauen dieses Jahr ihr Geld statt für Ferien für Schönheitsoperationen ausgeben.
  • Die Unsicherheit und der Stress durch die Pandemie könne Frauen, die mit ihrem Körper nicht zufrieden seien, erst recht «triggern», daran etwas zu verändern, sagt eine Psychotherapeutin.

Schönheitsoperationen sind beliebt. Die Lucerne Clinic hat für die Zeit nach dem Lockdown ein Spezialangebot lanciert, das Frauen eine Busenvergrösserung innert zwei Wochen ermöglicht.
Die menschliche Psyche sei sehr komplex, so Psychologin Paula Kunze. «Eine einzige Erklärung für die grosse Nachfrage  gibt es daher nicht.»
Ein möglicher Grund ist die Hilflosigkeit. Kunze sagt dazu: «In diesen unsicheren Zeiten erleben wir alle vermehrt Hilflosigkeit. Eine OP hingegen könnte  ein trügerisches Gefühl von Kontrolle vermitteln.» (Symbolbild)
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Schönheitsoperationen sind beliebt. Die Lucerne Clinic hat für die Zeit nach dem Lockdown ein Spezialangebot lanciert, das Frauen eine Busenvergrösserung innert zwei Wochen ermöglicht.

Foto: zvg/Lucerne Clinic

Schönheitsoperationen sind derzeit besonders beliebt: Seit die Kliniken am 27. April ihre Türen wieder öffnen durften, gibt es eine verstärkte Nachfrage nach plastischen Eingriffen. Viele Kliniken teilen 20 Minuten auf Anfrage mit, dass sie zurzeit fast keine freien Termine mehr haben.

So zeigt sich in der Klinik Breast Atelier in Zürich ein klares Bild: «Wir haben eine erhöhte Nachfrage, vor allem für den Sommer», so Yannick Amos von Breast Atelier. Normalerweise seien Brustvergrösserungen in den Sommermonaten im Vergleich zum Rest des Jahres weniger gefragt, «doch dieses Jahr sind wir bereits fast ausgebucht», so Amos. Grund dafür können die Corona-Massnahmen sein: «Die Frauen reisen dieses Jahr vielleicht nicht in die Sommerferien und sparen so Geld, welches sie nun in eine Brust-OP investieren.»

Die Nachfrage ist ungebrochen

Diese Erklärung hört auch Daniel Münch immer wieder von seinen Patientinnen. Der Facharzt für Chirurgie führt in seiner Klinik in Wiedlisbach unter anderem Brustaufbau-Operationen mit Eigenfett durch. Bei ihm gebe es aber auch Frauen, die die Operation absagen oder verschieben mussten, weil sie wegen der Pandemie Kurzarbeit leisten müssen oder gar die Stelle verloren haben. «Die Anfragen liegen darum auf gewohntem Niveau», sagt Münch.

In der Klinik für plastische Chirurgie des Unispitals Zürich arbeitet das Ärzteteam zurzeit die Termine ab, die aufgrund der Corona-Massnahmen nicht durchgeführt werden konnten. Die Nachfrage nach Schönheitsoperationen sei ungebrochen. Die stellvertretende Klinikdirektorin Nicole Lindenblatt kommuniziert keine Zahlen, «aber es sind sicher nicht weniger Operationen als vor Corona».

«Das Echo ist gewaltig»

Mit dem «Busen-Speedpass» wirbt die Schönheitsklinik Lucerne Clinic auf Facebook. Weil «im kommenden Corona-Sommer alles anders werde», biete man ungeduldigen Frauen nun die Möglichkeit, sich nach einem Vorgespräch innerhalb von zwei Wochen die Brüste vergrössern zu lassen.

Sandra Albisser, Marketing-Leiterin der Lucerne Clinic, wertet die Aktion schon jetzt als Erfolg: «Das Echo ist gewaltig. Wir haben bereits sehr viele Anfragen für kurzfristige Beratungstermine und anschliessende Operationen.» Seit die Lockerungen der Corona-Massnahmen die Eingriffe wieder zulassen, gebe es eine erhöhte Nachfrage nach Brust-OPs. «Um die generell grosse Nachfrage zu bewältigen, mussten wir sogar eine Stelle für einen zusätzlichen Schönheitschirurgen ausschreiben.»

Menschen reagieren unterschiedlich auf Lockdown-Stress

Die Gründe, wieso sich Frauen gerade im Lockdown für eine Brustvergrösserung entscheiden, sind unterschiedlich. Die Psychotherapeutin Paula Kunze stellt klar: «Die menschliche Psyche ist überaus komplex. Eine einzige Erklärung gibt es daher nicht.» Der Lockdown und das ganze Drumherum seien psychologisch gesehen Stress. «Menschen gehen damit unterschiedlich um.» So wie eine Tasse mit einem Sprung eben genau dort zerspringe, wenn sie einen harten Stoss bekomme, «so reagieren wir Menschen meist mit einer Verschlechterung unserer bereits vorhandenen ‹Problempäckchen›. Heutzutage hat das perfekte Aussehen eine grosse Bedeutung», sagt Kunze. Wer in punkto Aussehen ohnehin besonders sensibel sei, könne in Stresssituationen durchaus getriggert werden. «Zum Beispiel durch den vermehrten Konsum von Social Media.» So warnten Wissenschaftler der Boston University School of Medicine schon 2018, dass die vielen bearbeiteten und inszenierten Fotos schöner Menschen in den sozialen Medien eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Erscheinungsbild auslösen und dem Selbstwertgefühl schaden könnten.

«In diesen unsicheren Zeiten erleben wir alle vermehrt Hilflosigkeit. Eine OP könnte ein trügerisches Gefühl von Kontrolle vermitteln.»

Dass die Operationen gerade in dieser speziellen Zeit besonders beliebt seien, könnte aber auch einen viel pragmatischeren Grund haben, gibt die Psychologin zu bedenken. «Menschen haben dank veränderter Lebensbedingungen endlich die Gelegenheit, eine im Vorfeld geplante OP zu verwirklichen», sagt Kunze. «In diesen unsicheren Zeiten erleben wir alle vermehrt Hilflosigkeit. Eine OP hingegen könnte ein trügerisches Gefühl von Kontrolle vermitteln.»

Wer eine Brustvergrösserung durchführen lassen will, wartet normalerweise nach dem Beratungsgespräch je nach Klinik Wochen, wenn nicht Monate, auf einen OP-Termin. Dass der Busen-Speedpass zu überstürzten Entscheidungen führen könnte, denkt Sandra Albisser dennoch nicht. «Die Frauen, die sich auf die Aktion melden, setzen sich schon sehr lange mit dem Thema Brustvergrösserung auseinander.» Ausserdem finde immer ein Beratungsgespräch statt, bei dem die Patientin auch über die Risiken aufgeklärt werde.

«Ich habe mich innerhalb einer Stunde entschieden»

Ruckzuck ging es auch bei Stephanie Mani: Die Kosmetikern hat sich ihre Brüste kurz vor dem Lockdown in der Lucerne Clinic operieren lassen, weil sie infolge einer strengen Diät viel Volumen an ihrem Busen verloren hat. Auch bei ihr lagen zwischen dem Beratungsgespräch und der Operation weniger als zwei Wochen. «Unproblematisch», findet die 26-Jährige. «Ich habe mich innerhalb einer Stunde definitiv dazu entschieden. Aber dem ging ein fünfjähriger Prozess voraus.»

Brustvergrösserung

Die Brustvergrösserung gehört weltweit zu einer der am häufigsten durchgeführten Schönheitsoperationen. Eine Brustvergrösserung kostet in der Schweiz rund 10’000 Franken, die Preise schwanken je nach Anbieter. Eine OP birgt Risiken: So schreibt zum Beispiel die amerikanische Heilmittelbehörde zu den Risiken und Langzeitfolgen von Brustimplantaten , dass rund 30 Prozent der Implantate reissen oder auslaufen würden. Je nach Implantat habe jede zweite Frau Schmerzen und bis zu 59 Prozent würden später nochmals operiert werden.

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