Leistet sich die Schweiz eine Luxus-Armee?

Aktualisiert

Internationaler VergleichLeistet sich die Schweiz eine Luxus-Armee?

Pro Kopf hat die Schweiz mehr Jets, Panzer und Soldaten als andere Länder. Die Kosten halten sich im internationalen Vergleich aber in Grenzen.

Nikolai Thelitz
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Nikolai Thelitz
Guy Parmelin will 30 bis 40 neue Kampfjets beschaffen, Österreich sollen 18 Flugzeuge genügen.
Die SP spricht deshalb von «überdimensionierten Luxus-Kampfjetplänen». Auch die Grünen halten die neuen Jets für überflüssig.
Doch leistet sich die Schweiz tatsächlich ein Luxus-Militär? 20 Minuten hat die Truppen- und Flottenstärken verschiedener Länder verglichen.
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Guy Parmelin will 30 bis 40 neue Kampfjets beschaffen, Österreich sollen 18 Flugzeuge genügen.

Keystone/Christian Merz

Die Schweizer Luftverteidigung soll für acht Milliarden Franken erneuert werden. Das teilte Verteidigungsminister Guy Parmelin am Mittwoch im Bern den Medien mit. Laut der «Expertengruppe neues Kampfflugzeug» des Bundes reicht dies für 30 bis 40 Kampfjets – je nach Grösse der Boden-Luft-Abwehr.

Auch Österreich plant die Neuorganisation seiner Luftwaffe. Die dortigen Experten gehen laut einem Bericht vom Sommer dieses Jahres davon aus, dass 18 Flugzeuge genügen – in einem Luftraum, der doppelt so gross ist wie jener der Schweiz.

Wie viel gibt die Schweiz im internationalen Vergleich aus?

Die SP spricht deshalb von «überdimensionierten Luxus-Kampfjetplänen». Auch die Grünen halten die neuen Jets für überflüssig, ganz allgemein gelte: «Die Schweiz, ein neutrales Land, umzingelt von befreundeten Ländern, muss aufhören, Milliarden für Kriege auszugeben.» Denn: Parmelin will wegen Investitionen bei den Bodentruppen auch das allgemeine Armee-Budget erhöhen – um 1,4 Prozent jährlich.

Doch leistet sich die Schweiz tatsächlich ein Luxus-Militär? 20 Minuten hat die Truppen- und Flottenstärken unserer Nachbarn und verschiedener Militärmächte mit den unseren verglichen. Das Ergebnis: Pro Kopf gerechnet übertrifft unsere Armee je nach Kategorie sogar die Saudi-Streitkräfte.

So etwa bei den aktiven Soldaten. Auf tausend Einwohner kommen in der Schweiz knapp 15 aktive Soldaten, in Österreich sind es rund sechs, in Deutschland gerade mal zwei. Auch die USA (4,2 Soldaten), Russland (knapp 5,8 Soldaten) und Saudiarabien (7 Soldaten) lässt die Schweiz weit hinter sich. Zu berücksichtigen ist hier: Eine allgemeine Wehrpflicht gibt es nur in der Schweiz und Russland. In der Schweiz und in Österreich sind zudem ein grosser Teil der Soldaten Milizionäre, während etwa in Deutschland, den USA oder Saudiarabien meist Berufssoldaten dienen.

Bei den Fahrzeugen zeigt sich das gleiche Bild. Verglichen wurden grosse Kampfpanzer, so genannte «Main Battle Tanks». Während die Schweizer Armee 143 Leopard-Kampfpanzer ihr Eigen nennt, kommen die Österreicher mit 56 Gefährten eines vergleichbaren Typs aus. Pro Million Einwohner stehen hierzulande rund 17 Panzer zur Verfügung, in Österreich sind es etwas mehr als sechs. In Italien und Frankreich sind es gar nur jeweils etwa 3 Kampfpanzer auf eine Million Einwohner. Die Saudis (26,3 Panzer) und die Russen (19,4 Panzer) übertreffen die Schweiz in dieser Kategorie. Beide Länder müssen jedoch ein riesiges Territorium verteidigen. Nimmt man die zu verteidigende Fläche als Referenz, so übertrifft die Panzer-Dichte in der Schweiz alle anderen Länder um ein Vielfaches.

Im Schweizer Luftraum tummeln sich weit mehr Jets als in jedem anderen untersuchten Land. Pro 10'000 Quadratkilometer stehen 13,6 Kampfflieger zur Verfügung, bei den Italienern sind es noch 7,5, bei den Deutschen 5,9 und bei den Österreichern gar nur 1,8 Flugzeuge. Über den Wüsten Saudiarabiens (1,4 Flieger) und den Weiten Sibiriens (0,6 Flieger) sind noch weniger Kampfjets in der Luft. Rechnet man pro Million Einwohner, sind die Saudis mit über 9,2 Fliegern Spitzenreiter, nach den Amerikanern und den Russen folgen die Schweizer. Österreich landet mit seiner 15-Flieger-Flotte weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Zu berücksichtigen ist hier: Bei der Schweizer oder der saudischen Luftwaffe finden sich viele ältere Maschinen, jene der USA oder Frankreichs sind eher moderner.

Die im Vergleich mit unseren Nachbarn stark ausgebauten Streitkräfte der Schweiz kosten uns jährlich rund 4,6 Milliarden Franken – das sind rund 550 Franken pro Person. Die Österreicher kommen mit umgerechnet gut 300 Franken günstig weg, die Deutschen bezahlen mit 500 Franken fast so viel wie wir. Teuer wird es für die Franzosen. Ihr Militärbudget von 55,7 Milliarden Franken kostet pro Kopf über 800 Franken. Obenaus schwingen die Kosten pro Kopf für die Amerikaner (1885 Franken pro Kopf) und die Saudis (1977 Franken pro Kopf).

Warum sind die französischen Streitkräfte so teuer, obwohl sie dünner aufgestellt sind? Ein Grund könnten die teuren aktiven Kriegseinsätze sein, die auch die Kosten der Deutschen oder der Amerikaner hoch halten. Zudem spart sich die Schweiz als Binnenland auch quasi eine Marine – sie besteht aus elf kleinen Patrouillenbooten, die den Boden- und Genfersee überwachen. Die Österreicher verzichten ganz auf militärische Schiffe – die letzten zwei Donau-Patrouillenboote wurden 2006 eingemottet. Die Franzosen hingegen kommen ihre U-Boote, Zerstörer, Fregatten und das Marine-Flaggschiff «Charles de Gaulle» – ein atomar betriebener Flugzeugträger – teuer zu stehen.

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