Potenzprobleme: Immer mehr junge Männer greifen zu Viagra

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TabuthemaD. (32) nimmt Viagra: «Habe Angst, vor Freundin zu versagen»

D.H. nimmt seit zehn Jahren Potenzmittel – nicht aus Lust, sondern aus Angst, zu versagen. Ein Tabuthema, das immer mehr junge Männer betrifft.

(Symbolbild) Immer mehr junge Männer greifen zu Potenzmitteln aus Angst, im Bett zu versagen. «Wenn er nicht steht, greife ich zum Viagra», sagt der 32-jährige D.H, der sich vor zehn Jahren ärztliche Hilfe geholt hat.
Psychischer Druck, Social Media und unrealistische Erwartungen setzen viele unter Stress, so der Urologieverband Uroviva.
(Symbolbild) Der 32-Jährige St.Galler will nicht riskieren dass seine Freundin im Bett unzufrieden ist: «Ich glaube ihr nicht, wenn sie sagt, dass sie auch ohne Penetration befriedigt ist», meint D.H.
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(Symbolbild) Immer mehr junge Männer greifen zu Potenzmitteln aus Angst, im Bett zu versagen. «Wenn er nicht steht, greife ich zum Viagra», sagt der 32-jährige D.H, der sich vor zehn Jahren ärztliche Hilfe geholt hat.

Getty Images

Darum gehts

  • Immer mehr junge Männer leiden unter Potenzproblemen und suchen ärztliche Hilfe.

  • Stress, Leistungsdruck und der Einfluss von sozialen Medien sind häufige Ursachen.

  • Swissmedic warnt vor illegalen Online-Bestellungen von Potenzmitteln.

  • Alternative Therapien wie Stosswellentherapie und Beckenbodenübungen können helfen.

Potenzprobleme sind längst kein Thema mehr, das nur ältere Männer betrifft. Laut dem Urologieverband Uroviva melden sich immer häufiger auch junge Männer mit Erektionsstörungen bei Fachärztinnen und Fachärzten. Besonders in den letzten drei bis fünf Jahren sei die Zahl deutlich gestiegen.

«Die Gründe dafür sind vielfältig – neben organischen Ursachen spielen vor allem psychische Belastungen, Stress, Leistungsdruck sowie der Einfluss von sozialen Medien, Pornokonsum und unrealistischen Erwartungen eine Rolle», so Sprecherin Daniela Weilenmann. Viele junge Männer seien verunsichert, wenn es in der Sexualität nicht funktioniere, und suchten aktiv nach Unterstützung.

D.H: «Wenn er nicht steht, greife ich zum Viagra»

Zu ihnen gehört auch D.H.* aus Sargans SG. Vor zehn Jahren hat sich der heute 32-jährige St. Galler ärztliche Hilfe geholt und nimmt seitdem Potenzmittel – nicht aus Spass, sondern weil sie ihm Selbstvertrauen geben. «Es gibt Wochen, da läuft alles gut, doch dann gibt es stressige Wochen, da wird mein Penis nicht richtig steif.» Er gerate dann oft in ein Gedankenkarussell. In solchen Momenten zieht er sich ins Badezimmer zurück – und schluckt ein Viagra: «Es gibt mir jeweils die nötige Gelassenheit. Wenn ich es nicht nehme, verkrampfe ich nur noch mehr»

«Glaube meiner Freundin nicht, wenn sie sagt, dass es auch ohne geht»

Seine Freundin sage D. in solchen Momenten zwar, dass ihr auch eine orale Befriedigung ausreiche: «Ich glaube aber, sie sagt das nur mir zuliebe.» Würde er wochenlang keinen hochkriegen, befürchtet er, seine Freundin nicht mehr zufriedenzustellen: «Das will ich nicht riskieren». Er nehme daher auch in Kauf, dass er durch die Pille Nebenwirkungen wie einen roten Kopf oder eine verstopfte Nase habe. «Ich habe mich daran gewöhnt. Der Effekt ist es mir wert.»

«Viele in meinem Umfeld nehmen Potenzmittel»

H. geht offen mit seinen Potenzproblemen um, sein Umfeld wisse Bescheid. «Es gibt einige in meinem Freundeskreis, die ebenfalls Viagra nehmen – einfach prophylaktisch, weil sie keinen Stress wollen.» Das Thema sei ein Tabu, obwohl es viele Männer betreffe: «Es sollten sich viel mehr Männer Hilfe bei Spezialisten holen.» Von Online-Bestellungen hält D. nichts: «Diese ganzen Plattformen schrecken mich eher ab. Ich will wissen, was ich bekomme – deshalb gehe ich jeweils lieber direkt in die Apotheke und lasse mich beraten.»

Hast du Potenzprobleme?

Jon (35): «Aus Scham bestellte ich Kamagra auf dubiosen Webseiten»

Auch Jon Eisler warnt vor fragwürdigen Online-Plattformen. Der 35-Jährige tappte als junger Mann selbst in die Falle. «Mit 18 hatte ich Erektionsprobleme, aber ich schämte mich, zum Arzt zu gehen. Zwei Jahre lang hoffte ich, dass es von allein besser wird – wurde es aber nicht.» Stattdessen bestellte er über eine dubiose Website aus Indien: «Ich nahm Kamagra, hatte Schweissausbrüche und einen knallroten Kopf. Heute weiss ich: Ich hatte einfach Glück. Andere landen wegen solcher Mittel mit Dauererektion im Spital.»

Er hat deshalb die Schweizer Plattform Everyman Health gegründet, die Männern einen diskreten, sicheren und ärztlich begleiteten Zugang zu Potenzmitteln biete. Der Bedarf ist gross: «In den letzten Jahren kommen immer mehr junge Männer zu uns, die sich online einfach und sicher Potenzmittel besorgen wollen.»

Jon Eisler ist CEO und Mitgründer des Schweizer Startup Everyman Health, dass sich dafür einsetzt, die Gesundheit von Männern zu verbessern.

Jon Eisler ist CEO und Mitgründer des Schweizer Startup Everyman Health, dass sich dafür einsetzt, die Gesundheit von Männern zu verbessern.

everyman.ch

Swissmedic warnt vor Illegal bestellten Potenzmittel

Laut der Heilmittelbehörde bleiben Potenzmittel das am häufigsten illegal importierte Medikament in der Schweiz. Über die Hälfte der 2024 beschlagnahmten 5'668 Präparate waren Erektionsförderer – viele davon überdosiert oder falsch deklariert. Ein Drittel enthielt das Zwei- bis Vierfache der erlaubten Wirkstoffmenge, teils mit riskanten Kombinationen. Die Folge: mögliche Nebenwirkungen wie Herzprobleme oder allergische Reaktionen.

Das kannst du alternativ gegen Potenzprobleme tun

Uroviva betont, dass Potenzprobleme nicht zwingend mit Tabletten behandelt werden müssen. Neben medikamentösen Therapien komme auch die sogenannte Spark-Wave-Therapie zum Einsatz – eine Art Stosswellentherapie, die die Durchblutung fördert. Zusätzlich werden Beckenbodenübungen und physiotherapeutische Massnahmen empfohlen. Besonders hilfreich sei auch eine begleitende Sexualtherapie, um Ängste abzubauen und das Selbstvertrauen zu stärken. Oft sei ein interdisziplinärer Ansatz besonders erfolgreich, daher werden die Ursachen in der Praxis individuell nach dem jeweiligen Problem des Patienten behandelt.

*Name der Redaktion bekannt

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