Lernenden-Demo in Basel: «Sie haben mich ausgelacht und gesagt, ich sei ihr Sklave»

Publiziert

Lernenden-Demo in Basel«Sie haben mich ausgelacht und gesagt, ich sei ihr Sklave»

Am Samstagnachmittag sind um die 250 Lernende auf die Strasse gegangen und haben die Arbeitsbedingungen während der Ausbildung angeprangert.

Um die 250 Demonstrierende waren am Samstagnachmittag in Basel unterwegs, um auf die Arbeitsbedingungen in der Lehre aufmerksam zu machen. Darunter waren auch Teilnehmende, die aus anderen Kantonen angereist sind.

20min/Manuela Humbel

Darum gehts

  • Am Samstagnachmittag zogen 250 Demonstrierende durch die Basler Innenstadt. Viele von ihnen sprachen über ihre Erfahrungen während der Lehre und der Ausbildung. Sie forderten bessere Arbeitsbedingungen.

  • An der Demonstration teilgenommen haben auch die Basler Lernenden-Bewegung «Scorpio», die «IGA Interprofessionelle Gewerkschaft der Arbeiter:innen», die Unia und das Basler «1.Mai-Bündnis».

  • Die Demonstration verlief friedlich, es kam jedoch zu Ausfällen im öffentlichen Verkehr.

«Im zweiten Lehrjahr hat ein Mitarbeiter Bananen auf den Boden geschmissen und verlangt, dass ich sie auflese», erzählt ein Schwarzer. Er steht in der Basler Innenstadt, umringt von circa 250 Menschen.

Vom De-Wette-Park sind die Demonstrierenden Richtung Innenstadt gezogen.
Hier an der Elisabethenstrasse.
In dieser Strasse sind sie stehen geblieben und haben den Gewerbeverband angeprangert. Der Sprecher von diesem sagte gegenüber der <a target="_blank" href="https://www.bazonline.ch/demo-in-basel-lernende-wollen-mindestlohn-871502260239">BaZ</a>: «Die Behauptung, Lernende würden systematisch ausgenutzt, spiegelt sich so nicht in der Praxis.»
1 / 5

Vom De-Wette-Park sind die Demonstrierenden Richtung Innenstadt gezogen.

20min/Manuela Humbel

Am Samstagnachmittag sind Lernende auf die Strassen gegangen, um unter dem Slogan «Ausbildung statt Ausbeutung» gegen die Arbeitsbedingungen während der Lehre und die tiefen Löhne zu demonstrieren. Darunter haben viele auch ihre Rassismus-, Sexismus- und Mobbing-Erfahrungen geteilt.

«Sie haben mich oft Ne***li genannt»

So auch oben genannter Mann. In den Medien möchte der Basler anonym bleiben, seinen Namen und sein Gesicht nicht sehen. An diesem Nachmittag spricht er offen und mit Mikrofon vor den Teilnehmenden. «Eigentlich rede ich nicht gerne vor Menschenmengen», sagt er, «aber ich finde, es ist wichtig, euch zu erzählen, was ich mit 15 in meiner Bäckerlehre erlebt habe.» Klatschen, Pfeifen, Rufe.

«Mein Lehrmeister hat mir gesagt, dass er noch nie einen Schwarzen so gut Deutsch sprechen gesehen habe.» Er fährt fort und erzählt von seinen Erlebnissen während der Lehre. «Ich musste Wäsche aufhängen, bei Minus-Temperaturen in der Garage Berliner frittieren und 30 Kilo schwere Mehlsäcke aus dem Keller hochtragen.» Bei der Treppe hätten ihn die Mitarbeitenden ausgelacht. «Sie haben gesagt, ich sei ihr Sklave, dass ich Ne***li nichts mache, ausser im Betrieb zu putzen. So haben sie mich oft genannt.» Ausgelacht sei er auch geworden, als er sich beispielsweise während der Arbeitszeit verbrannt oder anders verletzt habe.

«Chef wollte, dass ich seine Tasse abwasche»

Durch die Erfahrungen im Lehrbetrieb sei der junge Mann depressiv geworden, habe sich zu Hause in seinem Zimmer zurückgezogen. Die psychische Gesundheit wird von vielen der Demonstrations-Teilnehmenden angesprochen. «Wen erstaunt es schon, dass viele von uns unter psychischen Problemen leiden», sagt eine junge Frau.

Einige der weiblichen Demonstrierenden sprechen über sexistische Erfahrungen und Gewalt, die sie während der Ausbildung erlebt haben. «Ich habe meine Lehre in einem Handwerksberuf gemacht», sagt eine. «Als ich am Morgen hineinkam und meinen Chef begrüsste, reagierte er nicht. Er streckte mir seine dreckige Kaffeetasse entgegen und deutete mit dem Kopf zum Lavabo: ‹Das kannst du doch gut als Frau›, sagte er.»

«Er hat mir zweimal an den Ar*** gefasst»

Eine andere erzählt: «Ich war im zweiten Lehrjahr als Landschaftsgärtnerin. Ein Kollege hat mir zweimal an den Ar*** gefasst. Es hat keine Folgen nach sich gezogen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.» Eine dritte meldet sich: «Im Hochsommer wurde mir als Praktikantin in der Kinderbetreuung gesagt, die Väter könnten sich, wenn sie ihre Kinder abholten, wegen meiner Kleidung nicht zusammenreissen. Am selben Tag ist der Zivi oben ohne mit den Kindern durch den Garten gerannt.»

Ein junger Mann aus der gleichen Branche kommt zu Wort: «Die einzige Wertschätzung, die wir erhalten, ist die von den Kindern und den Angehörigen. Vom Betrieb wird von den Lernenden als selbstverständlich angesehen, dass sie 100 Prozent arbeiten, währenddem das praktisch keiner der Festangestellten tut. Die meisten bei mir in der Berufsschule wissen schon jetzt, dass sie wegen der Arbeitsbedingungen nicht in diesem Beruf bleiben können.»

Das fordern die Lernenden

Es gebe noch unzählige solcher Vorwürfe an Lehrbetriebe unterschiedlichster Branchen, die an diesem Nachmittag gefallen sind. Sie prangern die Löhne an, die von 300 bis – wenn es gut kommt – 1000 Franken reichen, die Überstunden, die nicht aufgeschrieben werden, und die fehlende Wertschätzung.

An der Demonstration waren auch die Unia, die Basler Lernenden-Bewegung «Scorpio», die «IGA Interprofessionelle Gewerkschaft der Arbeiter:innen» und das Basler «1.Mai-Bündnis». Hier am Basler Bankverein.
Von dort ging es hinunter Richtung Barfüsserplatz.
Auch das Dialogteam der Basler Kantonspolizei war vor Ort.
1 / 6

An der Demonstration waren auch die Unia, die Basler Lernenden-Bewegung «Scorpio», die «IGA Interprofessionelle Gewerkschaft der Arbeiter:innen» und das Basler «1.Mai-Bündnis». Hier am Basler Bankverein.

20min/Manuela Humbel

Unter den Demonstrierenden waren die Basler Lernenden-Bewegung «Scorpio», die «IGA Interprofessionelle Gewerkschaft der Arbeiter:innen», die Unia und das Basler «1.Mai-Bündnis». «Scorpio» fordert unter anderem einheitliche Mindestlöhne von 1000 (im ersten Lehrjahr) bis 2500 Franken (im vierten Lehrjahr) sowie psychologische Unterstützung an allen Berufsfachschulen und, dass die Lernenden keine «berufsfremden Arbeiten» ausführen müssen.

Die bewilligte Demonstration begleiteten die Polizei und ein Dialogteam der Kapo. Die Demonstration blieb friedlich und löste sich nach 16 Uhr beim Basler St.-Johanns-Quartier auf. Es kam jedoch zu Ausfällen im öffentlichen Verkehr.

Hast du eine Lehre absolviert?

Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?

Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.

Darum wurde das Kommentarfeld deaktiviert

  • Wir wissen, wie wichtig es ist, eure Meinung zu teilen. Leider müssen wir die Kommentarspalte bei diesem Artikel geschlossen lassen. Es gibt Themen, bei denen wir wiederholt Hasskommentare und Beleidigungen erhalten. Trotz intensivem Aufwand findet in diesen Kommentarspalten kein konstruktiver Austausch statt. Das bedauern wir sehr. Bei Storys rund um Todesfälle, Verbrechen und Unglücke verzichten wir ebenfalls auf die Kommentarfunktion.

  • Uns ist der Austausch mit euch enorm wichtig – er ist ein zentraler Bestandteil unserer Plattform und ein wesentlicher Baustein einer lebendigen Demokratie. Deshalb versuchen wir die Kommentarspalten so oft wie möglich offenzuhalten.

  • Ihr habt es selbst in der Hand: Mit respektvollen, konstruktiven und freundlichen Kommentaren tragt ihr dazu bei, dass der Dialog offen und wertschätzend bleibt. Wir freuen uns auf einen spannenden Austausch in der nächsten Kommentarspalte!

Deine Meinung zählt