AsylchaosLinke fordern mehr Geld für Gastfamilien, SVP will Grenzkontrollen
Die Schweiz steuert auf ein Asylchaos zu. Die SP fordert den Bund auf, mehr Unterkünfte und Geld zur Verfügung zu stellen. Die SVP hingegen will den Zustrom an Geflüchteten beschränken.
Darum gehts
Der Schweiz droht ein Asylchaos: Kältere Temperaturen im Herbst und die erneute Bombardierung Kiews durch Russland werden wohl zu weiteren Flüchtlingsströmen führen. Dazu kommt, dass Private, die bereits seit Monaten Geflüchtete beherbergen, entlastet werden müssen. Die Kantone befürchten deshalb spätestens nach dem Sommer Engpässe bei der Unterbringung.
Auch die Politik erkennt die Probleme. Die Lösungsansätze unterscheiden sich aber stark.
Plan rechts: Genauer kontrollieren, weniger aufnehmen
«Nach den Sommerferien sind wir am Anschlag», sagt SVP Nationalrätin Martina Bircher. «Aus der Ukraine kommen ständig neue Flüchtende an. Hinzu kommen noch die Asylanträge aus anderen Ländern, die sowieso jeden Sommer zunehmen.» Wenn dann noch Private in der Ferienzeit vermehrt ihre aufgenommenen Ukrainerinnen und Ukrainer nicht mehr beherbergen möchten, sei das Chaos vorprogrammiert.
«Die Ressourcen die die Schweiz für Asylsuchende zur Verfügung stellen kann, sind limitiert», sagt Bircher. Auch wenn der Kanton Kollektivunterkünfte wie Turnhallen und Bunker zur Verfügung stellen würde, stosse man irgendwann an Grenzen. Bircher fordert deshalb ein Überdenken der Schweizer Asylpolitik. «Es kann nicht sein, dass die Schweiz unlimitiert alle ukrainischen Geflüchteten aufnehmen muss.» Entsprechend müsse stärker kontrolliert werden, ob eine Person tatsächlich an Leib und Leben bedroht sei und den Schutz brauche. «Nicht alle Regionen der Ukraine sind gleich stark vom Krieg betroffen. Man sollte deshalb so schnell wie möglich vom Schutzstatus S wegkommen und zum ordentlichen Asylsystem zurückkehren», sagt Bircher.
Plan links: Mehr Unterkünfte und Geld zur Verfügung stellen
Anders sieht das SP-Nationalrat Mustafa Atici. Er appelliert an die Solidarität der Schweiz. «Es ist unsere Aufgabe als Land, den schutzbedürftigen Ukrainerinnen und Ukrainern zu helfen.» Um nicht in ein Chaos abzurutschen, müssten sich der Bund und Kantone nun vorbereiten: «Es gibt je nach Kanton oder Gemeinde Hotels, Jugendherbergen oder Einrichtungen wie frühere Spitäler und Heime, die mit wenig Kosten innerhalb kurzer Zeit in Wohnungen umgewandelt werden können», sagt Atici. Er plane deshalb entsprechende Vorstösse für die Herbstsession.
Hat die Schweiz genügend Platz für alle Geflüchteten?
Deshalb findet die Zürcher SP-Nationalrätin Céline Widmer, dass die Gastfamilien in der ganzen Schweiz einheitlich entschädigt werden müssen. Dazu hat sie Mitte Juni eine Interpellation eingereicht. In 19 Kantonen zahle der Kanton einen Beitrag, der zwischen 100 und 270 Franken variiert, schreibt Widmer im Vorstoss. In einem Kanton ist die Aufgabe demnach an die Gemeinden delegiert, welche unterschiedlich vorgehen, und ein weiterer Kanton zahlt einen Beitrag an die Schutzsuchenden, die ihn den Gastfamilien weitergeben müssen. Drei Kantone bezahlen nichts. «Das ist sehr problematisch», sagt Widmer, denn die Gastfamilien leisteten einen sehr wichtigen Beitrag, sie müssten ausreichend und schweizweit einheitlich entschädigt werden.
Mitte tendiert eher nach links
Auch Mitte-Nationalrätin Marianne Binder hat den Vorstoss von Céline Widmer mitunterzeichnet. Es sei richtig, die Beiträge an Gastfamilien zu harmonisieren, sagt sie. Und die Unterstützung der Gastfamilien sei sinnvoll, um die Solidarität aufrechtzuerhalten. Zwar gebe es derzeit noch keinen Notstand, sondern dem Vernehmen nach 20’000 freie Plätze. Doch es sei wünschenswert, dass der Bund diesmal - anders als bei Corona - vorausschauend handle und für einen Engpass im Herbst vorkehre.
EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller sagt: « Auch wenn es architektonisch zu wünschen übrig lässt, hat der Kanton Bern mit dem Erstellen des Containerdorfes eine Möglichkeit aufgezeigt, wie man bei Platzmangel vorgehen könnte.» Bei den privaten Angeboten, die es nach wie vor zahlreich gebe, brauche es Unterstützung der Ämter und eine einheitliche Regelung der Kosten. Und: «Es gibt keinen Grund, warum Flüchtlinge aus der Ukraine anders untergebracht werden sollten als andere Flüchtlinge. Im Notfall halt auch für ganz kurze Zeit in Zivilschutzanlagen.»