Namen und Wohnorte veröffentlichtLinksradikale machen Jagd auf Sicherheitsleute
Ein linksradikales Portal prangert immer wieder die Arbeitsweise der Securitas AG in den Bundesasylzentren an. Nun ist die Situation eskaliert: Die Seite hat persönliche Daten von Sicherheitsmännern herausgegeben.
Darum gehts
- Eine linksradikale Seite hat mehrere Securitas-Mitarbeiter öffentlich an den Pranger gestellt.
- Das Portal bringt die Männer in Zusammenhang mit den Gewaltvorwürfen im Basler Bundesasylzentrum, die Mitte Mai publik gemacht wurden.
- Das Staatssekretariat für Migration und die Securitas kritisieren dieses Vorgehen scharf. Es werde Jagd auf die Mitarbeiter gemacht.
Private Fotos, Wohnorte, ungepixelte Kontrollschilder und wahrscheinliche Aufenthaltsorte: Auf einem linksradikalen Portal sind persönliche Daten von acht Securitas-Mitarbeitern veröffentlicht worden. Das Portal bringt die Männer in Zusammenhang mit den Gewaltvorwürfen im Basler Bundesasylzentrum, die Mitte Mai publik gemacht wurden (siehe Box). Diese seien rassistischer Natur, so die Betreiber. Sie zeigen Fotos von mehreren Sicherheitsleuten, die privat mit türkischen Flaggen posieren. Die Portalbetreiber schreiben aufgrund dessen von «türkischem Nationalismus». Klar ist: In den Bundesasylzentren sind unter anderem auch Kurden untergebracht. Auch wird darauf hingewiesen, dass mindestens einer von ihnen ein Bild von einer Waffe auf Instagram hochgeladen hat. Zudem werfen die Betreiber des Portals der Securitas AG und dem Staatssekretariat für Migration (SEM) vor, die im Mai gemachten Gewaltvorwürfe «vertuschen» zu wollen.
Für das SEM und die Securitas AG, die im Auftrag der Behörde Sicherheitsleistungen in den Bundesasylzentren erbringt, steht fest: Hier wird Jagd auf die Securitas-Mitarbeiter gemacht. «Die extremistische Onlineplattform ruft zu widerrechtlichen Aktionen auf», sagt Securitas-Sprecher Urs Stadler. Die Firma prüfe nun rechtliche Schritte gegen die Betreiber der besagten Website. «Wir gehen davon aus, dass die verbreiteten Angaben zu Einzelpersonen gegen das Persönlichkeitsrecht verstossen.»
Gewalt in den Bundesasylzentren?
In einer gemeinsamen Recherche haben die «Rundschau» von SRF und die «Wochenzeitung» Mitte Mai publik gemacht, dass Sicherheitsleute im Basler Bundesasylzentrum Bässlergut systematisch Gewalt gegen Asylsuchende ausüben sollen (20 Minuten berichtete). In internen Rapporten des Heims war die Rede von Aggressionen seitens der Gesuchsteller gegen die Mitarbeitenden der Securitas AG. Aktuelle und ehemalige Heimbewohner schilderten allerdings eine diametral andere Version der Ereignisse. Mitarbeiter der Securitas wiesen die Vorwürfe von sich. Man reagiere jeweils «verhältnismässig». Das Bundesamt für Migration hatte zu diesem Zeitpunkt «keine Hinweise auf unangemessene Gewalt», wie Kommunikationschef Daniel Bach gegenüber der «Rundschau» erklärte. Aktenkundig aus den letzten drei Jahren sei lediglich ein einziger Fall. Das SEM gab an, die Vorwürfe der Asylsuchenden aufgrund der Recherche von SRF und der «Wochenzeitung» prüfen zu wollen.
Securitas ermittelt auch intern
Auch das SEM verurteile diese Form öffentlicher Denunziation scharf, wie Sprecher Reto Kormann sagt. «Sollte es Bedenken oder Beschwerden gegen diese Mitarbeitenden geben, so sind sie direkt ans SEM zu richten und werden untersucht.» Kormann bestätigt, dass die genannten Mitarbeiter in einem Bundesasylzentrum tätig waren. «Ob diese Personen angesichts der Publikation und der damit verbundenen allfälligen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte weiterhin in diesem Bundesasylzentrum eingesetzt werden können, ist offen.»
Gemäss der Securitas können die betroffenen Männer ihre Rechtschaffenheit belegen. Ausserdem hätten sie Personensicherheitsprüfungen durchlaufen müssen. Und für das SEM im Einsatz stehende Securitas-Mitarbeitende hätten zwingend eine Schulung in interkultureller Kommunikation zu absolvieren.
SEM-Sprecher Kormann weist darauf hin, dass die Securitas einen Kodex unterzeichnen müsse. «Dieser untersagt unter anderem, rechtswidrige – beispielsweise rassistische – Äusserungen oder Bilder in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien zu veröffentlichen sowie das unerlaubte Weitergeben von Informationen über den Arbeitgeber oder dessen Auftraggeber.» Die Securitas prüfe nun, ob dieser Kodex durch Bilder in sozialen Medien verletzt wurde.
Securitas-Sprecher Stadler bestätigt: «Trotz zweifelhafter Publikation nehmen wir die Informationen ernst und prüfen diese intern.» Dennoch würden «weder bildliche Darstellungen eines Heimatlands noch von Waffen dazu berechtigen, über die Gesinnung eines Foto-Urhebers zu urteilen». Stadler: «Gewaltvorwürfe nehmen wir als Sicherheitsunternehmen sehr ernst und klären sie in diesem Fall zusammen mit unserem Auftraggeber fundiert ab.»
Das Portal sei eine öffentliche Informationsplattform, schreiben die Betreiber der Website auf Anfrage von 20 Minuten. Die Site stehe allen Menschen offen, die publizieren wollten, solange die Artikel nicht gegen die Grundsätze des Portals verstossen würden. «Das Publizieren geschieht anonym. Wir vom Moderationskollektiv sind also nicht die Autor*innen der Artikel, wir moderieren nur die Website.»

Rechtsanwalt und IT-Experte Martin Steiger.
steigerlegal.ch«Kritik kann geübt werden, ohne einzelne Personen an den Pranger zu stellen»
Herr Steiger, was halten Sie als Anwalt von der Publikation des linksradikalen Portals?Ich halte es rechtlich nicht für zulässig, einzelne Personen, die in Bundesasylzentren tätig sind, im Internet an den Pranger zu stellen. Die Veröffentlichung der Angaben und Bilder verletzt meines Erachtens den Daten- und Persönlichkeitsschutz der betroffenen Personen.
Kritik an allfälligen Missständen und Rechtsverletzungen in Bundesasylzentren kann geübt werden, ohne einzelne Personen an den Pranger zu stellen. Für die Verfolgung allfälliger Straftaten sind die Strafverfolgungsbehörden zuständig. Für einen solchen Internet-Pranger ist aus rechtlicher Sicht deshalb kein überwiegendes Interesse ersichtlich. Es würde genügen, das Staatssekretariat für Migration, die Securitas sowie weitere beteiligte Behörden und Organisationen zu kritisieren, den Rechtsweg gegen allenfalls verantwortliche Personen zu beschreiten oder demokratische Mittel für eine andere Migrationspolitik zu nutzen. Solche Kritik dürfte in einer solchen politischen Auseinandersetzung durchaus hart ausfallen.
Warum haben die Portalbetreiber private Informationen publiziert?Das Portal setzt sich unter anderem für eine andere Migrationspolitik aus einer «antiautoritären und revolutionären Perspektive» ein. Dafür möchte es unter anderem die Bundesasylzentren sowie das Staatssekretariat für Migration abschaffen. Mit einem solchen Internet-Pranger möchte man es den beteiligten Behörden und Organisationen erschweren, die benötigten Mitarbeiter rekrutieren zu können. Ausserdem hofft man vermutlich darauf, dass sich die Verantwortlichen bei diesen Behörden und Organisationen intern rechtfertigen müssen. Früher trugen Aktivisten ihren Kampf auf die Strasse, heute tragen sie ihren Kampf in den digitalen Raum.
Kann gegen die Betreiber vorgegangen werden?In erster Linie könnten die betroffenen Personen gegen die Verantwortlichen des Portals vorgehen. Sie sollten dabei auf die Unterstützung ihrer Arbeitgeber zählen können, denn diese haben eine Fürsorgepflicht. In zweiter Linie könnten sich aber auch die beteiligten Behörden und Organisationen auf dem Rechtsweg zur Wehr setzen.
Auf welcher Basis?
Im Vordergrund steht eine zivilrechtliche Klage wegen Datenschutz- und Persönlichkeitsverletzung und kein Strafantrag. Bei einem Unterliegen müssten die beklagten Personen einen Teil der Anwaltskosten der betroffenen Personen sowie die Verfahrenskosten tragen. Sie müssten ausserdem allfällige eigene Anwaltskosten selbst bezahlen. Sollte das Urteil verletzt werden, müssten die verantwortlichen Personen mit einer Busse rechnen.
Eine solche Klage wäre auch gegen Mitwirkende möglich, sofern die Verantwortlichen des Portals nicht identifiziert werden könnten. Dazu zählen beispielsweise die Betreiber der Internet-Infrastruktur des Portals.
*Martin Steiger, Rechtsanwalt und IT-Experte