Linsmayer liest «Wenn du nicht wärst» von Maja Peter

So direkt, so unverblümt hat noch kaum je eine Frau in Worten und Beschreibungen die Sexualität gefeiert wie Maja Peter in «Wenn du nicht wärst». Carla, Velofahrerin, Theaterpädagogin und Autorin um die fünfzig, lernt den 53-jährigen Möbelantiquar Samuel kennen. Während sie von der bunt zusammengewürfelten Theaterklasse Paarbeziehungen spielen lässt, verliert sie selbst mit Samuel bis zu extremen Praktiken und in pausenloser erotischer Aktivität jede Scheu und glaubt steif und fest, in dem smarten Mann, der sie «Süsse» nennt, das grosse Glück gefunden zu haben. Bis Samuels Mutter Agnes, auch sie ein rechtes Früchtchen, den Sohn auf raffinierte Weise von ihr weg- und in ihre Arme bringt.

Die Trennung ist perfekt, als Carla mit den Jugendlichen die Sage von Ödipus und dessen Mutter (und Geliebten!) Iokaste spielt und poppig in Verse setzt, wie IOKO bei DIPUS gegen eine gewisse CARO das Rennen macht. Sie sei «spezialisiert aufs Neuerzählen von alten Stoffen. Ich fülle sie mit heutigem Leben», hat Carla Samuel beim ersten Date erklärt. Sollte mit dem «heutigen Leben» eine befreite Sexualität gemeint sein, müsste die Quintessenz der Geschichte dann allerdings lauten: Wenn nichts anderes sie verbindet als Sex, werden CARO und DIPO sich nicht in einer Liebesgeschichte wiederfinden, für die auch eine toll gewordene Schwiegermutter keine Gefahr mehr bedeutet. Maja Peters Roman hat Pfiff und regt zum Nachdenken an, hätte aber da und dort noch etwas mehr Plausibilität gebrauchen können.