«Listenpreise bezahlt heute kaum jemand mehr»

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Rabattitis«Listenpreise bezahlt heute kaum jemand mehr»

Von Singles' Day bis Black Friday: Gefühlt jede Woche gibts einen neuen Rabatt-Tag. Konsumenten erwarten die Sonderangebote bereits regelrecht.

R. Knecht
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R. Knecht
So sieht es beim Schaufensterbummel fast das ganze Jahr hindurch aus.
Laut Tilman Slembeck, Wirtschaftsprofessor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, sind Rabatte ein Zeichen des Wettbewerbs.
Ob die Firmen dabei als Grund den Black Friday, Halloween oder den Singles' Day angeben, sei aus Unternehmersicht egal.
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So sieht es beim Schaufensterbummel fast das ganze Jahr hindurch aus.

Keystone/Steffen Schmidt

In der Schweiz ist Rabattitis ausgebrochen – Händler feiern Halloween, Singles' Day und Black Friday mit allen möglichen Sonderaktionen. Warum es immer noch mehr Spezialtage für Rabatte gibt und ob überhaupt noch jemand bereit ist, den vollen Preis zu bezahlen, sagt Tilman Slembeck, Wirtschaftsprofessor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, im Interview:

Herr Slembeck, warum gibt es dauernd neue Rabatt-Tage?

Rabatt ist das Zeichen von Wettbewerb. Händler können zudem damit prüfen, ob sie bei tieferen Preisen mehr Ware verkaufen. Nun müssen sich die Firmen einen Grund ausdenken, warum sie Rabatt geben. Ob das jetzt Black Friday oder Halloween ist, ist eigentlich egal. Die Firmen könnten ebenso gut einen Mittwochrabatt einführen.

Wird das den Kunden nicht zu viel?

Klar, Konsumenten werden schon rabattmüde. Je mehr Rabatte es gibt, desto weniger stark ist die Reaktion der Kunden. Aktionen sind heute bestimmt weniger spektakulär als früher, denn irgendwo gibt es immer auf irgendwas Rabatt. Rabatt ist sozusagen der Normalzustand.

Was heisst das?

Es hat sich stark relativiert, was Konsumenten unter dem Normalpreis verstehen. Sie wissen, dass es regelmässig Rabatte gibt, und erwarten das auch. Listenpreise bezahlt heute kaum jemand mehr. Besonders typisch ist das bei den Autos, wo Konsumenten erwarten können, dass sie auf den Listenpreis immer irgendeinen Rabatt erhalten.

Kauft überhaupt noch jemand etwas ohne Rabatt?

Das kommt auf den individuellen Kunden an. Es gibt natürlich viele klassische Schnäppchenjäger, die Aktionen bei allen möglichen Produkten abwarten. Aber etwa ein gut verdienender Manager achtet beim Joghurt bestimmt nicht auf den Rabatt – eher vielleicht, wenn er einen neuen Ferrari kauft. Und wer kein WC-Papier mehr hat, muss wohl oder übel welches kaufen, auch wenn es gerade keinen Rabatt gibt.

Was für Rabatte locken Kunden besonders an?

Psychologische Untersuchungen zeigen, dass wir gewohnt sind, in relativen statt absoluten Dimensionen zu denken. Das heisst: Konsumenten finden es eine grössere Ersparnis, wenn ein Taschenrechner für 40 Franken 20 Franken billiger ist, als wenn eine Jacke für 120 Franken um den gleichen Betrag heruntergesetzt wird. Dabei ist die absolute Ersparnis in beiden Fällen genau 20 Franken. Darum werden Aktionspreise oft in Prozenten ausgeschrieben.

Gibt es auch irreführende Aktionen?

Ein Trick ist die sogenannte Tiefpreisgarantie. Diese besagt, dass Kunden sich nach dem Kauf melden können, falls sie das Produkt irgendwo günstiger finden. Der Händler bezahlt diesen Kunden dann die Differenz.

Klingt gut, worin besteht der Trick?

Nehmen wir an, ein Händler hat ein Produkt, das auf dem Markt 100 Franken kostet. Nun erhöht er den Preis auf 110 Franken und schreibt es mit einer Tiefpreisgarantie an. Die meisten Kunden sehen das und denken, dass es sich wohl um den besten Preis auf dem Markt handeln muss. Nur ganz wenige Konsumenten überprüfen den Preis überhaupt und fordern die Differenz zurück. Von den meisten Kunden erhält der Händler nun also 10 Franken obendrauf.

Tilman Slembeck ist Wirtschaftsprofessor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. (Bild: SRF)

Mit diesen Tipps sparen Sie beim Shopping Geld

Wie können Kunden beim Shoppen ihr Portemonnaie schonen? Fünf Tipps:

Vergleichen

Das genau gleiche Produkt gibts bei verschiedenen Händlern oft zu unterschiedlichen Preisen. Gerade bei teuren Artikeln lohnt sich darum der vorgängige Preisvergleich.

Planen

Man sollte nicht nur dann einkaufen, wenn man ein Produkt unbedingt benötigt, sondern dann, wenn es günstig ist. «Mit ein bisschen Planung kann man so viel Geld sparen», sagt Julian Zrotz von Blackfridaydeals.ch zu 20 Minuten.

Gutscheine sammeln

Die meisten Händler verteilen fast ganzjährig irgendwo Gutscheincodes, mit denen die Kunden beim Einkauf sparen können: Vor dem Kauf im eigenen Posteingang und im Netz nach Gutschein-Codes suchen. Hier können auch Online-Plattformen wie etwa Preispirat.ch helfen, wo Konsumenten sich über derartige Angebote austauschen.

Kundenkarten nutzen

Oft erhalten Kunden, die ein Kärtli haben, spezielle Rabatte. So gibts etwa bei Manor zurzeit 20 Prozent auf fast alle Artikel. Dass man gesammelte Punkte bei vielen Händlern auch als Bargeld nutzen kann, ist ebenfalls von Vorteil.

Verhandeln

Manchmal reicht es schon, im Laden nach einem Rabatt zu fragen. Das funktioniert tendenziell eher bei grösseren Anschaffungen oder Gebrauchtwaren. Solange man einen Grund nennen kann, warum man den Rabatt verdient hat, lohnt sich zumindest das Fragen. (rkn/sas)

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