Lohnt sich Solarenergie in unseren Breitengraden?

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Energy ChallengeLohnt sich Solarenergie in unseren Breitengraden?

Zu wenig Sonnenlicht, geringer Eigenverbrauch und hässliche Panels: Das hat es mit den Vorurteilen gegenüber Solarenergie auf sich.

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Das Bundesamt für Energie schätzt das Produktionspotenzial auf Schweizer Dächern und Fassaden auf 67 Terawattstunden pro Jahr. Dies bedeutet, dass eine 40-mal höhere Solarstromproduktion als heute möglich wäre.

Das Bundesamt für Energie schätzt das Produktionspotenzial auf Schweizer Dächern und Fassaden auf 67 Terawattstunden pro Jahr. Dies bedeutet, dass eine 40-mal höhere Solarstromproduktion als heute möglich wäre.

Keystone/Salvatore di Nolfi

«In der Schweiz haben wir zu wenige Sonnenstunden», «was nützt mir saubere Energie, wenn ich sie nicht speichern kann?» oder «Solarenergie ist zwar gut für die Umwelt, aber die Panels sehen hässlich aus»: Diese Kommentare sind im Zusammenhang mit Solarenergie nach wie vor oft zu hören. Da die Sonne eine unerschöpfliche Energiequelle ist und Solarenergie – wie alle erneuerbaren Energieformen – deutlich umwelt- und klimaschonender ist als fossile Brennstoffe, lohnt es sich, diese Mythen und Vorurteile etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Eine weitverbreitete Falschannahme im Zusammenhang mit Solarenergie ist etwa, dass wir in der Schweiz nicht genügend Sonnenstunden hätten für eine rentable Nutzung der Sonnenkraft in Form von Energie. Was hat es damit auf sich? Die jährliche Sonneneinstrahlung variiert hierzulande je nach Standort zwischen 1050 und 1550 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Das heisst: Auf die gesamte Fläche der Schweiz mit ihren 41'285 Quadratkilometern trifft etwa 200-mal mehr Sonneneinstrahlung als im gesamten Land Energie verbraucht wird. Einige sehr sonnige Standorte wie Sion (VS) oder Samedan (GR) sind punkto Einstrahlung sogar mit der italienischen Toskana oder der französischen Provence vergleichbar.

Das Potenzial der Solarenergie wird nicht annähernd ausgeschöpft

Die heutige Verbreitung der Photovoltaik hängt allerdings nur bedingt von der jeweiligen Intensität der Sonneneinstrahlung ab. Zu den Ländern mit der stärksten Nutzung in Europa gehören sowohl südliche Länder wie Griechenland und Italien als auch Deutschland, Belgien oder die Tschechische Republik. Das Bundesamt für Energie schätzt das Produktionspotenzial auf Schweizer Dächern und Fassaden auf 67 Terawattstunden pro Jahr. Dies bedeutet, dass eine 40-mal höhere Solarstromproduktion als heute möglich wäre.

Ein weiteres Vorurteil ist, dass der mittels Photovoltaik-Anlagen erzeugte Strom gar nicht im eigenen Haushalt genutzt werden kann. Dies ist nicht komplett falsch: Solaranlagen produzieren hauptsächlich tagsüber Strom, insbesondere zur Mittagszeit. Auch wenn den Tag über niemand zu Hause ist, gibt es einige Geräte wie Kühlschränke, Gefrierfächer oder Steuerungen, die durchgehend Strom verbrauchen. Weitere laufende Verbraucher können Geräte im Stand-by-Modus wie Fernseher, Stereoanlagen, Router, Kaffeemaschinen oder Kopiergeräte sein. Dieser Strombedarf kann ebenfalls durch die Photovoltaik-Anlagen gedeckt werden. Grosse Stromverbraucher wie Kochherd, Backöfen und Küchengeräte oder IT-Anwendungen werden hauptsächlich am Morgen und Abend genutzt. Je nach Jahreszeit und Wetter können auch sie von der eigenen mit Strom versorgt werden.

Mit überschüssigem Strom E-Fahrzeuge aufladen

«Wer sein Warmwasser und die Heizwärme mit einer Wärmepumpe erzeugt, kann einen grossen Teil der Energie selbst verbrauchen. Der Warmwasserboiler und die Heizung können dabei einen Teil des Solarstroms problemlos speichern», erklärt Energieberater Jules Pikali, der während der letzten Energy Challenges als Dr. Energy Leserfragen beantwortete. Der Eigenverbrauchanteil kann auch mit einer durchdachten Bewirtschaftung der Haushaltsgeräte wie Waschmaschine und Geschirrspüler zusätzlich verbessert werden. «Zudem gibt es einige Geräte wie Kühlschränke, Gefrierfächer oder Steuerungen, die durchgehend Strom verbrauchen und die Energie dafür von der hauseigenen Solaranlage beziehen. Überschüssiger Strom kann auch zum Laden eines Elektrovelos oder Elektroautos genutzt werden», so Pikali.

Welcher Anteil des produzierten Stroms selbst verbraucht werden kann, hängt vor allem von der Grösse der Anlage und dem individuellen Energie-Nutzungsverhalten ab. Bei einer sehr kleinen Anlage von zwölf Quadratmetern sind 35 bis 50 Prozent des produzierten Stroms für den Eigengebrauch. Der restliche Teil wird gegen eine Vergütung des Stromversorgers ins Netz gespeist. Ist die Anlage etwas grösser und misst bis zu 30 Quadratmeter, können nur noch 20 bis 40 Prozent des produzierten Stroms im eigenen Haushalt verbraucht werden.

Sonnenkollektoren beanspruchen weniger Fläche als Photovoltaikanlagen

Deutlich weniger verbreitet als Photovoltaik-Anlagen sind hierzulande solarthermische Anlagen: sogenannte Solarkollektoren, mit denen Wärme erzeugt wird. Eine solarthermische Anlage beansprucht eine deutlich kleinere Fläche als eine Photovoltaikanlage. Als Faustregel gilt, dass etwa ein bis zwei Quadratmeter pro Person im Haushalt erforderlich sind. Aus diesem Grund ist man viel freier bei der Platzierung der Kollektoren. Wenn sich die Dachfläche nicht eignet, kann ein solcher Kollektor auch in das Balkongeländer integriert werden. Der vertikale Einbau der Kollektoren ist energetisch gesehen besser. Insgesamt ist dabei die erzeugte Wärmemenge zwar kleiner, aber es sind insbesondere die Sommermonate betroffen, bei welchen ohnehin eine Überproduktion vorhanden ist. Umgekehrt nimmt aber die Produktion in den Wintermonaten mit tiefem Sonnenstand zu.

Nicht zuletzt haben auch Architekturfans und Heimatschützer ihre Bedenken gegenüber Solaranlagen und kritisieren, die an der Aussenfassade von Häusern angebrachten Module seien hässlich anzusehen. Die heute meistverbreitete Technologie sind kristalline Module, die in Standardgrössen produziert werden und meist blau bis schwarz aussehen. In den letzten Jahren wurden diese jedoch stark weiterentwickelt und die Auswahl ist deutlich grösser geworden. Bei kristallinen Silizium-Modulen beispielsweise können die einzelnen Zellen anders aneinandergereiht werden und damit mehr Formen bilden als nur die Standard-Rechtecke. Dünnschicht-Module erlauben nochmals flexiblere Formen und ermöglichen unter anderem eine Anpassung an eine geschwungene Form. Sogar die Farben der Module können mit neuen Technologien verändert werden. Inzwischen reicht die Farbpalette von Grün über Rot bis hin zu Weiss.

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