Fussball-Nati: Lucas Blondel - der Argentinier im Schweizer Team

Lucas Blondel hat einen weiten Weg hinter sich. Mehr als 10'000 km von Buenos Aires nach Faro, ins Trainingslager der Nati in Portugal. Den Jetlag hat er überwunden, gewöhnen muss sich der 28-jährige Verteidiger noch an die vielen neuen Gesichter. «Es ist eine lange Reise, aber ich habe kein Problem damit», sagt Blondel. «Ich brauche nur noch ein bisschen Zeit, um mich hier im Camp anzupassen.»

Allzu gross soll die Adaption aus Sicht der Trainer gar nicht sein. «Lucas muss sich hier nicht gross ändern», sagt Davide Callà, «er soll seine Qualitäten ungefiltert ins Team einbringen.» Der neue Assistenztrainer von Murat Yakin ist wegen seiner Vielsprachigkeit der erste Ansprechpartner für den Mann aus Argentinien. Der Schweizer Doppelbürger spricht nebst Spanisch auch Französisch.

Lucas Blondel stammt aus einer Westschweizer Tennis-Dynastie. Sein Vater versuchte die Familientradition auf ihn zu übertragen, doch das Spiel mit dem kleinen Filzball kostete ihn trotz viel Ballgefühl zu viele Nerven. «Ich liess meinen Frust oft am Schläger aus», gibt Blondel zu. «Ich mache Sport auch viel lieber innerhalb einer Mannschaft, deshalb habe ich mich für Fussball entschieden.»

Bei Atlético de Rafaela in Santa Fé etabliert er als Teenager sein Talent auch mit dem grossen Ball und zieht später nach seiner Volljährigkeit nach Buenos Aires. Über den eher beschaulichen Quartierverein CA Tigre gelingt ihm der grosse Sprung zu den Boca Juniors, einem Verein mit weltweiter Ausstrahlung und einer Clublegende, die bis heute alles überstrahlt: Diego Armando Maradona.

Der Geist des 2020 verstorbenen argentinischen Weltmeisters von 1986 ist allenthalben zu spüren. Entsprechend frenetisch sind die Fans – ein Fanatismus und Fussballkult sondergleichen. Die Stimmung im Stadion Bombonera ist berühmt und berüchtigt. Beschreiben kann es Blondel nur mit Mühe. «Das kann man fast nicht in Worte fassen. Das muss man vor Ort erlebt haben, um es zu verstehen.»

Etwas besser gelingt es Murat Yakin, der extra für einen Besuch von Blondel nach Buenos Aires gereist ist. «Die Verehrung von Maradona überall spürbar. Und die Atmosphäre in der Arena ist einfach der Wahnsinn – die Fankultur dort ist brutal.» Für dieses Erlebnis ist Yakin für einmal zwei Stunden früher zum Spiel angereist und war baff ob den vielen Eindrücken.

Beeindruckt war Yakin auch von den Qualitäten von Blondel. Eine Figur, die ihm in der derzeit geschwächten Schweizer Defensive noch viel Freude bereiten könnte. «Er steht für Grinta – diese argentinische Härte», sagt der Nati-Trainer und schwärmt vom Mut und der Entschlossenheit des beinharten Verteidigers auf der Aussenbahn. «Seine positive Aggressivität wird uns sicher sehr guttun.»

Bei den Boca Juniors, dem Rekordmeister und aktuellen Leader, bearbeitet Blondel in der Regel die rechte Seite – das macht er Woche für Woche als Stammspieler. Es gab aber auch schon Spiele, in denen er vom Zentrum aus agierte und im Copa Libertadores zu einer empfindlichen Niederlage führte. Das führte zu Kritik am Trainer und vielen Fragen zur Spielphilosophie.

«Einmal spielt Blondel als Flügel, dann im Zentrum», kritisierte die prominente Fussball-Moderatorin Morena Beltran das System von Coach Fernando Gago, der einst für im defensiven Mittelfeld für Real Madrid spielte. Brisant an der Schelte: Sie ist die Freundin von Blondel und ein Superstar in Argentinien. Über zwei Millionen Menschen folgen ihr auf Instagram, wo sie alle Facetten ihrer Arbeit und ihres Privatlebens zur Schau stellt.

Blondel muss schmunzeln, als er im Nati-Trainingslager von 20 Minuten auf seine Freundin angesprochen wird. «Sie ist eine Journalistin so wie ihr», sagt Blondel und lächelt verlegen. Er will nicht allzu viele Worte verlieren, erklärt aber, was sich hinter ihrer auffälligen Silhouette verbirgt. «Meine Freundin ist eine Fachfrau. Sie kennt sich sehr gut aus im Fussball, sie kann das Spiel sehr gut lesen.»