«Made in Bangladesh? Mir doch egal!»

Aktualisiert

Primark, H&M & Co.«Made in Bangladesh? Mir doch egal!»

Wie sehr achtet man beim Kleiderkauf auf die Herkunft? Unsere Umfrage zeigt: gar nicht. Hauptsache billig. Wenn möglich ohne Ausbeutung. Wenn es nicht geht – auch egal.

von
Blerina Selmani

Muss Kleidung möglichst billig sein oder spielt die Qualität die Hauptrolle? Wie sieht es mit dem Herstellungsland aus? Schrecken Kunden vor «Made in Bangladesh»-Ware zurück oder interessiert das Zetteli hinten am Kragen sowieso niemanden? In einer grossen Umfrage wollten wir wissen: Wie und vor allem wo kaufen Sie ein? Über 5500 20-Minuten-Leser haben an der nicht repräsentativen Umfrage teilgenommen, davon drei Viertel Frauen. Obgleich die Teilnehmerzahl zwischen Männern und Frauen grosse Unterschiede aufweist, waren sich die Geschlechter einig – vor allem bei der Frage, wo man einkauft.

Zwar locken im Internet unzählige Online-Shops, Herr und Frau Schweizer bevorzugen dennoch den Weg in den Laden: Über 80 Prozent geben an, dass sie ihre Kleidung in Schweizer Klamottenläden kaufen. 32 Prozent shoppen auch gerne mal im Ausland. Den Online-Warenkorb füllen rund 30 Prozent – das jedoch nur auf Schweizer Shopping-Sites. Etwa jeder Sechste setzt auch online aufs Ausland.

Die Gründe für den Kleiderkauf im Laden sind einleuchtend – schliesslich möchte man wissen, ob die Sachen einem stehen und vor allem passen. Jeder fünfte Befragte probiert die Ware hingegen entweder gar nicht an oder nur die Stücke, die seiner Meinung nach zu teuer wären, um sich als Fehlkauf zu entpuppen.

Und wenn die gelieferte oder nicht anprobierte Hose dann doch zu eng ist? Dann landet sie bei jedem Dritten trotzdem im Schrank. Knapp die Hälfte tauscht die Kleidung um oder schickt sie wieder zurück, ein gutes Viertel verschenkt die unpassenden Stücke und jeder Zwanzigste schmeisst die Teile ungetragen in den Müll. Auch beim Ausmisten vom Kleiderschrank geben 15 Prozent an, die Klamotten nicht in die Altkleidersammlung oder Ähnliches zu geben, sondern wegzuwerfen.

Utopische Vorstellungen von Kleiderherstellung

Aufgrund dieser Antworten ist es doch ein wenig verwunderlich, dass unter anderem genau diejenigen Konsumenten, die die Kleidung nicht einmal anprobieren, angeben, dass es ihnen bei Neuware vor allem wichtig ist, dass sie «gut sitzt». Nebst der guten Passform ist bei 75 Prozent auch die Qualität ein wichtiger Punkt, dicht gefolgt vom Preis (70 Prozent).

Preiswerte Kleidung von guter Qualität, die auch noch sitzt – eine fast schon utopische Vorstellung. Dass die Kleidungsstücke Einzelteile und keine Massenproduktionen sind, diesen Anspruch hat hingegen so gut wie niemand (sechs Prozent). Auch das Herstellungsland der Ware interessiert nur jeden Zehnten. Ob es Fair-Trade-Kleidung ist, das wollen nicht einmal sechs Prozent wissen.

«Ist es Ihrer Meinung nach moralisch vertretbar, Billigmode zu tragen?» war eine weitere Frage. Die überraschende Antwort: Jeder Dritte weiss es nicht. Rund 38 Prozent sehen kein Problem darin. Ein weiteres Drittel findet es moralisch nicht vertretbar, da man damit die Menschen in den produzierenden Ländern ausbeutet.

Was man findet und was man letztlich tut, sind zwei verschiedene Paar Schuhe: Drei Viertel der letztgenannten Antwortgeber kaufen ihre Kleider bevorzugt in grossen Kleiderketten wie H&M, Tally Weijl, C&A, Chicorée & Co. – unter anderem auch im Ausland im Schnäppchen-Paradies Primark. Laut einer Reportage des ZDF sind die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in den Fabriken in Bangladesch – wo der grösste Teil des Primark-Sortiments hergestellt wird – unmenschlich.

Billigkleiderladen in der Schweiz? «Ist mir egal»

Ob es in der Schweiz einen Primark braucht, war die Anschlussfrage. 40 Prozent sind der Meinung, dass die Schweiz auf diesen Billigladen verzichten kann. «Ja, das fände ich gut!», antwortete hingegen knapp jeder Dritte. Eine entsprechende Facebook-Seite, gegründet von Studenten, die für einen Einzug der Billigkleiderkette in der Schweiz kämpfen, hat bereits über 15'000 Fans.

Oliver Classen, Sprecher der Erklärung von Bern (EvB), welche die globale Clean Clothes Campaign in der Schweiz vertritt, sagt: «Wer einen Ultrabilligdiscounter wie Primark in die Schweiz holen will, hat entweder keine Ahnung von den Arbeitsbedingungen in asiatischen Kleiderfabriken oder ist erschreckend gleichgültig.» Gleichgültig, das ist dieses Thema einigen Befragten. Das restliche Drittel hat auf die Frage, ob ein Billigkleiderladen wie Primark in der Schweiz eröffnen sollte, mit «Ist mir egal» geantwortet.

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