BehördenversagenMädchen (8) schildert, wie es vom Vater Missbraucht wurde
Jahrelang missbrauchte ein Vater seine Tochter. Als sie sich im April der Kinderpsychiatrie Baselland anvertraut, tut diese erst mal nichts und informiert zwölf Tage später die Kesb und den beschuldigten Vater, nicht aber die Staatsanwaltschaft.
Darum gehts
- Jahrelang wurde ein heute achtjähriges Mädchen durch ihren Vater schwer sexuell missbraucht, am 22. April offenbarte sie sich einer Fachperson der Kinder- und Jugendpsychiatrie Baselland.
- Die KJP meldete den Fall aber nicht der Staatsanwaltschaft, sondern wartete zwölf Tage zu, bis sie dann die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Dorneck-Thierstein und den Kindsvater über die schweren Vorwürfe ins Bild setzte.
- Damit gefährdete die KJP Baselland das Strafverfahren gegen den mutmasslich pädophilen Kindsvater, der nun gewarnt war und Gelegenheit hatte, Beweise zu vernichten.
- Gegen eine Oberärztin und die Chefärztin der KJP wurden Strafanzeigen eingereicht, gegen die Kesb wurde eine Aufsichtsbeschwerde erhoben.
«Was belastet dich gerade?», fragt die Kinderpsychiaterin. Was das achtjährige Mädchen der Mitarbeiterin der Baselbieter Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) danach offenbart, lässt den Atem stocken. «Gerade das letzte Mal sagte Papa, dass er will, dass wir wieder zu ihm kommen am nächsten Tag. Er würde mich dann anbinden, das Schnäbi reinstecken und mich mit dem Schwert umbringen.» Die Todesdrohung habe er ausgesprochen, weil sie sich gegen die Vergewaltigung wehrte.
Das Mädchen schildert die Übergriffe in drastischer Klarheit. Ihr Vater habe ein Foto von ihr auf der Toilette gemacht und darüber onaniert. Seit dem Kindergarten, seit sie sich erinnern könne, mache er so «grusigs Züg». Die «Basler Zeitung» veröffentlichte am Mittwoch den Audiomitschnitt der Befragung vom 22. April. Dieser wurde vom Anwalt der Kindsmutter freigegeben.
Ermittlungen gegen Kindsvater gefährdet
Die Aussagen sind deshalb besonders brisant, weil sie beweisen, dass die KJP seit dem 22. April um die pädophile Neigung des Vaters wusste. Aber dann zuerst einmal nichts tat. Wie die BaZ berichtet, wurde die zuständige Oberärztin der Kinderpsychiatrischen Dienste aktiv. Sie informierte aber nicht etwa die Staatsanwaltschaft, weil hier offensichtlich ein dringender Verdacht eines Offizialdelikts vorlag, sondern die Kesb und den beschuldigten Vater.
Das war fatal. Der Vater war damit gewarnt und hatte die Gelegenheit, belastende Beweise zu vernichten. Eine Hausdurchsuchung durch die zuständige Solothurner Staatsanwaltschaft soll erst am 13. Mai stattgefunden haben. Diese hatte den Vater schon länger im Visier, weil es mehrfache Gefährdungsmeldungen, Aufsichtsbeschwerden und im Dezember 2019 sogar eine Strafanzeige gegen ihn gab.
Vernichtende Kritik an Kesb
Keine gute Falle machte dabei auch die fallführende Kesb Dorneck-Thierstein, die untätig blieb und entgegen dem Rat von Fachpersonen an weiteren Kindsbesuchen beim Vater festhielt. «Die Kesb ist nicht fähig und nicht willens, in diesem sich dramatisch weiterentwickelnden Kindsschutzfall wirklich hinzuschauen. Sie ist in erschreckendem Ausmass unorganisiert», heisst es in einer Aufsichtsbeschwerde, die der «Solothurner Zeitung» vorliegt. Darin werden ein Aufsichtsverfahren und personalrechtliche sowie juristische Konsequenzen gegen die zuständigen Verantwortungsträgerinnen der KJP und Kesb verlangt.
Während das Strafverfahren gegen den Vater Corona-bedingt kaum vom Fleck kommt, haben sich Mutter und Tochter in Sicherheit gebracht. Gegen die Oberärztin und deren vorgesetzte Chefärztin sind Strafanzeigen wegen Verletzung von Amtspflichten eingereicht worden.