Kanton Zürich: Mädchen-Gang drohte 13-Jähriger, sie mit Benzin zu überschütten und anzuzünden

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Kanton ZürichMädchen-Gang drohte 13-Jähriger, sie mit Benzin zu überschütten und anzuzünden

Eine siebenköpfige Mädchen-Gang mobbte und terrorisierte die 13-jährige Anja* und ihre Schule. Auch die Mutter wurde bedroht, die beiden mussten umziehen. Zwei Haupttäterinnen wurden mittlerweile verurteilt.

Über Snapchat, aber auch im realen Leben, hat eine siebenköpfige Mädchengang eine 13-Jährige während Monaten gemobbt. 
Cybermobbing ist ein Problem, das laut einem Experten viele Schulen und Eltern überfordert. 
Auf Plattformen wie Snapchat haben die Mädchen Fotos geteilt. 
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Über Snapchat, aber auch im realen Leben, hat eine siebenköpfige Mädchengang eine 13-Jährige während Monaten gemobbt. 

20min/Michael Scherrer

Darum gehts

Die letzten Jahre waren für F. B.* (53) und ihre Tochter die Hölle: Seit der 4. Klasse wurde Tochter Anja* in der Schule von einer siebenköpfigen Mädchengang gemobbt. Der Übergang in die Sek hat die Situation nicht verbessert – im Gegenteil: Die Täterinnen wechselten an dieselbe Schule.

Einschüchterungen und Cybermobbing wurden in letzter Zeit so schlimm, dass Anja sich seit Monaten nicht mehr zu Fuss in die Schule traute. «Fotos und Videos von ihr wurden über Snapchat geteilt, sie wurde blossgestellt und erniedrigt», erzählt B. Die Pausen verbrachte Anja nur noch im Lehrerzimmer, musste sie aufs WC, begleitete sie eine Lehrerin. An eine Wand im Skatepark wurden Beleidigungen gegen sie gesprayt.

«Sie haben auch anderen gedroht»

Auch andere Schülerinnen und Schüler wurden von der Gang terrorisiert: «Sie haben ihnen gedroht: Wenn jemand auch nur mit meiner Tochter spreche, sei er oder sie die Nächste», sagt B. gegenüber 20 Minuten. Ein Grossteil der Schülerinnen und Schüler habe sich nicht mehr getraut, mit Anja zu sprechen, sie sei völlig isoliert gewesen.

Immer wieder habe sie bei der Schulleitung vorgesprochen, sagt B. «Doch sie sagten mir, sie hätten nichts in der Hand, sie könnten nichts machen.» Tochter Anja habe weitergelitten, depressive Symptome entwickelt und müsse seither zur Kinderpsychologin.

«Wir wollten nicht einsehen, weshalb wir nachgeben sollen»

«Klar hätten wir umziehen und die Schule wechseln können. Doch wir wollten nicht einsehen, weshalb wir als Opfer nachgeben sollen, anstatt dass die Täterinnen bestraft werden», sagt B. Mitte Januar dann der traurige Höhepunkt: «Die Mädchen drohten meiner Tochter, sie mit Benzin zu übergiessen und anzuzünden», erzählt B. unter Tränen. Auch die Mutter riefen die Mädchen an und sagten, ihr drohe dasselbe Schicksal. «Sie beschimpften mich aufs Übelste und sprachen wüste Drohungen aus. Da hat es mir gereicht», sagt B. Am selben Tag, dem Samstag, 15. Januar, ging sie zur Polizei und erstattete Anzeige.

Die Mädchen hatten die Drohungen gefilmt, die Daten aber wieder gelöscht. Beweise gab es keine. «Nur dank der mutigen Aussage eines anderen Mädchens aus der Schule konnten die zwei Haupttäterinnen schnell identifiziert und schon am Mittwoch zur Befragung auf den Polizeiposten geholt werden», sagt B.

Hattest du schon einmal Probleme mit Mobbing? 

Zwei 13-Jährige verurteilt

Mittlerweile wurden die zwei damals 13-jährigen Mädchen mit einem Strafbefehl wegen Drohung und Beschimpfung verurteilt. B.* ist froh, wurde etwas gegen die Täterinnen unternommen. Für sie und ihre Tochter kam die Hilfe aber zu spät: «Ich habe einen Antrag gestellt und meine Tochter von der Schule genommen. Wir sind umgezogen und Anja kann die Oberstufe an unserem neuen Wohnort weiterführen. Leider sind ihre Noten seit den ganzen Vorfällen nicht mehr gut genug für die Kanti.» B. hofft jedoch für ihre Tochter, dass sie am neuen Ort einen Neuanfang machen kann.

An die Öffentlichkeit geht sie mit der Geschichte, um für die Themen Mobbing und Cybermobbing zu sensibilisieren und andere Betroffene darauf aufmerksam zu machen. «Es geht mir nicht darum, jemanden schlechtzureden oder Vorwürfe zu machen. Aber ich hätte mir im ganzen Prozess mehr Unterstützung gewünscht, insbesondere von der Schulleitung und der Schulpräsidentin», sagt B.

Für Pascal Kamber, Fachberater Mobbing bei www.hilfe-bei-mobbing.ch, ist klar: «Eigentlich darf es gar nicht so weit kommen, dass Gesetze aus dem Jugendstrafrecht angewendet werden müssen. Die Problembehandlung hätte viel früher anfangen müssen.» Er weiss aber auch: «Aufgrund fehlender Ressourcen und Überforderung auf vielen Seiten, kommt es leider immer wieder so weit. Politik, Schulen, Lehrpersonen und Eltern hinken in den Bereichen Mobbing und insbesondere Cybermobbing den Entwicklungen hinterher.»  

*Namen der Redaktion bekannt

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von (Cyber-)Mobbing betroffen? 

Hier findest du Hilfe:

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Fachstelle Mobbing (kostenpflichtig)

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Hilfe bei Mobbing, Fachstelle für Schulen und Eltern (kostenpflichtig)

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz


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