Sperma-ChemieMänner-Samen tangiert Frauen-Zyklus
Was haben Rinder, Lamas und Mäuse gemeinsam? Forscher haben entdeckt, dass ein Eiweiss im Ejakulat der Säugetiere den Eisprung der Weibchen forciert. Die Ergebnisse sind auch auf Menschen übertragbar.
Die Samenflüssigkeit des Mannes ist mehr als nur Gleitmittel und Schwimmhilfe für die Spermien: Sie enthält ein Eiweiss, das den weiblichen Eisprung fördert. Ein internationales Forscherteam hat dieses Eiweiss erstmals in Rinder-, Mäuse- und Lama-Ejakulat entdeckt und seine Struktur und genaue Funktion bestimmt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Substanz bei allen Säugetieren und somit auch beim Menschen vorkommt.
Die Entdeckung belege, dass der Mann über seine Samenflüssigkeit einen direkten Einfluss auf den Hormonhaushalt und Zyklus der Frau ausübe. Es sei daher überraschend, dass dieser Stoff und seine Wirkung nicht schon früher entdeckt worden sei, berichten die Forscher im Fachmagazin «Proceedings of the National Academy of Sciences».
Gebärmutter hilft Samenflüssigkeit
Lange Zeit galt die Samenflüssigkeit hauptsächlich als Vehikel für den Spermientransport, wie Marcelo Ratto von der Universidad Austral de Chile in Valdivia und seine Kollegen erklären. Sie enthalte beispielsweise eine Substanz, die die Schleimhaut von Eileitern und Gebärmutter dazu anrege, sich wellenartig zu bewegen, und bringe so die Spermien in Richtung Eileiter.
Es sei aber rätselhaft gewesen, warum diese Flüssigkeit trotz ihrer begrenzten Aufgaben durch einen so aufwendigen und komplexen Drüsenapparat produziert wird. Beim Menschen hielt man dies für ein Relikt der Evolution: Ein Überbleibsel aus Zeiten, in denen Männchen bei der Paarung noch einen selbsthärtenden Pfropfen in den Genitalien der Weibchen hinterliessen - wie es beispielsweise bei Mäusen der Fall ist.
Lamaweibchen lieferten erste Hinweise
Einen ersten Hinweis auf eine weitere Funktion der Samenflüssigkeit lieferten den Forschern Lamas: Bei ihnen, wie auch bei anderen Kamelverwandten, aber auch bei Koalas und Kaninchen wird der weibliche Eisprung erst durch die Paarung ausgelöst. Es lag daher nahe, dass es im Ejakulat der männlichen Lamas eine Substanz geben musste, die dies bewirkt.
Ratto und seine Kollegen haben diese Substanz nun mittels chemischer Analysen und Röntgenkristallografie identifiziert. Es handle sich dabei um ein Eiweiss, den sogenannten Beta Nerve Growth Factor (Beta-NGF), berichten sie. Injizierten die Forscher weiblichen Lamas eine Lösung dieses Eiweisses, bekamen diese wenige Stunden später ihren Eisprung.
Eiweiss auch bei Mäusen und Rindern
In einem weiteren Versuch wiesen die Forscher nach, dass das Eisprung fördernde Eiweiss nicht nur bei Lamas, sondern auch bei Mäusen und Rindern im Ejakulat vorkommt. Alle gehören wie der Mensch zu den Säugetieren, bei denen der Eisprung durch den weiblichen Hormonzyklus gesteuert wird. Die Eizelle reift daher auch ohne Paarung einmal im Monat heran und wird in die Gebärmutter abgegeben.
Der Nachweis des Beta-NGF in der Samenflüssigkeit von Rindern und Mäusen lege aber nahe, dass bei ihnen und möglicherweise auch beim Menschen das männliche Ejakulat durchaus den Zyklus beeinflussen könne, sagen die Forscher. Das Ergebnis könne nicht nur erklären, warum der Mann noch immer einen so komplizierten Drüsenapparat für seine Samenflüssigkeit besitzt. Der Fund des Beta-NGF könnte auch dazu beitragen, Unfruchtbarkeit beim Menschen zukünftig besser zu verstehen und zu behandeln. (sda)