ZigarettenschmuggelMafia hatte Beziehungen zu Schweizer Banken
Mittels Videoübertragung von einem geheimen Ort in Italien hat ein reumütiger Mafioso ausgesagt, wie die neapolitanische Camorra ihre Gewinne aus dem Zigarettenschmuggel mittels Kurieren auf Banken in die Schweiz brachte.
Das Bundesstrafgericht in Bellinzona hörte den 39-jährigen Neapolitaner, der mit der italienischen Justiz zusammenarbeitet, am Mittwoch im Rahmen der Verhandlung gegen neun mutmassliche Hintermänner der Zigaretten-Mafia an. Er gab an, die Namen der neun Angeklagten nicht zu kennen. In Mafia-Kreisen habe man stets Pseudonyme verwendet. «Aber ich kenne Leute, die Beziehungen zu Schweizer Banken hatten», sagte der ehemalige Mafioso, der in Italien wegen Tötung, Raub und Waffendelikten verurteilt wurde.
Den Hauptangeklagten nicht erkannt
Laut eigenen Angaben besuchte er in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre das Tessin. Geld habe dabei keine Rolle gespielt. In einer Wechselstube habe er ausreichend Bargeld erhalten.
Allerdings erinnerte sich das Mitglied des Giuliano-Clans nicht mehr, wo sich die Wechselstube befand (»in der Mitte des Kantons Tessins»). Auch erkannte er den Hauptangeklagten nicht, einen ehemaligen Besitzer einer Wechselstube im Tessin.
Die Bundesanwaltschaft (BA) bezichtigt den 73-Jährigen und acht weitere Angeklagte der Geldwäscherei und der Unterstützung einer kriminellen Organisation. Sie sollen zwischen 1994 und 2001 am Schmuggel von 215 Millionen Stangen Zigaretten im Wert von damals rund 800 Millionen US-Dollar beteiligt gewesen sein.
Gemäss Anklageschrift gelangten die Zigaretten unversteuert nach Montenegro, wo sie die neapolitanische Camorra und die apulische Sacra Corona Unita übernommen und auf dem italienischen Schwarzmarkt abgesetzt hätten.
Angeklagte fühlen sich unschuldig
Über die Wechselstube des 73-jährigen Rentners aus Mendrisio soll der Erlös aus dem Zigarettenschmuggel in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust und später für den Ankauf von Zigaretten aus Zollfreilagern verwendet worden sein.
Die Angeklagten bestreiten nicht, am Handel mit Zigaretten beteiligt gewesen zu sein. Aber sie wollen nur legale Geschäfte getätigt haben. Den Vorwurf, Mitglieder oder Gehilfen der Mafia gewesen zu sein, weisen sie zurück.
Am Mittwochnachmittag und am Donnerstag steht die Einvernahme von weiteren reumütigen Mafiosi sowie von italienischen Polizisten auf dem Programm. Der Prozess vor dem Bundesstrafgericht dauert voraussichtlich bis Mitte Juni.
(sda)