Tempo 30 in ganz Winterthur - «Man kann ja gleich das Fahrzeug schieben»

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Tempo 30 in ganz Winterthur«Man kann ja gleich das Fahrzeug schieben»

Der Winterthurer Stadtrat will das Tempo auf den Strassen generell reduzieren. Ein Experte sagt, dass eine Senkung alleine nicht reicht.

Tempo 30 soll auf den Winterthurer Strassen bald Normalität sein.
Stadträtin Christa Meier (SP) ist überzeugt, dass der Vorschlag bei der Bevölkerung gut ankommt.
Sie rechnet aber mit Rekursen.
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Tempo 30 soll auf den Winterthurer Strassen bald Normalität sein.

Tamedia/Francisco Carrascosa

Darum gehts

  • Der Winterthurer Stadtrat will fast flächendeckend Tempo 30 einführen, in Wohnquartieren soll es mehr Tempo 20 geben.

  • Die zuständige Stadträtin ist überzeugt, dass der Vorschlag bei der Bevölkerung gut ankommt, dennoch rechnet sie mit Rekursen.

  • Ein Verkehrsexperte sagt, dass es nur mit einer Temporeduktion nicht gemacht ist.

Winterthur will bis 2040 auf fast allen Strassen das Tempo auf 30 km/h reduzieren. Bei der 20-Minuten-Community fällt die Idee durch. Drei Viertel nerven sich darüber, wie eine Umfrage zeigt. Entsprechend tönt es auch in der Kommentarspalte: «Man kann ja gleich das Fahrzeug schieben», heisst es. Oder: «Kann man die Autofahrenden mal in Ruhe lassen», fragt sich ein anderer Nutzer. Schon jetzt stocke der Verkehr und es gebe viel Stau. Andere kritisieren die Auswirkungen auf das Gewerbe und den öffentlichen Verkehr. Es gibt aber auch positive Rückmeldungen: «Tempo 50 ist vielerorts absolut sinnfrei. Man tritt schnell aufs Gas, nur um dann wieder vor der nächsten Ampel zu warten.»

Stadträtin rechnet mit Rekursen

SP-Stadträtin Christa Meier ist überzeugt, dass ein grosser Teil der Winterthurer Bevölkerung positiv darauf reagieren wird. «Viele Anwohner wünschen sich Lösungen. Mit diesem Plan sind wir am Puls der Zeit.» Dass das Thema Autoverkehr ein sehr emotionales Thema sei, ist sich die Politikerin bewusst: «Wir rechnen dementsprechend auch mit Rekursen.» Die Tempoanpassungen werden jeweils öffentlich ausgeschrieben, danach beginnt eine Einsprachefrist von 30 Tagen.

Die ersten Massnahmen sollen bereits nächstes Jahr umgesetzt werden. Ausnahmen mit Tempo 50 oder 60 sind auf Teilstrecken mit Umfahrungscharakter möglich, wie etwa bei Autobahnzubringern. «Das betrifft aber nur Strecken, auf denen es weder Fussgänger noch Veloverkehr hat.»

«Tempo 30 kostet Chancen»

Nur mit einer Reduktion der Höchstgeschwindigkeit sei es nicht gemacht, sagt ETH-Professor Kay Axhausen. «Die Temporeduktion führt zu einer schlechteren Erreichbarkeit – was die Bürgerinnen und Bürger Chancen kostet.» Es gehe deshalb darum, die Erreichbarkeit mit anderen Massnahmen sicherzustellen, um den wirtschaftlichen Wohlstand nicht zu senken. «Um die Geschwindigkeit zu sichern, braucht es etwa eine Überarbeitung der Lichtsignalanlagen.»

Die längeren Reisezeiten könnten sich laut Axhausen gerade auch auf die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs auswirken. Da brauche es Gegensteuer. «Denkbar wären etwa eine Taktverdichtung und mehr Verbindungen ohne Umsteigen», so der Leiter des Instituts für Verkehrsplanung.

Auch andere Schweizer Städte wie etwa Zürich wollen künftig mehr Tempo 30. Von einem zwingenden Zukunftsmodell will Axhausen aber nicht sprechen. Der Bevölkerung müsse so eine Massnahme letztlich in Bezug auf die Lebensqualität wert sein. «Es ist wie bei einem Autokauf: Wer einen BMW kauft, will keinen Kia, obwohl beide Autos in der Stadt praktisch gleich schnell sind.»

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