Basler Kindergarten verbannt Spielzeug«Manche Kinder sind tagelang nur rumgestanden»
Ein Basler Kindergarten verzichtete während mehrerer Wochen komplett auf Spielzeug. Anfangs drohte das Experiment in die Hose zu gehen, doch dann kam die unerwartete Wende.
Darum gehts
- Was passiert, wenn in einem Kindergarten plötzlich das ganze Spielzeug weggebracht wird? Wie reagieren die Kinder? Ein Doppelkindergarten im Basler Gellertquartier hat genau das getestet.
- Die Idee für das Experiment enstand im Rahmen der Suchtprävention.
- Anfangs waren die Kinder mit der plötzlichen Leere überfordert, doch dann wussten sie sich plötzlich zu helfen und haben nebenbei wichtige Dinge gelernt.
Spielen, puzzeln, malen: Das sind die Dinge, die einem einfallen, wenn man an die Kindergartenzeit denkt. Doch was ist, wenn plötzlich alle Spielsachen in Kisten gepackt und in die «Ferien geschickt» werden? Ein Doppelkindergarten im Basler Gellertquartier wagte im Januar das Experiment. Auf Facebook und im «Basler Schulblatt» berichtete das Balser Erziehrungsdepartement nun über das Experiment.
Die Kinder mussten sich nicht nur von dem Spielzeug verabschieden, sondern es auch gleich selber einpacken und wegtransportieren. Doch wozu wurde das Ganze durchgeführt? Das ED schreibt, im Projekt sollen die Kinder lernen eigene Spielideen zu entwickeln, sich mitzuteilen und verhandeln sowie Konflikte untereinander zu lösen.
Lehrpersonen hätten am liebsten abgebrochen
Kaum waren die Spielsachen also weg, galt es für die Kinder erfinderisch zu sein. Denn neben dem ganzen weggebrachten Zeug fehlten auch der Morgenkreis, die Aufträge und eine festgelegte Znünipause. Die entstandene Leere habe die meisten Kinder überfordert, ist im «Basler Schulblatt» des EDs zu lesen. Die Kindergarten-Morgen seien von Ratlosigkeit und Langeweile geprägt gewesen.
Bereits nach der ersten Woche, hätten die beiden Kindergartenlehrpersonen das Projekt am liebtsen abgebrochen. «Manche Kinder sind tagelang nur rumgestanden und rumgesessen und haben gewartet, bis endlich 12 Uhr ist», erzählt eine der beiden. «Nie wieder!», hätten sie sich gedacht.
Doch dann sei plötzlich die Wende gekommen, nach zehn Tagen hätten die Kinder angefangen Ideen zu entwickeln, Spiele zu erfinden und sich miteinander auszutauschen. Es habe also eine Weile gedauert, bis die Kinder in der neuen, spielzeugfreien Welt angekommen seien. Trotz lauten und wilden Stunden so wie vielen Konflikten, sei am Ende des Experimentes schlussendlich rausgekommen: «Weniger ist mehr.» Und: «Kinder brauchen nicht unbedingt Spielzeug, sondern vor allem Zeug zum Spielen», so das ED.
Besseres Deutsch und Sozialverhalten
Die Idee für das Projekt sei im Rahmen der Suchtprävention entstanden, schreibt das ED. Denn Fachleute gehen davon aus, man sei weniger suchtgefährdet, wenn man eigene Ideen habe, seine Meinung vertreten könne, es gewohnt sei zu verhandeln und auch mal Langeweile aushalte. Eigentlich sei das Projekt für drei Monate geplant gewesen, durch Corona musste es jedoch frühzeitig abgebrochen werden.
Trotzdem seien die spielzeugfreien Wochen sehr wertvoll gewesen. Die Kinder hätten ihr Deutsch, ihr soziales Verhalten so wie den Umgang mit Konflikten verbessert. Einige Kinder hätten nach dem Experiment sogar gesagt, dass das Spielen ohne Spielzeug viel besser gewesen wäre und sie es gar nicht mehr auspacken wollen würden.
Wird Spielzeug jetzt in allen Kindergärten verbannt?
Wie geht es jetzt also nach dem Experiment weiter? Bleibt dieser Kindergarten jetzt spielzeugfrei? Und ziehen andere sogar mit? Trotz den guten Erfahrungen während des Projekts, wurden die Spielzeuge wieder im Kindergarten an der Lehenmattstrasse verstaut – jedoch weniger als zuvor. Valérie Rhein, Mediensprecherin des Erziehungsdepartements Basel-Stadt, sagt auf Anfrage, die Erfahrung zeige, dass solche Projekte wirkungsvoller seien, wenn sie vom Kindergartenteam initiiert würden. Ziel sei, den Kindern eine temporäre spielzeugfreie Erfahrung zu ermöglichen. «Im Moment ist keine Evaluation zum spielzeugfreien Kindergarten geplant» so Rhein.